Heiligenkalender
11. Januar
Der selige Pater Thomas von Kora, Franziskaner
In Kora, einem kleinen Städtchen, in den päpstlichen Staaten, ward Thomas von armen Eltern geboren. In der Taufe erhielt er den Namen Franz Anton. Als kleinen Knaben verwendeten ihn seine Eltern zum Schafe hüten. Sein ernstes Wesen, fern von allem Kindischen, und sein reifer Verstand bewogen seine Eltern, ihn studieren zu lassen. Aber kaum hatte er einige Jahre von einem frommen Chorherrn in Kora Unterricht erhalten, als er wieder nach Hause und Schafe hüten musste. Er folgte willig dem Ruf seiner Eltern bis zu ihrem Tod. Nun musste er die Schafe verkaufen, um seine beiden Schwestern, die sich verehelichen wollten, auszusteuern, und er stand nun, 22 Jahre alt, allein und verlassen in der Welt. Da ging er mit Gott zu Rate, welchen Stand er erwählen sollte. Mit kindlichem Vertrauen wandte er sich zu Maria, seiner lieben Mutter, und es kam ihm der Gedanke, in den Orden des heiligen Franziskus zu treten. Nach kurzer Prüfung wurde er aufgenommen. Er durfte weiter studieren, legte Profess ab, und wurde zum Priester geweiht. Von da an beginnt seine segensreiche Wirksamkeit. Noch jung, machte ihn sein Oberer zum Novizenmeister. Als solcher ging er den Novizen mit dem besten Beispiel voran; ebenso als Gründer zweier Rekollekten-Häuser, zu welchem Amt seine Oberen ihn berufen hatten. Nachdem er das Werk vollendet hatte, wurde er zu den Missionen verwendet. Wenn er predigte, sprach der heilige Geist aus ihm; die Zuhörer taten gewöhnlich, was sein Wort verlangte. –
Er hatte einen großen Abscheu vor den Fastnachts-Belustigungen. Dagegen predigte er immer mit einem Strick um den Hals, einen Totenkopf in der Hand, mit wunderbarem Erfolg. Wenn das Volk, wo er Mission hielt, nicht zur Predigt kommen wollte, dann richtete er ein Kruzifix in der Kirche auf, lief durch die Straßen, laut rufend: „Sünder du säumst, und dein Erlöser hängt am Kreuz!“ worauf die Leute der Kirche zueilten. Schon sein öffentliches Auftreten war eine Predigt. Man sah an ihm das lebendige Abbild Christi, so hatte ihn die Bußstrenge, welche er übte, abgezehrt. Seine Kleidung war ein alter abgeschabter Habit; selbst als Guardian sammelte er Almosen. In seiner Zelle hatte einen elenden hölzernen Tisch, ein Brett war sein Bett, ein Stuhl von Stroh war sein Sitz, ein Bild, das Ecce Homo vorstellend und ein Kreuz war der Schmuck seiner Zelle, das Brevier war seine Bibliothek, einige Fetzen Papier dienten ihm zum Schreiben, die Tinte hierzu entlehnte er. So übte er vollkommene Armut. Im Kloster verrichtete er immer gern die niedrigste Arbeit, reinigte mit dem Besen den Boden, spülte die Geschirre, wusch die Kleider und trug auf der Kollekte den Sack. Ehre und Lob floh er wie die Pest. Als ihm nach einer Mission das Volk danken wollte, entfernte er sich heimlich über die verfallene Stadtmauer. –
Brach er bei der Arbeit irgend ein Geschirr, dann bekannte er sogleich dem Obern seine Schuld, indem er sich, mit den Trümmern um den Hals, ihm zu Füßen warf, und um Buße bat. –
Im Beichtstuhl war er unermüdlich; oftmals traf man ihn dort von Morgens Früh bis Abends, ja öfters bis Mitternacht. Er weinte mit den armen Sündern; seinen Worten konnten sie nicht widerstehen. Dabei litt er die größten Schmerzen mit unerschütterlicher Geduld. Zwanzig Jahre hatte er einen offen Fuß, doch ging er von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt, um zu predigen. Er verband seine Wunde niemals mit Linnen, sondern immer mit Wolltuch, um die Schmerzen zu vermehren. Als er zu Katarano einmal predigte, läutete er selbst zur heiligen Messe. Beim ersten Zug fiel ihm ein großer Stein auf den Kopf, der ihm eine tiefe Wunde schlug. Als die Leute ihm Mitleid bezeugten, sprach er: „Der Stein kam von Oben herab, der liebe Gott hat ihn auf mich geworden.“ Obwohl an der Wunde seines Fußes das wilde Fleisch wuchs, so verbreitete sie doch keinen üblen Geruch, vielmehr gab sie einen Wohlgeruch wie die wohlriechendsten Blumen von sich. Gott hatte seine Treue, mit der ihm diente, mit wunderbaren Gaben belohnt. Oft sah man ihn während des Gebetes und bei der heiligen Messe mehrere Spannen hoch in die Luft erhoben. Man sah und hörte ihn fast immer beten. Einmal sah Bruder Angelus, der ihm bei der heiligen Messe diente, wie er nach der hl. Wandlung statt der hl. Hostie ein kleines, holdseliges Kind in den Händen hielt, das seine Händlein gegen ihn ausstreckte.
Keinen Tag unterließ er es, Jesum im heiligsten Sakrament zu besuchen, und seine heiligste Mutter zu begrüßen. Maria nannte er nie anders als seine allerliebste Mutter und Fürbitterin. Auf ihre Fürbitte setzte er all sein Vertrauen. Alle Tage betete er den Rosenkranz von ihren sieben Freuden. Das Gleiche tat er auf Reisen. Hörte er den Namen Maria, dann neigte er immer das Haupt, und wollte, daß es auch andere täten. Wenn er im Chor einen Bruder bemerkte, der dies unterließ, lief er hinzu und ihn daran. Alle Vorabende der Muttergottes-Feste fastete er, nahm die geringe Speise auf dem Boden kniend, und führte diesen Brauch auch für das ganze Konvent in den Rekollektions-Häusern ein. –
Hatte er mit Geistlichen oder auch mit weltlichen Personen eine Unterredung, so vergaß er niemals, auch von der Mutter Gottes zu reden. Im Beichtstuhl gab er die Buße gern auf zu Ehren der Mutter der Barmherzigkeit. Bruder Angelus, welcher ihn in der letzten Krankheit ausgewartet (= versorgt), sah ihn in der Nacht vor seinem Sterbetag in die Luft erhoben zu einem Muttergottes-Bild gewendet und immer rufend: „Meine Mutter! Meine Geliebte!“ Als er in den letzten Zügen lag, unterhielt er sich nur mit Jesus und Maria. Man hörte ihn, das Kruzifix in der Hand, nichts anders rufen als: „Mein Geliebter! Meine Liebe!“ In diesem Augenblick war die ganze Zelle voll Glanz, der Kranke schwebte in der Luft, und man hörte ihn rufen: „Meine Mutter, wenige Zeit ist mehr übrig!“ Darauf verlor sich der Glanz und ein süßer Wohlgeruch blieb zurück. Lächelnd gab er seinen Geist in die Hände seiner geliebten Mutter, die gekommen war, um ih heim zu führen, Nachts 12 Uhr am 11. Januar 1729. Papst Pius VI. versetzte ihm im Jahre 1786 unter die Zahl der Seligen! (In Vita.) –
aus: Georg Ott, Marianum Legende von den lieben Heiligen, Erster Teil, 1869, Sp. 187 – Sp. 189