Heiligenkalender
13. März
Heilige Euphrasia Jungfrau
Am heutigen Tage ladet die Kirche ihre Kinder ein zur Feier des Andenkens an die so liebliche und liebenswürdige hl. Euphrasia. Ihr Vater, Antigonus, blutsverwandt mit dem Kaiser Theodosius I., bekleidete an dessen Hof zu Konstantinopel eines der höchsten Staatsämter und war sehr reich an zeitlichen Gütern wie an religiösen Tugenden. Seine ihm ebenbürtige Gemahlin Euphrasia erfreute ihn 380 mit einem Töchterlein, das er auf den Namen Euphrasia taufen ließ. Die glücklichen Eltern dankten dem Allgütigen für dieses Geschenk mit dem Gelübde lebenslänglicher Enthaltsamkeit. Schon nach einem Jahr starb Antigonus, den die Kirche am 11. Januar als Heiligen ehrt. Die erst zweiundzwanzig Jahre alte, blühend schöne Witwe entzog sich den lästigen Zudringlichkeiten ihrer Brautwerber durch die freiwillige Selbstverbannung mit ihrem Kind nach Ägypten, wo sie große Güter besaß. Dort in der Nähe ihrer Wohnung stand ein Kloster, in welchem 150 Jungfrauen eifrig Gott dienten.
Die fromme Witwe bemerkte die harte Armut dieses Klosters und bot ihm zum Andenken an ihren seligen Mann bestimmte jährliche Einkünfte an. Allein die würdige Vorsteherin lehnte das Anerbieten ab mit der schönen Erklärung: „Deine Mägde bedürfen keiner weiteren Einkünfte: wir haben aus Liebe zu Jesus allen zeitlichen Gütern und Bequemlichkeiten entsagt, um die Freuden des Himmels dafür zu empfangen; damit wir also diesen gewissen Lohn nicht verlieren, können und wollen wir keinen zeitlichen Besitz annehmen. Um jedoch deine Güte nicht zu betrüben und deine Freigebigkeit des ewigen Verdienstes nicht zu berauben, so magst du unserer Kirche ein Opfer an Öl, Kerzen und Weihrauch für den Gottesdienst geben.“
Euphrasia, staunend über solche Freiheit des Geistes, brachte freudig die bewilligten Opfer und schloß eine heilige Freundschaft mit diesen Bräuten Christi, welche für ihr aufblühendes Töchterlein überaus wohltuend wurde. Denn das schöne Vorbild der eigenen Mutter und die himmlischen Frieden atmende Fröhlichkeit der Klosterfrauen, unterstützt von der Gnade Gottes, wirkten so mächtig auf das an leiblicher Wohlgestalt und geistiger Fähigkeit so reich begabte Mädchen ein, daß es – erst zehn Jahre alt – mit bitten nicht abließ, bis die Mutter ihm erlaubte, im Kloster wohnen zu dürfen.
Die kleine Euphrasia bewährte vom ersten Tage ihres Eintritts an eine solche Pünktlichkeit im Gehorchen, einen solchen Eifer im Beten, eine solche Genauigkeit in den klösterlichen Übungen, daß Alle sich verwunderten. Keine Arbeit war ihr zu gemein, jeden Befehl befolgte sie fröhlich und flink, und jede Probe bestand sie meisterhaft. Vom zwölften Altersjahre an aß sie täglich nur einmal, und während der heiligen Fastenzeit genoß sie oft zwei und drei Tage lang nicht einmal Brot noch Wasser. Die Betrachtung des Leidens Jesu füllte ihre Augen mit heißen Tränen des Mitleidens und stärkte sie in ihrer Freudigkeit zu opferwilliger Selbstverleugnung und Abtötung. Der Teufel plagte sie heftig mit Versuchungen wider die jungfräuliche Reinigkeit, sie aber kämpfte und siegte mit den drei erprobten Waffen: Wachsamkeit, Gebet und Aufrichtigkeit, mit der sie ihre Versuchungen der Vorsteherin des Klosters offenbarte. Diese, im geistlichen Leben sehr erfahren, tröstete die Klagende, ermunterte die Müde zur Ausdauer und stärkte sie durch weise Übungen in der Demut.
So sprach sie eines Tages zu Euphrasia: „Liebe Tochter, im Klosterhof liegt ein Haufen Steine; trage dieselben auf die andere Seite hinüber.“ Euphrasia machte sich sogleich an die Arbeit und schleppte die steine an den angewiesenen Platz, daß ihr der Schweiß von der Stirne tropfte. Des andern Tages bemerkte die Vorsteherin freundlich: „Meine Tochter, es paßt doch nicht gut, daß der Steinhaufen hier liege, trage sie nur wieder an den alten Platz zurück.“ Euphrasia vollzog diesen Befehl mit fröhlicher Eilfertigkeit. Dieses Steintragen dahin und dorthin wurde ihr dreißig Tage nach einander befohlen, und sie gehorchte das dreißigste Mal eben so hurtig und bereitwillig wie das erste Mal, – die Versuchungen wider die heilige Reinigkeit hörten für immer auf; denn der wahren Demut gegenüber sind die bösen Geister völlig ohnmächtig. Davon konnte sich einmal die Schwester Germana, welche gegen Euphrasia einen zehrenden Neid im Herzen trug, klar überzeugen.
Diese fragte einst in hämischem, tadelndem Tone: „Du, Euphrasia, warum fastest du strenger als alle deine Mitschwestern?“ Die Gefragte antwortete sanft: „Die Vorsteherin hat verordnet: jede Schwester soll tun, so viel sie kann; mein einziger Wunsch ist es, ihren Willen zu erfüllen:“ Darüber geiferte jene: „O du schlaue Betrügerin! Solches tust du nur aus Ehrgeiz und Heuchelei, um einst Vorsteherin zu werden; aber dazu wird es der gerechte Gott nicht kommen lassen.“ Ohne die geringste Widerrede warf sich Euphrasia der giftigen Verleumderin zu Füßen, bat sie um Verzeihung des an ihr genommenen Ärgernisses und um den Beistand ihres Gebetes,
Nach dem Tode ihrer gottseligen Mutter rief Kaiser Theodosius die Euphrasia nach Konstantinopel, um sie mit seinem Liebling, dem Sohn eines Senators zu verehelichen. Euphrasia antwortete brieflich: „Unüberwindlicher Kaiser! Du weißt, daß ich mit Jesus Christus verlobt bin: darfst Du noch wollen, daß ich meinem versprechen untreu werde und mich mit einem Sterblichen verbinde, der bald eine Speise der Würmer sein wird? Gewiß nicht! Ich habe mein Ehrenwort dem Sohn Gottes gegeben: wie dürfte ich Ihm nun den Sohn eines Senators wieder vorziehen? Nein, ich werde den Bräutigam von göttlichem Adel nicht verlassen um eines Mannes willen, der so gebrechlich und hinfällig ist. Hiermit fürchte ich nicht, weder deine Majestät noch Jenen zu beleidigen, und bin überzeugt, daß Du mich achten und bei Jenem entschuldigen wirst. Aber deine kaiserliche Huld ermutigt mich zur Bitte um noch eine andere Gnade. Ich habe von meinen seligen Eltern große Reichtümer geerbt und wünsche darüber auf`s beste zu verfügen; aber ich habe Niemanden, dem ich die Erfüllung meiner Wünsche besser anvertrauen könnte, als deiner Majestät. Deshalb bitte ich Dich: verteile mein Hab und Gut den Armen, den Kirchen und Spitälern, setze alle meine Sklaven in Freiheit, schenke den Pächtern alle ihre Rückstände und meinen Schuldnern jede Verbindlichkeit: für mich will ich nichts Zeitliches mir genügt mein Bräutigam, und Ihm allein will ich mein Herz und meine Seele bewahren, frei von Liebe und sorge für das Irdische, Möge Dich Gottes Güte reichlichst segnen!“
Theodosius vermochte kaum seine Tränen zurück zu halten, während er den Senatoren diesen Brief vorlas, und sprach am Ende: „Seht, wie ein zartes Mädchen mich und euch lehrt, die irdischen Güter richtig zu beurteilen! Wir trauten uns zu, dies wohl zu wissen, da wir doch in Wahrheit nur Sklaven der Anhänglichkeit an diese Welt sind!“ Der Kaiser erfüllte pünktlich den Willen der würdigen Tochter des ihm unvergeßlichen Antigonus.
Euphrasia, welche in vollkommenster Weise Alles vorbehaltlos ihrem himmlischen Bräutigam geopfert hatte, wurde wiederum von Ihm mit außerordentlichen Gnaden der Verdemütigung, der Bußfertigkeit, des Gebetseifers und der Wundermacht über Krankheiten und über die bösen Geister beschenkt. Als sie dreißig Jahre alt war, offenbarte Gott der Vorsteherin, daß Er Euphrasia bald in den Himmel nehmen werde. Das ganze Kloster weinte. Auch Euphrasia weinte, nicht aus Furcht vor dem Tode, sondern aus Demut, weil sie glaubte, daß sie für ihre Sünden noch nicht genug gebüßt habe. „Warum, o Jesu!“ seufzte sie, „hast Du mich arme Waise verstoßen! Ich hatte ja bis jetzt nur mit dem Satan zu streiten, und Du forderst schon meine Seele! Sei doch barmherzig, o Jesu, und schenke mir noch ein einziges Jahr, um Buße zu tun: ich bin noch ein Baum ohne alle Frucht. Ach, im Grabe gilt keine Buße mehr, und nach dem Tode haben die Tränen keinen Wert!“ Sie kniete vor die Vorsteherin hin, umfaßte ihre Füße und flehte: „O teure Mutter, erbarme dich meiner und bitte Gott um nur noch ein Jahr für mich!“ Die Vorsteherin beugte sich über die Flehende, küßte sie unter einem Strom von Tränen und sprach: „Glückliche Tochter, Jesus ruft dich zu den Freuden des Himmels, erbarme du dich meiner und bitte für mich, daß ich bald zu dir kommen möge!“
Noch lag Euphrasia zu den Füßen der Vorsteherin, als sie schon von einem hitzigen Fieber befallen wurde, welches noch am gleichen Tage – den 13. März 410 ihre heilige Seele vom Leibe trennte. Sie wurde neben ihrer seligen Mutter beerdigt und ihr Grab durch viele Wunder verherrlicht. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 190 – S. 193