Heilige Opportuna von Séez Äbtissin

Christus sitzt in der Mitte, Löwe und Stier zu seinen Füßen

Heiligenkalender

22. April

Die heilige Opportuna von Séez Äbtissin

Die hl. Opportuna zu Seez in der Normandie aus königlichem Geblüt entsprossen, hatte schon als Kind einen großen Eifer zum Gebet und eine gar zärtliche Liebe zu Jesus und Maria. Sie blühte auf in wundersamer Lieblichkeit, der Lilienschein der Unschuld glänzte auf ihrer geistreichen Stirne, die Glut heiliger Liebe hauchte auf ihr feines Angesicht ein sanftes Rot, aus ihren blauen Augen leuchtete teilnehmende Herzensgüte, das schöne Ebenmaß ihrer Körpergestalt vollendete ihre Reize: sie war die Perle, welche die edelsten Söhne der weiten Umgebung zu gewinnen suchten; aber sie wollte nur Jesus, den Sohn Gottes und Mariä, zum Bräutigam haben. Als sie eines Tages in der Kirche die Worte des heiligen Evangeliums hörte: „Gehe hin, verkaufe Alles, was du hast, gib es den Armen und folge Mir nach“ (Matth. 13), da fühlte sie eine solche Begeisterung, dieser göttlichen Einladung zu folgen, daß sie sogleich nach Hause eilte, vor ihre Eltern hinkniete und inniglich bat: „Ich beschwöre euch im Namen Jesu, dessen Worte ich soeben in der Kirche gehört habe, sagt mir nichts mehr von einem irdischen Liebhaber; ich bin fest entschlossen, mich nur mit Jesus, meinem himmlischen Bräutigam, zu vermählen.“ Die Eltern lobten ihren Entschluß und dankten Gott, daß Er ihnen ein so gutes Kind geschenkt habe.

Indessen setzten die Freier ihre Werbung in zudringlicher Weise fort; aber Opportuna gab ihnen den kurzen Bescheid: „Ich habe Den schon gefunden, den meine Seele lieb hat;Ihm bleib ich treu und werde Ihn nie verlassen“, und erlangte endlich von den Eltern die Zustimmung, in das Kloster der Benediktinerinnen zu Montreuil eintreten zu dürfen. Mehrere Klosterfrauen sahen sie beim Eintritt ins Kloster von ihrem heiligen Schutzengel begleitet, und ihr Bruder Chrodegand, Bischof von Seez, den sie gar zärtlich liebte, segnete ihr das Ordenskleid.

Im Kloster befolgte sie täglich und stündlich als Lebensregel ihres Tuns und Lassens die Mahnung des Herrn: „Lernet von Mir, weil ich sanftmütig und demütig bin von Herzen“ (Matth. 11), und machte in dieser Schule ausgezeichnete Fortschritte. Dabei hielt sie ihren Leib in strenger Zucht, aß nie Fleisch, trank nie Wein, genoß am Mittwoch und Freitag gar keine Speise, am Sonntag nur Gerstenbrot und ein Stücklein Fisch. Auf die Frage, warum sie so streng faste, antwortete sie: „Weil Adam und Eva wegen ihrer Genußsucht aus dem Paradies verstoßen worden sind, müssen wir durch Fasten in dasselbe zurück zu kehren uns bemühen.“ Die jungfräuliche Gottesmutter Maria verehrte sie mit der kindlichen Zuneigung und Aufmerksamkeit; zu allen Verrichtungen erbat sie sich ihren Segen und ihre Fürsprache bei Gott; in allen Zweifeln und Bedrängnissen holte sie sich Rat bei ihr.

Nach dem Tode der Äbtissin wurde sie einstimmig zur Nachfolgerin gewählt. So sehr sie auch mit Bitten und Tränen gegen diese Wahl protestierte, die Bitten und Tränen aller ihrer Mitschwestern waren mächtiger und zwangen sie zur Nachgiebigkeit. Als Oberin verdoppelte sie die Strenge nur gegen sich selbst und war mit allem Fleiß besorgt, ihren Untergebenen für Leib und Seele eine liebende Mutter zu sein. Sorgfältig darauf bedacht, daß ihnen ja am leiblichen Unterhalt nichts mangele, war sie nicht weniger tätig, durch Belehrung und Aufmunterung ihre Herzen zu immer größerem Eifer im Dienst Gottes anzutreiben. Für die Kranken und Schwächlichen im Hause hatte sie die zärtlichste Aufmerksamkeit, für die Armen und Bedrängten außer dem Hause eine freigebige Hand. Keine Vorkommnisse vermochten ihre Sanftmut zu trüben, nie sah man sie aufgeregten Gemütes, nie hörte man aus ihrem Munde ein liebloses Wort.

Einen bitteren Leidenskelch reichte ihr Gott dann durch den traurigen Tod ihres geliebten Bruders Chrodegand. Dieser hatte eine Wallfahrt nach Rom und Jerusalem unternommen und unterdessen die Verwaltung des Bistums seinem Vetter Chrodobert übertragen, der leider das ihm geschenkte Zutrauen schändlich mißbrauchte. Er streute das Gerücht aus, der Bischof sei unterwegs gestorben und maßte sich die Würde des angeblich Toten an. Als nach sieben Jahren Chrodegand zurück kam und bei seiner Schwester Opportuna einkehrte, heuchelte Chrodobert Freude und lud ihn ein, den Bischofsstab wieder zu tragen; zugleich aber sandte er einen Meuchelmörder, welcher den Bischof in der Nähe des Klosters ermordete. Dieser Mörder war ein Verwandter, der der Ermordete aus der taufe gehoben und mit vielen Wohltaten beschenkt hatte. Opportuna beweinte schmerzlich den traurigen Tod ihres Bruders, wurde aber von Gott getröstet durch eine Offenbarung, daß derselbe als Märtyrer der Gerechtigkeit in den Himmel aufgenommen sei. Als man die Leiche des Bischofs ins Kloster tragen wollte, vermochten die stärksten Männer es nicht, sie aufzuheben. Da legte Opportuna selbst Hand an, hob sie mit leichter Mühe auf ihre schultern und trug die teure Bürde in die Kirche, was Alle für ein Wunder erklärten.

Der Tod ihres Bruders steigerte in ihr gar sehr die Sehnsucht und das Heimweh nach dem Himmel; mit inbrünstigem Gebet seufzte sie zu Jesus um ihre Auflösung. Der Herr erhörte ihr Flehen, nachdem Er sie noch durch viele Wunder an Kranken und Leidenden ausgezeichnet hatte. Eine schmerzliche Krankheit kündigte ihr die Nähe des Todes an. Da berief sie ihre Schwestern, fiel allen zu Füßen, bat sie um Verzeihung und gab ihnen heilsame Lehren und Ermunterungen. In den letzten Tagen wurde sie mit himmlischen Erscheinungen getröstet, wie sie solche öfters im Leben gehabt hatte, Ihr Zimmer war plötzlich von himmlischem Lichtglanz und Wohlgeruch erfüllt, und sie sah die hl. Jungfrauen und Märtyrerinnen Cäcilia und Lucia, welche sie nebst der göttlichen Mutter Maria besonders als heldenmütige Bewahrerinnen der Keuschheit verehrt hatte. Die Sterbende fragte sie, was Maria von ihr wünsche, und erhielt die Antwort: „Die jungfräuliche Mutter erwartet deine Ankunft, damit du mit ihrem Sohn vermählt werdest auf ewig.“ Nach dieser lieblichen Erscheinung stellte sich auch der Teufel in schrecklicher Gestalt ein. Opportuna rief laut den Anwesenden zu. „Seht, der Satan ist da und will mich ängstigen: betet mit mir und helft mir, ihn vertreiben!“ Nach inbrünstigem Gebet sprach sie mit fester Stimme: „Im Namen Jesu Christi befehle ich dir, Satan, weiche von mir: du wirst die Braut Jesu nicht überwinden, wie du die Eva überwunden hast.“ Der Satan war besiegt; er verschwand, und die heilige Jungfrau lag in ihren schmerzen schweigend voll himmlischen Trostes. Während die tief trauernden Schwestern noch auf den Knien lagen und ihre Gebete andächtig fortsetzten, stieß die Äbtissin plötzlich einen lauten Schrei der Freude aus: „Seht doch, meine liebste Mutter Maria kommt, mich abzuholen! Euch empfehle ich ihrer Fürbitte.“ Dann streckte sie beide Arme aus, als wolle sie die Erscheinung zum Kuß umfangen und – verschied am 22. April 770. Sie wurde neben ihrem Bruder beerdigt und leuchtete durch zahllose Wunder.

aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 301-302

Verwandte Beiträge

Buch mit Kruzifix
Das Speiseopfer des Neuen Bundes
Buch mit Kruzifix
Katechismus Das Opfer des Neuen Bundes