Heiligenkalender
2. Mai
Der heilige Peregrin Laziosi Büßer und Prediger
Die vornehmen Eltern dieses Heiligen lebten zu Forli, einer Stadt in Italien. Sie waren lange Zeit kinderlos; endlich wurden sie im Jahre 1265 mit einem Knaben von Gott beschenkt, dem sie in der Taufe den Namen Peregrin gaben. Er war das erste und auch das einzige Kind; daher verschwendeten auch die Eltern alle ihre Liebe an ihm, und gestatteten ihm Alles, was sein Eigensinn verlangte. Sie waren zu schwach, seine Fehler vernünftig zu strafen, und so wuchs er denn in zügelloser Freiheit auf, ergab sich mit ausgelassenen Jungen allen Ausschweifungen und nahm tätigen Anteil an den damals blutigen Parteikämpfen und Raufhändeln.
Doch die Liebe Mutter Gottes hatte ihre erbarmungsvollen Augen auf ihn geworfen; sie wollte ihn für Gott gewinnen, und ihre Fürbitte fand Erhörung. Peregrin hatte gerade sein achtzehntes Jahr erreicht, als der berühmte Diener der Lieben Frau, der heilige Benitius, vom Papst nach Forli gesendet wurde, damit er die dort in beständiger Feindschaft lebenden Bürger versöhne und zur Rückkehr zum schuldigen Gehorsam bewege. Benitius predigte mit glühendem Eifer und drang mahnend, warnend und drohend auf Versöhnung der Gemüter, doch vergebens. Die Verstockten verharrten in ihrer Bosheit und vergriffen sich sogar an dem heiligen Prediger, Sie jagten ihn, mit Steinen und Stöcken bewaffnet, zur Stadt hinaus, und Peregrin, der sich ebenfalls unter dem gottlosen Haufen befand, versetzte sogar, um sich vor seinen Kameraden hervor zu tun, dem Heiligen einen Backenstreich. Allein gerade diese grausame Handlung war der Anfang seiner Bekehrung. Der heilige Benitius ertrug die Schmach und Misshandlung mit engelgleicher Geduld, kniete sich vor den Toren der Stadt nieder, beweinte die Verstocktheit der Bürger und flehte für sie um Erbarmen. –
Dies sah Peregrin, und das so liebevolle Benehmen des heiligen machte einen so mächtigen Eindruck auf ihn, daß er dem Heiligen zu Füßen fiel und mit Tränen ihn um Verzeihung bat. – Benitius war ein getreuer Nachfolger des Gekreuzigten; er kannte nicht Bitterkeit noch Hass, nahm den reuigen Jüngling in seine Arme, vergab ihm vom Herzen und mahnte ihn herzlich, sich zu Gott zu wenden, und ganz besonders die gebenedeite Gottesmutter um ihre Fürbitte anzurufen. Peregrin versprach aufrichtigen Herzens, den Ermahnungen des heiligen Mannes zu folgen, und hielt getreulich Wort.
Voll heiliger Entschlüsse kehrte er zur Stadt zurück, floh jetzt die Gesellschaft seiner Kameraden, bereute seine Sünden und flehte Tag und Nacht zur gebenedeiten Gottesmutter, sie wolle ihn führen und leiten auf den weg, der ihrem göttlichen Sohn wohlgefällig sei. Und nicht vergeblich rief er die Mutter der Barmherzigkeit an.
Als er einmal in der Domkirche zu Forli von einem Bild der Leibe Frau mit kindlichem Vertrauen betete, erschien ihm die göttliche Mutter, von vielen Engeln umgeben, neigte sich huldvoll zu ihm herab und sprach: „Sei getrost, mein Sohn! Was du von mir begehrst, soll dir gewährt werden, denn ich verlange nichts anderes, als dich auf den Weg des Heils zu leiten.“ Auf diese Stimme erschrak Peregrin und zweifelte, ob es wohl eine wirkliche Erscheinung wäre oder nur ein Betrug des bösen Feindes, der sich oft in einen Engel des Lichtes verstaltet. Allein dieser Zweifel wurde bald gehoben, da Maria ihn wiederum mit den Worten tröstete: „Fürchte sich nicht, mein Sohn, denn ich bin die Mutter desjenigen, den du am Kreuz anbetest; ich bin auch von ihm gesandt, dir den sicheren Weg zum Paradies zu zeigen.“ – Darauf befragte ihn Maria, ob er jene Ordensmänner kenne, die man ihre Diener nenne? Als er mit heiliger Ehrfurcht geantwortet, er kenne sie dem Namen nach, wisse aber nicht, wo sie anzutreffen wären, sprach die göttliche Mutter: „Peregrin! (das heißt „Wanderer“, „Pilger“) du sollst in der Tat ein Peregrin sein, wandere hin nach Siena.“
Von dieser Erscheinung wunderbar getröstet und von Liebe zu Gott und Maria entflammt, eilt er sogleich nach hause, entdeckt seinen Eltern seinen höheren Beruf, bittet um Erlaubnis, demselben folgen zu dürfen, und da er sie erhalten, eilt er noch in der Nacht der Straße nach Siena zu. Kaum war er außer der Stadt, so gesellte sich zu ihm ein Engel in Gestalt eines schönen Jünglings, den ihm die Himmelskönigin sandte, und der ihn unter lieblichen Gesprächen nach Siena begleitete, wo er alsbald verschwand. Peregrin aber ging unverweilt in das Kloster der Serviten oder Diener Mariens und erzählte dort dem Oberen in aller Demut und Aufrichtigkeit die Art und Weise seines Berufes. Er wurde mit Freuden aufgenommen und eingekleidet. Als er das Kleid der Lieben Frau anlegte, bemerkten die Ordensbrüder zu ihrem größten Erstaunen, wie eine Zeitlang ein himmlischer Glanz das Haupt Peregrins umstrahlte, woraus sie folgerten, daß er herrlich in Tugenden leuchten werde, und sie irrten sich nicht.
Unter der Obhut der Lieben Frau, deren Diensten er sich in ihrem Orden ganz geweiht hatte, ward er in kurzer Zeit das vollkommenste Muster eines Ordensmannes und Dieners der Himmelskönigin, so daß er nach Ablauf des Probejahres die feierlichen Gelübde ablegen, und sich nun unauflöslich mit der Himmelsmutter verbinden durfte. Nun suchte er die Lust der Welt, welche er so ungescheut genossen, an sich zu büßen und derselben gänzlich abzusterben. Es erwachte in ihm ein brennendes Verlangen nach Verachtung seiner selbst und nach Leiden. Er wollte so viel möglich seiner schmerzhaften Mutter Maria, deren Leiden er immer vor Augen hatte, gleichförmig werden. Als man ihm die Priesterwürde antrug, da bat er so flehentlich, man möchte ihn in seinem niedrigen Stand belassen, daß seine Oberen wirklich einige Jahre zuwarteten. Endlich im 30. Jahr seines Lebens musste er sich in Kraft des Gehorsams zum Priester weihen lassen. Nun gelang es seinen Bemühungen, auch in seiner Vaterstadt Forli ein Kloster seines Ordens zu gründen, wo er auch bis zu seinem Tode verweilte. Dort setzte er neben den anstrengenden Arbeiten auf der Kanzel und im Beichtstuhl, seine strenge Lebensweise in Fasten und Züchtigung seines Leibes fort. Dreißig Jahre lang sah man ihn nie sitzend, und wenn er von Mattigkeit überwältigt ruhen musste, da lehnte er sich an die Mauer oder er legte sich auf die bloße Erde.
Seine große Sehnsucht zu leiden, gefiel dem Herrn so wohl, daß er ihm Gelegenheit gab, noch mehr zu leiden. Er schickte ihm eine ungemein schmerzhafte Krankheit. Sein Schienbein wurde von einer großen Geschwulst angegriffen und es zeigte sich endlich der fressende Krebs. Der (…) Gestank, den diese Krankheit verbreitete, verscheuchte bald Alle von ihm, und der blieb sich selbst überlassen und alles Trostes beraubt. Er aber litt geduldig wie Job, ja mit Freuden die Schmerzen und dankte unaufhörlich dafür. Da ihn endlich das Übel in die äußerste Lebensgefahr brachte, so wurde von den Wundärzten beschlossen, ihm das Bein abzunehmen. Peregrin ergab sich in den Willen der Ärzte, beschloss aber zuvor noch, seine Zuflucht zu seinem göttlichen Heiland zu nehmen. In der Stille der Nacht kroch er aus seiner Zelle in die Kapelle, wo ein Bild des gekreuzigten Heilandes verehrt wurde. Vor diesem Bild flehte er inbrünstig, der Herr wolle seinen elenden Zustand ansehen und nach seinem Wohlgefallen mit ihm verfahren. Darauf überfiel ihn ein süßer Schlaf, und er sieht in selbem, wie Christus vom Kreuz sich herab neigt und seinen beschädigten Fuß berührt, worauf er vom Schlaf erwacht und das Schienbein geheilt fand, als wäre es niemals krank gewesen.
Als am folgenden Morgen der Wundarzt erschien, um das Bein abzunehmen, erstaunte er höchlich, als ihm Peregrin das geheilte Bein zeigte und ihm sagte, daß ihn ein anderer Arzt, und zwar der himmlische Arzt Jesus, geheilt habe. Das Wunder ward bald in der ganzen Stadt bekannt; die Bewohner faßten die größte Ehrfurcht vor Peregrin und wo er immer öffentlich in der Stadt erschien, da ertönte auch der Ruf: „Da geht der Heilige!“ Wer nur immer konnte, empfahl sich seinem Gebet, und unzählige Kranke wurden auf sein Gebet geheilt. Dabei aber blieb Peregrin immer demütig; und je mehr man ihn achtete, desto mehr verachtete er sich selbst. Immer gedachte er der Sünden seiner Jugend und beweinte und büßte sie bis zum letzten Hauch seines Lebens. Achtzig Jahre alt starb er, den Blick aufs Kreuz geheftet, am 1. Mai des Jahres 1345. Viele fromme Jungfrauen behaupteten, in einem Gesicht gesehen zu haben, wie seine Seele von Maria, der Himmelskönigin, der er so treu gedient, in Begleitung des seligen Philipp Benitius und des seligen Franz von Siena in das Paradies eingeführt wurde. (Marianischer Tugendspiegel.) –
aus: Georg Ott, Marianum Legende von den lieben Heiligen, Erster Teil, 1869, Sp. 1103 – Sp. 1106