Heiligenkalender
6. Juli
Heilige Angela von Böhmen, Karmelitin
Angela war eines böhmischen Königs Tochter und zu Prag geboren. –
Ihr Vater tat sie in ein Kloster, damit sie dort erzogen und unterrichtet werde. Dort erlernte sie die lateinische Sprache, eine große Kenntnis der heiligen Schrift und durch Betrachtung ihrer heiligen Worte erlangte sie auch eine große Kenntnis und Liebe Gottes. – Schön von Antlitz, sagt ihr Lebensbeschreiber, war sie noch schöner durch ihren lebendigen Glauben; edel von Geschlecht, war sie noch edler durch ihr heiliges Leben. Als sie eines Tages während der Nacht, hingeworfen vor dem Hochaltar demütig zu Gott betete, versank sie in tiefen Schlaf. Da sah sie die allerseligste Jungfrau von einer Menge Engel umgeben, die den süßesten Gesang anstimmten. Darob vom Schlaf erwacht, erkennt sie, daß die Engel den Lobgesang singen: Ave Regina coelorum „Sei gegrüßt, Königin der Himmel!“ Als der Gesangbeendigt war, sah sie einen Engel auf Befehl der Gottesmutter auf sie zutreten, der ihr offenbarte, daß ihr Vater im Sinne habe, sie zu vermählen; sie solle daher nach Jerusalem ziehen, zum Kloster der allerseligsten Jungfrau auf dem Berg Karmel.
Um dieselbe Zeit kam nach Prag der Sohn des Königs von Ungarn und Erbe des Reichs, ein Jüngling schön von Gestalt, und machte Angela den Antrag zur ehelichen Verbindung; aber Angela verschaffte sich männliche Kleidung, zog dieselbe in der Nacht an und schrieb einen Brief des Inhalts: „Ich Angela nehme mir deine Kleider; meine kostbare Kleidung lasse ich dir für dieselben zurück, diese verkaufe und verschaffe dir damit andere Kleider.“ Nachdem sie noch einen Brief an ihren Vater geschrieben hatte, entfloh sie. Des Morgens suchte man sie, und als man sie nicht mehr fand, da war Alles in Bestürzung und der Vater verfiel in die tiefste Betrübnis. Er betrat das Schlafgemach seiner Tochter; sie war nicht da, dafür aber fand er einen Brief in lateinischer Sprache geschrieben, welcher also lautete: „Ihr werdet mich suchen, aber nicht finden. Da hinterlasse ich dir, o Vater schriftlich meinen Entschluss, und sage dir den Grund meiner Flucht. Ich liebe über Alles Jesum Christum, dem ich ewige Treue gelobt und mich ganz geweiht habe. Ich bin daher entflohen, denn mein herz brennt vor Verlangen ihn zu sehen. Nun weißt du, wo ich mich befinde. Wenn du mein Vater sein willst, und ich deine Tochter, so versuche es nicht, ich beschwöre dich, mich zu trennen von meinem wahren, himmlischen Vater. Ich gestehe, du bist mein Vater, und ich bin deine Tochter; aber ich habe einen Vater im Himmel, der der König der Könige, der Herr der Herren ist. Seine Botschaft an mich habe ich gehört, indem e zu mir sprach: „Höre, meine geliebte Tochter und neige dein Ohr zu mir und vergiss dein Volk und das Haus deines Vaters!“
Der König war über diesen Brief sehr erstaunt und fragte, ob Niemand im Kloster von dem Vorhaben seiner Tochter etwas wisse; da aber Niemand den Grund ihrer Flucht angeben konnte, kehrte der König traurig nach Hause zurück. Auf dem Weg trösteten ihn seine Begleiter und sagten, er werde seine Tochter bald wieder finden; sie habe ja kein Geld, sei Arbeit und Armut nicht gewohnt und werde bald, von Not bedrängt, wieder zurück kehren; er solle an alle Klöster Boten senden, und nicht lange, so würde er sie wieder finden. Der König befolgte auch diesen Rat.
Unterdessen durchwanderte Angela abgelegene Orte und ward Abends von einem Mann, der noch nicht gläubig war, gastfreundlich ins ein Haus aufgenommen. Angela unterrichtete und bekehrte ihn. Bevor sie sich Nachts zur Ruhe begab, betete sie herzlich zu Gott und empfahl sich dem Schutz der Gottesmutter.
Mit Anbruch des Tages erschien ihr die allerseligste Jungfrau im Lichtglanz und sprach zu ihr: „Meine Tochter, stehe auf, ich will dir einen Ort der Ruhe bereiten.“ Angela erhob sich und durchzog eine Einöde, in welche sich Niemand allein zu gehen gewagt hätte. Doch sie vertraute auf den Schutz der Himmelskönigin. Als sie einen kurzen Weg gegangen, begegneten ihr einige Wanderer, die eben aus diesem Wald zu entkommen suchten, weil sie fürchteten, darin umzukommen. Sie fragten Angela, wessen Geschäft sie kundig sei? Und als sie ihnen sagte, daß sie ziemlich schreiben könne, luden sie sie ein, mit ihnen zu gehen. Unter den Wanderern war ein Soldat, der nach Konstantinopel und von da in das heilige Land reisen wollte. Dieser fragte Angela, wie sie heiße? Sie entgegnete: „Ich werde es dir, mein Herr sagen, wenn wir Böhmen verlassen haben, denn mein Name ist erhaben.“ Der Soldat wunderte sich, kaufte ihr aber doch ein Pferd und führte sie mit sich. Während sie auf dem Weg miteinander sprachen, sagte der Soldat zu ihr: „Sage mir doch, warum du so grobe Kleider trägst? Dein Antlitz und deine Hände stimmen mit ihnen nicht zusammen.“ „Höre“, erwiderte Angela, „meine Worte, ich will dir Alles erzählen. Mein Vater ließ mich in einem Kloster unterrichten. Da kam mir in den Sinn, aus Liebe zu Gott das heilige Land zu besuchen. Aber weil ich aus dem Kloster nicht zu gehen wagte mit meinen eigenen Kleidern, fürchtend, ich möchte erkannt und zurück gehalten werden, so vertauschte ich meine Kleider mit denen eines meiner Diener.“ Der Soldat schwieg und dachte nichts Arges; auch sprach er kein ungeziemendes Wort, denn Jesus beschützte seine Braut. So kam Angela glücklich nach Konstantinopel, wo sie mit ihrem Begleiter in die Sophienkirche ging, welche Jesu, der göttlichen Weisheit, geweiht war. Dort hörte sie im Gebet den Heiland zu ihr sagen, daß er ihr unvergängliche Reichtümer geben werde; sie sah auch Christum, die göttliche Weisheit. Er erschien ihr in Gestalt eines sehr schönen Knaben, und reichte ihr ein lateinisches Buch, welches die Tagzeiten des Karmeliter-Ordens von U. L. Frau auf dem Berg Karmel enthielt, und welche Angela von nun an betete.
In Jerusalem angekommen, besuchte sie mit dem Soldaten die heiligen Orte, und als sie in der Kirche der Karmeliterinnen ihre Andacht verrichtet hatte, entdeckte sie einer andächtigen Frau ihr Geschlecht und ihr Vorhaben. Die Frau gab ihr weibliche Kleidung und führte sie zur Priorin des Klosters, sie bittend, diese Jungfrau in das Kloster aufzunehmen. Es hatte aber die Priorin Nachts zuvor in einem Gesicht eine Jungfrau gesehen, die, ein lateinisches Brevier in den Händen, sich ihr zu Füßen warf. Als sie nun Angela sah, und das Buch, welches sie in der Hand hielt, gedachte sie sogleich des nächtlichen Gesichts, und nachdem sie erkannt hatte, daß das Buch die Tagzeiten des Karmeliter-Ordens enthalte, fragte sie Angela, woher sie dieses Buch erhalten habe? Diese antwortete, es sei ein Werk und Geschenk Gottes, und da sie zugleich offenbarte, wessen Tochter sie sei, ward sie von Allen freundlich aufgenommen. Sie lebte auch im Kloster so fromm und gottesfürchtig, daß alle Schwestern sie recht lieb gewannen, und als die Priorin starb, wurde sie von dem Patriarchen von Jerusalem, dem heiligen Johannes, der aus dem Karmeliter-Orden gewesen, zur Nachfolgerin derselben bestimmt. 35 Jahre leitete sie die Schwestern auf dem Weg der Vollkommenheit. Niemand im Kloster kam ihr gleich in Bußstrenge, im Wachen und Fasten und im Eifer des Gebetes, und, was noch größer ist, in der Demut. Sie war die Magd aller; eine Helferin der Armen, eine Trösterin der Kranken und Bedrängten. Oft hatte sie Unterredungen mit ihrem heiligen Schutzengel, der sie wie eine Schwester mit reinster Liebe liebte, und der ihr auch verkündete, daß sie hier im Kloster zu Jerusalem nicht sterben werde. An einem Samstag, welchen Tag Angela wegen der lieben Frau besonders ehrte und feierte, sah sie den Engel sich ihr nahen. Er sprach mit ihr vom Reich Gottes und zuletzt rief er ihr zu: „Wer ausharrt bis ans Ende, wird selig werden.“ Bei diesen Worten zeigte er ihr die Schätze des himmlischen Jerusalems. Von dieser Zeit beeiferte sich Angela noch mehr, in aller Demut ihrem göttlichen Bräutigam Jesus nachzuwandeln. Was sie bisher getan, das hielt sie für Nichts, und immer mehr suchte sie ihre Seele mit den schönsten Tugenden zu schmücken. Dafür aber gab ihr Gott Alles, was sie verlangte. Als ein halbes Jahr kein Regen mehr fiel, und alles Grüne verdorrte, erlangte sie durch ihr Gebet einen gedeihlichen Regen.
Als die Sarazenen das Kloster anfielen, jagte sie dieselben durch ihr Gebet in die Flucht. Als ein Mameluk mit mehreren Genossen zu Nachts in das Kloster einbrechen wollte, hörte er die Worte: „Vergreif dich nicht an meinem Heiligtum“, und von diesen Worten erschreckt, floh er.
Nachdem aber Gott der Herr es zuließ, daß die Ungläubigen das heilige Land eroberten und die Christen töteten und zerstreuten, kam kurz vorher die allerseligste Jungfrau Maria zur hl. Angela und sprach: „Schnell weiche von hinnen, weil Gott dieses heilige Land wegen der vielen Sünden der Christen den Ungläubigen und Sarazenen überlassen wird, damit sie es bewohnen. Deshalb kehre zurück in dein Vaterland und bitte für dein Volk, denn es naht sich ihm große Trübsal.“ Es erkannte aber Angela, daß die Gottesmutter die Ketzerei meine, welche damals zu Prag entstand. Sie entfloh also heimlich, schiffte über das Meer, kam nach Prag und ließ sich dort in eine Zelle einschließen, wo sie bis zu ihrem seligen Tod verblieb, der am 6. Juli um das Jahr 1253 erfolgte. (Ex Bollando.) –
aus: Georg Ott, Marianum Legende von den lieben Heiligen, Zweiter Teil, 1869, Sp. 1575 – Sp. 1579