Heiligenkalender
30. Oktober
Selige Stephana Ursulinerin
(Rückkehr zur katholischen Kirche)
In ganz ähnlicher Weise, wie bei dem calvinischen Edelmann in der gestrigen Legende (siehe den Beitrag: Der selige Angelus von Jojosa), hat der barmherzige Gott an Stephana ihren Mutwillen und Bosheit mit dem höchsten Gut vergolten. Diese war nämlich die Tochter einer adeligen Familie, welche dem calvinischen Glauben anhing. Stephana war ein freundliches lustiges Mädchen, welches aber so im Irrglauben verstrickt war, daß es voll Verachtung und Gehässigkeit gegen die katholische Religion sein Gespött trieb mit den Gebräuchen und Zeremonien unserer Kirche. Manchmal schlich sie sich in katholische Gotteshäuser nur um ihren Mutwillen darin zu treiben; so z. B. wusch sie sich die Hände im Weihwasser-Kessel und verübte noch andere Unehrerbietigkeiten dieser Art.
Es ist schon möglich, daß du als Katholik auch manchmal hörst oder siehst, wie da oder dort Protestanten den katholischen Gottesdienst oder religiöse Gegenstände verhöhnen; daß dich solches schmerzt, ist natürlich; aber zum Hass oder zur Rache darfst du dich deswegen nicht fortreißen lassen. Hier gilt dasselbe, was den Feinden Christi am Kalvarienberg gegolten hat: „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Du wirst nun gerade auch an Stephana sehen, daß der Herr über ihre Blindheit Erbarmen gehabt und ihr vergeben hat.
Als an einem Fronleichnamstag die Prozession gehalten wurde, sah Stephana von ihrem väterlichen Hause aus dem Zug zu. Da war es, wie wenn Christus von der Monstranz aus einen Blick auf sie geworfen hätte; auf einmal ward ihre Seele von einem himmlischen Strahl erleuchtet, so daß sie ganz klar die Wahrheit der katholischen Religion und die Falschheit ihres bisherigen Glaubens erkannte. Mit dieser Erkenntnis war auch augenblicklich ihr Herz entschlossen, um jeden Preis katholisch und eine eifrige Dienerin des Herrn zu werden; sie rief innerlich mit dem Propheten: „Herr, bekehre mich und ich will ganz dein sein.“
Wenn Jemand von Kindheit an stets gelehrt wird, die katholische Religion sei falsch, das und jenes sei Aberglaube oder gar Götzendienst; hingegen der protestantische Glaube halte sich nur an das reine Wort Gottes: so wird seine Seele von diesem Irrtum gleichsam durchfressen wie das Holzwerk eines Hauses vom Schwamm. Darum ist es immer eine besondere Gnade Gottes, wenn der Protestant zur Erkenntnis und zum Entschluss kommt, in die katholische Kirche überzutreten – es ist ein Wunder an seiner Seele. Aber wer von dieser Gnade erfaßt wird, muss nun auch mitwirken und das Seinige tun.
Stephana erzählte einer Freundin, welche katholisch war, was mit ihr vorgegangen sei und worauf sie jetzt denke. Das Fräulein war erstaunt und erfreut, daß an Stephana eine so unerwartete Veränderung vorgegangen sei, sie munterte sie auf und riet ihr, sie solle in das Kloster der Ursulinerinnen gehen; dort werde sie den nötigen Unterricht und sonstigen Rat und Beistand bekommen. Stephana tat so und erklärte den Klosterfrauen, daß sie nicht nur ihren bisherigen falschen Glauben mit dem katholischen Glauben vertauschen wolle, sondern auch das Weltleben mit dem Ordensstand. Die Ursulinerinnen fanden, daß Stephana ebenso vielen Verstand als Eifer habe, und erklärten sich deshalb bereit, sie aufzunehmen, wenn ihre äußeren Verhältnisse es zuließen.
Wenn die Gnade Gottes den Menschen erweckt, so ist es die Ordnung und der Wille Gottes, daß man sich dann an solche Personen wendet, welche im Stande sind, einen vollständig auf den rechten Weg zu bringen und weiter zu leiten. So hat z. B. Gott den Saulus plötzlich zur Bekehrung gebracht; als aber dieser fragte: „Herr, was willst du, daß ich tue?“ – gab ihm der Herr die Anweisung, nach Damaskus zu Ananias zu gehen, diese werde ihn dann in den christlichen Wahrheiten unterrichten und führen.
Als die Mutter das Vorhaben ihrer Tochter merkte, wurde sie so heftig erbittert, daß sie in ihrer Leidenschaft sogar einmal mit bloßem Messer vor der Haustüre auf Stephana wartete. Dennoch hat diese im vertrauen auf Gott mutig und standhaft so lange mit Vorstellungen und Bitten die Mutter bestürmt, bis diese endlich den Widerstand aufgab und zuließ daß Stephana katholisch werde und in das Kloster gehe. Sie wurde nun vollends unterrichtet, legte dann öffentlich das katholische Glaubens-Bekenntnis ab und wurde alsbald in das Noviziat bei den Ursulinerinnen aufgenommen. Obschon man aber gleich anfangs schon Verachtung aller weltlichen Eitelkeiten und Selbstverleugnung bei ihr bemerken konnte, so wurde sie doch das erste Halbjahr ihres Noviziates scharf und streng geprüft. Dazu kam aber noch eine andere schwere Probe, auf welche Stephana gestellt wurde. Es wurde nämlich ihre Mutter schwer krank; nun wurde Stephana aus dem Kloster geschickt, um der Mutter abzuwarten. Dadurch wollte man einerseits die Beständigkeit auf die Probe setzen, anderseits hoffte man, daß sie vielleicht ihre Mutter noch für den wahren Glauben gewinnen werde.
Mit derartigen Proben verhält es sich, wie wenn man in eine Flamme bläst. Ist die Flamme ganz schwach und hat wenig Brennstoff, so löscht sie aus; ist sie hingegen kräftig, so wird sie durch das Blasen noch viel stärker. Es zeigte sich bei Stephana, daß ihre Überzeugung und ihr Entschluss unerschütterlich war. Sie ging aus Gehorsam wieder in das elterliche Haus, obschon sie wohl wußte, daß sie da lauter Feinde ihres Glaubens um sich haben und von ihnen manchen Schimpf und Spott hören werde müssen. Da in die Wohnung ihrer Mutter viele Gesellschaft von Calvinisten und auch Prediger kamen, so musste Stephana als einzige Katholikin gegen alle sich wehren. Sie wußte aber auch so gründlich alle Einwürfe gegen den katholischen Glauben zu widerlegen und so beredsam die wahre Kirche zu verteidigen, daß alle Gegner, selbst die calvinischen Prediger zu Schanden wurden.
Nachdem ihre Mutter wieder genesen war, kehrte Stephana ins Kloster zurück, um ihr Noviziat zu vollenden. Sie hatte durch die Unterbrechung, daß sie einige Zeit in der Welt unter Irrgläubigen zubringen musste, nichts von ihrem ersten Eifer verloren und mag dadurch den Wert der katholischen Religion und des klösterlichen Lebens noch höher schätzen gelernt haben. Sie wurde nach Ablauf des Probejahres vollkommen würdig gefunden, im Orden eingekleidet zu werden. Sie machte als Klosterfrau große Fortschritte im gottseligen Leben. Ihr Gewissen war so gottesfürchtig und zart, daß sie sich selbst wegen eines jeden Schattens von einer Sünde schon beängstigte. Alles Kreuz und Widerwärtigkeiten, welche Gott ihr zuschickte, nahm sie von seiner Hand in aller Geduld an, und zeigte sich im Leid ebenso als treue Dienerin des Herrn, wie in der Freude. Wenn ihr irgend eine Verdemütigung widerfuhr, so war ihr dieses gerade recht, und sie schätzte sich desto glückseliger in den Augen Gottes, je mehr sie von Menschen verachtet wurde. Insbesondere aber lebte sie in steter Vereinigung mit Gott, so daß das Auge ihres Geistes nicht nur beim gebet, sondern auch bei den verwirrtesten Geschäften und Verrichtungen unaufhörlich Gott zugewandt war.
Man kann überhaupt bemerken, daß Personen, welche in reiferen Jahren erst zur katholischen Religion übertreten, of viel mehr religiöse Sorgfalt und Eifer zeigen, als die meisten Katholiken von Geburt. Wir sind oft für die Lehren, Heilmittel, Gebräuche und Schönheit der katholischen Kirche abgestumpft und gleichgültig, weil wir von Kindheit an daran gewöhnt sind, während dem bisherigen Fremdling, wenn er gläubig in die katholische Kirch eintritt, Alles so neu, frisch und schön erscheint, wie wenn er aus sandiger Gegend zum ersten Mal in ei herrliches Land käme, oder aus einem armen Dorf in einen königlichen Palast. So war es auch bei den Juden; solche Heiden, welche die Wahrheit des jüdischen Glaubens erkannten, wie z. B. der Hauptmann Cornelius oder der Kämmerer der Königin Kandake, waren begieriger und eifriger Gott zu dienen, als die geborenen Juden. Insbesondere aber ist es solchen neu bekehrten Katholiken eine große Herzens-Angelegenheit, daß ihre irrenden Brüder auch noch zu dem Glück der wahren Religion gelangen möchten. Stephana war so eifrig die Irrgläubigen, denen sie früher selbst angehörte, zu bekehren, daß sie deshalb oft an die Klosterpforte sich begab, um daselbst mit ihnen in das Gespräch zu kommen. Hier pflegte sie dann den Leuten mit so eindringlichen eifrigen Worten zuzureden, daß Manche sagten, man lerne aus ihren Gesprächen so viel Gutes, als aus den lehrreichsten Predigten.
Stephana war kaum 28 Jahre alt, als sie ein langwieriges Zehrfieber bekam; während aber Leib und Leben auszehrte, wuchs und vermehrte sich noch ihr Liebeseifer zu Gott. Nicht lange vor ihrem Tod äußerte sie Verlangen, ihre Eltern noch zu sprechen. Als diese sich einfanden, redete ihnen die sterbende Tochter mit so eindringlichen Worten zu, den katholischen Glauben anzunehmen, daß man glauben sollte, ein Herz von Stein müsse sich davon bewegen lassen. Allein es war vergebens; Stephana sollte durch diese Hartnäckigkeit aber den Vorteil erlangen, daß sie einigermaßen den Schmerz inne wurde, den der leidende Heiland empfand in Betrachtung so vieler Seelen, durch deren Unbekehrbarkeit sein heiliges Leiden verloren gehen werde. Die Mutter erkannte zwar die Wahrheit; aber aus Menschenscheu, um bei Verwandten und Bekannten nicht missfällig zu werden, brachte sie es nicht über sich, katholisch zu werden. Doch schien es, daß Gott das viele Gebet und Bußübungen, welche Stephana für die Bekehrung ihrer Eltern aufgeopfert, nicht verloren gehen lassen wollte; denn nach dem Tod der gottseligen Klosterfrau traten zwei ihrer Geschwister-Kinder zur katholischen Religion über, welche dann zwei neue katholische Familien in der Vaterstadt Gex bildeten. Heute sind es aber auf den Tag gerade 200 Jahre, daß Stephana starb, nämlich den 30. Oktober 1659. Du aber, Leser, wenn du katholische bist, bete jetzt am Schluss ein andächtiges Vaterunser, daß Gott die Protestanten wieder zur katholischen Kirche zurück führen möge. Wenn du aber selbst Protestant bist, so bete täglich, Gott möge dich zur vollständigen Wahrheit und zu allen seinen wahren Sakramenten führen durch Jesus Christus unsern Herrn. –
aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 4 Oktober bis Dezember, 1872, S. 169 – S. 173