Gibt es wirkliche Teufelsverehrung?
Das Dasein Gottes zu beweisen, wird kaum nötig sein, da keiner ist, der ihn leugnet. Viele spotten zwar über den Glauben an einen bösen Geist. Aber eben diese glauben oft am festesten an ihn. Sie reden viel zu viel von ihm, als daß wir ihren Beteuerungen Wert beilegen sollten. Erst müssten sie schweigen lernen, und zwar lange schweigen, ehe wir an den Ernst ihrer Versicherung glaubten. Wer schweigt, sagt das Sprichwort, verredet sich nicht. Wer aber redet und wer gar so viel redet wie sie, der ist sein eigener Verräter.
Überdies stehen in dieser Frage, gerade wie in der andern, ob es einen Gott gibt, Wort und Handlungsweise der angeblichen Leugner im vollsten Widerspruch. Solange einer Zeit hat, eine künstlich einstudierte Rolle zu spielen, versichert er der staunenden Menge mit feierlicher Miene, es gebe keinen Gott. Plötzlich zuckt ihm ein stechender Schmerz durch seinen hohlen Zahn, da er den Mund etwa gar zu weit geöffnet hat, und unwillkürlich ruft er, indem er die Hand an die Wange drückt, in kläglichem Ton: O Gott! O Gott! Ein anderer will soeben über das dumme Volk spotten, das noch immer meine, es gebe einen Teufel. Noch ist das Wort ins einem Mund, da tritt ihn unvorsichtig einer auf das Hühnerauge oder meldet ihm, die die Silberrente drohe um ein Viertelprozent zu fallen, und im jähen Schreck findet er – wir reden nicht bloß von Fuhrleuten und Holzarbeitern, sondern auch von Gebildeten, meinetwegen von einem Professor der Ethik – aber auch dieser, sagen wir, findet kein geeigneteres Mittel, um seinem Herzen Luft zu machen, als den Namen dessen, den er vor einer Sekunde zu leugnen begonnen hat. Wem sollen wir da glauben, dem erkünstelten oder dem unwillkürlichen Bekenntnis, den Worten oder der Handlungsweise, der Leugnung oder der Zurücknahme des Verneinens?
Möge man es uns also nicht verdenken, wenn wir behaupten, gerade die Leugner Satans glaubten und schwüren am steifsten auf ihn. Der gute Vogel Strauß mit seinen langen Beinen und seinem kleinen Kopf tut freilich auch, als glaube er nicht an den Beduinen hinter ihm. Seltsam, daß er dann seinen Kopf so tief in das Dickicht steckt. Wozu das, wenn er wirklich glaubt, daß das wahr sei, was er vorgibt? Und wenn er selber sein Vorgeben durch die Tat Lügen straft, tun wir ihm unrecht, wenn wir mehr seiner Handlungswiese glauben und das übrige nur als Verstellung betrachten? Darum fürchten wir auch keine Ungerechtigkeit zu begehen, wenn wir sagen, daß uns derlei Spötter an jene Hasenherzen erinnern, die so laut pfeifen oder singen, wenn sie abends durch den Wald oder über den Kirchhof gehen müssen. Immer sprechen die Menschen von dem, was ihnen am meisten im Kopf liegt, und ihre bittersten Schmähungen gelten stets dem, was sie am schwersten drückt. Dagegen haben wir noch nie ein Buch gefunden, auch nicht in den größten Bibliotheken, in welchem sich einer Mühe gäbe, die Nichtexistenz des Struwwelpeter und die Unschädlichkeit des Cerberus zu beweisen.
Der Glaube an einen Geist, der durch Empörung gegen Gott in Sünde gefallen und nun aus Hass und Neid bemüht ist, Unheil in Gottes Garten auf der Erde anzurichten, hat sich bei den Völkern allenthalben erhalten. (Der Rigveda kennt einen bösen Dämon, Vritra, voll Bosheit, prahlerisch, stolz. Er ist zwar, wie es sehr gut heißt, ein Ungott, aber trotzdem übt er große Macht. Sein Sturm auf das Lichtreich wird von Indra abgewiesen. Er heißt auch der Drache, der erstgeborene der Drachen, der Führer der zauberischen Scheingestalten…) –
aus: Albert M. Weiß, Apologetik, Bd. II Humanität und Humanismus, 1908, S. 567 – S. 570