Heiligenkalender
29. Oktober
Seliger Angelus von Jojosa Kapuziner
(Edelmütigkeit Gottes)
Vor der abscheulichen französischen Revolution, welche in den neunziger Jahren alles Heilige und Ehrwürdige im Land verwüstet hat, war in der damaligen Kapuzinerkirche zu Paris ein Grabstein mit folgender Inschrift: „Hier liegt begraben Pater Angelus von Jojosa, weiland Herzog und Vizekönig in Aquitanien. Welcher in seiner blühenden Jugend, auf daß er sich Christo vollkommen opfere, alle Ehren und Reichtum gänzlich verachtet und in den armen Kapuziner-Orden eingetreten; die Zeit seines Lebens mit großem Eifer, Gottesfurcht und Demut darin zugebracht, und selig in Gott entschlafen ist den 29. Oktober 1608. Dem zum Ewigen Gedächtnis seine trauernde Tochter Heinrika Katharina, Herzogin von Montpensier, diese Grabschrift hat setzen lassen.“
Der Vater dieses gottseligen Kapuziners war Herzog und Marschall in Frankreich. Seinen Sohn Heinrich schickte er als Knaben nach Toulouse, damit er daselbst studiere. Schon hier bekam er besondere Neigung in den Orden des hl. Franziskus zu treten und sagte es dem Guardian des dortigen Klosters. Da aber Heinrich noch nicht einmal 12 Jahre alt war und voraussichtlich sein Vater, der Herzog, es nicht dulden würde, daß sein Sohn Kapuziner würde, so riet der Guardian ab und schrieb es an den Herzog. Darauf nahm dieser seinen Sohn von Toulouse hinweg und schickte ihn nach Paris in eine Anstalt für fürstliche Prinzen. Als Heinrich hier die nötige Ausbildung bekommen, nahm ihn der König an seinen Hof.
An einem solchen Ort ist es allerdings schwerer sittlich und fromm zu leben, aber der junge Heinrich zeigte sich so fest und stark, daß sich andere Hofleute an ihm erbauten, und der König ein besonderes Vertrauen zu ihm faßte. Um ihn aber von seinen Kloster-Gedanken abzubringen, die der junge Fürst auch am königlichen Hof beibehielt, so suchte ihn der König zu verheiraten. Heinrich vermählte sich auch wirklich auf Betreiben des Königs mit Katharina von Valleta. Diese Verehelichung war ihm aber keineswegs nachteilig, denn seine Gemahlin war so fromm und tugendhaft, daß sie ihn selber noch in der Gottesfurcht förderte, und sie mit einander den Vertrag machten, daß wer den andern Eheteil überlebe, in einen Ordensstand eintreten solle.
Um diese Zeit breitete sich der Kapuziner-Orden auch nach Paris aus, und war bereits ein Klösterlein daselbst gebaut. Die Gottesfurcht und der apostolische Wandel, der sich bei diesen Ordensleuten zeigte, zog den Herzog so sehr an, daß er einen Palast neben dem Kloster kaufte, nur um mehr neben den Kapuzinern in Verkehr zu sein. Manchmal ging er zu ihnen in den Chor und betete, betrachtete und sang mit ihnen. Da fügte es Gott nach einiger Zeit, daß ihm seine liebe Gemahlin starb, erst 22 Jahre alt. Dieser Vorfall zog den jungen Herzog noch mehr von allem Irdischen ab und zu Gott hin. Da er sich einst in das einsame Zimmer begab, wo er sich gewöhnlich der Andacht hingab und sein Gebetbuch aufschlug, fielen seine Augen gerade auf den Vers des 115. Psalm, wo es heißt: „Du hast meine Bande zerrissen, ich werde dir darbringen das Opfer des Lobes, und werde anrufen den Namen des Herr.“ Da er zweimal wegen Geschäften sich entfernen musste, so waren es jedesmal dieselben Worte wieder, die zuerst sich zeigten, wenn er beim Zurückkehren das Buch aufschlug.
Dieser Vorfall erinnerte ihn auch an die Verabredung mit seiner verstorbenen Gemahlin, daß der überlebende Teil ins Kloster gehen wolle. Er übergab das Töchterlein seiner Mutter, die Güter seinem Bruder, trat in den Kapuziner-Orden, und bekam bei der Einkleidung den Namen Angelus.
Sobald der König vernommen, daß sein vertrautester Hofherr Kapuziner geworden sei, begab er sich selbst ins Kloster und redete dem Bruder Angelus höchst inständig und heftig zu, mit ihm zurück zu kehren, ja er sagte sogar, er gehe nicht von dannen, bis jener mit ihm in der Kutsche nach Haus fahre. Allein Angelus hat alle Beweggründe des Königs so schön, wahr und bescheiden widerlegt, daß der König selbst davon erbaut und befriedigt wurde und mehrere Hofleute gleichfalls sich entschlossen in den Kapuziner-Orden zu treten. – nun kam aber eine viel schwerere Versuchung; nämlich er hatte während des Probejahres gar keinen Trost und Frieden in sich; es missfiel ihm Alles und es kam ihm vor, als hätte er in der Welt viel mehr Gutes tun können, denn im Orden; oder er hätte im Kartäuser-Orden vollkommener leben können. Nichts brachte ihm einen Trost, keine Unterweisung, keine Kommunion, kein Chorgebet u. dgl., sondern er war immer bestürzt und im Geist verfinstert, so daß er von der innerlichen Qual selbst an Leibeskräften abnahm.
Allein dies war eine Richtung, um sein Herz rein und stark zu machen, wie sie oft den Auserwählten im Anfang ihrer Laufbahn zu teil wird. Nach einiger Zeit geschah es, daß er Nachts vor dem hochwürdigsten Sakrament betete; da kam plötzlich eine solche Klarheit und Freudigkeit in sein Herz, daß sein Gemüt umgewandelt und wie von einer kalten nebligen Winternacht in einen herrlichen Sommertag. Von nun an war ihm alles leicht und gering, was ihm vorher schwer und unerschwinglich vorgekommen war; ja er wurde bald ein Muster von Gehorsam, Geduld, Demut, Abtötung, Liebe Gottes und des Nächsten.
Angelus war schon einige Zeit im Predigtamt mit vielem Geist und Liebe tätig, als ein eigentümlicher Zwischenfall kam. Damals führten Katholiken und Calviner in der Gegend von Toulouse einen Glaubenskrieg gegen einander. Der Bruder des Angelus war Feldherr der katholischen Armee, verlor aber eine Schlacht und das Leben. Nach ernstlicher Beratung glaubte man von katholischer Seite keinen tauglicheren Führer zu bekommen, als wenn sich der ehemalige Herzog, nun Pater Angelus, an die Spitze des Heeres stellte. Obschon er Priester und Ordensmann war, so schien die Gefahr des Glaubens und Bedrängnis der Katholiken es zu verlangen, daß hier eine Ausnahme gemacht werde von der Regel, daß der geistliche keine Waffen tragen solle. Papst Klemens VIII. hat auch wirklich eine besondere Bulle gesandt, wonach Angelus aus dem Kapuziner-Orden entlassen und dem Ritterorden der Johanniter einverleibt wurde. Mit großem Jubel des Volkes, das alle Hoffnung auf Angelus setzte, wurde er nun aus dem Kloster abgeholt, musste den Habit mit dem Harnisch und Schwert vertauschen und und die oberste Führung über das Kriegsheer übernehmen. Nachdem Angelus nun Alles zum Feldzug bestens geordnet hatte, trug der feindliche Befehlshaber einen Waffenstillstand von drei Jahren an; Angelus reiste zum König Heinrich IV. nach Paris und brachte es dahin, daß vollständiger Friede geschlossen wurde. Wegen seiner Verdienste um das Vaterland verlieh ihm der König sodann den Titel eines Feldmarschalls und Vizekönig von Aquitanien.
Als aber nun Alles in Ordnung gebracht war, richtete Angelus alle seine Gedanken wieder zu den Kapuziner. Er schickte einen eigenen Kurier nach Rom an den Papst, um von ihm die Erlaubnis zu verlangen, daß er wieder in den Kapuziner-Orden zurücktrete. Der Papst war hoch verwundert über solche Beständigkeit und Eifer, und erteilte die Erlaubnis. Nachdem Angelus solche empfangen, ging er mitten in der Nacht wieder in das Kapuziner-Kloster, was dann einen solchen Eindruck machte, daß viele vornehme Herren und Ritter zu Paris ihm nachfolgten. Im Orden selbst aber lebte er in wunderbarer Abtötung, Gottesfurcht, Liebe und Eifer, und wurde wegen seiner Weisheit und Vorbildlichkeit in allen Tugenden zum Provinzial gewählt und wegen seiner Wirksamkeit im Predigen für einen wahren Apostel Frankreichs angesehen. Unter Anderm mag folgendes Ereignis zeigen, welcher Geist in Pater Angelus gewohnt hat.
Das Angelus einst als Provinzial mit einem andern Pater umher wanderte, um die Klöster zu visitieren, wurden sie von der Nacht überfallen und war nirgends eine Wohnung zu sehen, als das Schloss eines calvinischen Edelmannes. Sie baten nun den Herrn um Nachtherberge; allein dieser schlug es durchaus ab; und da Angelus fortfuhr, ihn darum zu bitten, erlaubte endlich der lieblose Mann, daß sie im Stall übernachten könnten. Ohne einige Leibes-Erquickung brachten nun die zwei armen Kapuziner die Nacht zu und heiligten gleichsam den Stall durch Gebet, Betrachtung und göttliches Lob; mit Tagesanbruch machten sie sich wieder auf den Weg. Da begegnete ihnen ein Herr, welcher mit Angelus wohl bekannt war und gerade in das Schloß wollte, woher die Kapuziner kamen. Er grüßte freundlich den Pater Angelus und seinen Begleitern, und da er hörte, daß sie dort übernachtet, fragte er, wie sie von dem Calviner aufgenommen worden seien. Pater Angelus sagte, ganz ihrem Stand gemäß, er möge daher dem Edelmann seinen besten Dank und freundlichen Gruß ausrichten.
Diesen Gruß von Angelus richtete hernach dieser Herr getreulich aus, als er im Schloss ankam. Der Edelmann fragte, wer dieser Angelus sei, er kenne Niemanden mit diesem Namen. Der Herr sagte: „Es ist der ehemalige Herzog von Jojosa und Vizekönig von Aquitanien.“ Der Edelmann erwiderte: „Dies kann nicht sein, daß sich der Herzog bei mir bedanken läßt, denn ich habe Niemanden beherbergt, als zwei Kapuziner, und diese habe ich in den Stall stecken lassen, weil sie meines Glaubens nicht sind.“ Der Herr versicherte ihn nun auf das Bestimmteste, daß einer dieser Kapuziner gerade der ehemalige Herzog, der Pater Angelus sei. Dies schnitt dem Edelmann ins Herz, er schämte sich im höchsten Grad, daß er einen solchen Mann so schlecht gehalten habe, befiehlt ihm eilends ein Pferd zu satteln, und reitet im Galopp den beiden Kapuziner nach. Als er sie erreicht hatte, springt er vom Pferd, wirft sich dem Pater Angelus zu Füßen, bittet ihn herzlich um Verzeihung, ladet ihn auf`s Dringendste ein, mit ihm auf das Schloss zurück zu kehren, damit er seinen Fehler mit einer besseren Bewirtung gut machen könne. Pater Angelus zeigte anderseits auch die größte Freundlichkeit, entschuldigte sich jedoch, daß er nicht mehr zurück reisen könne; hingegen redete er ihm sehr eindringlich und beweglich zu, daß er den calvinischen Irrglauben fahren lasse und sein Seelenheil besser wahre. Und wirklich hatten seine Worte, in das aufgeweichte Herz des Edelmannes mit aller Güte und Innigkeit ausgesät, den Erfolg, daß er bald darauf zum wahren Glauben sich bekehrte und ein eifriger Katholik wurde.
Vielleicht ist dir schon das Nämliche begegnet wie dem calvinischen Edelmann, daß du einem Menschen, der dich um etwas ansprach, lieblos und schnöde abgewiesen hast. Ist dieses der Fall, dann solltest du dich noch mehr schämen und es sollte dich noch mehr reuen, als jenen Calvinisten; denn du hast eigentlich Jemand abgewiesen, welcher noch vornehmer und heiliger ist, als der Pater Angelus, nämlich den Herrn Jesus Christus, insofern dieser nämlich sagt: „Was ihr dem Geringsten Gutes oder Böses getan habt, das habt ihr mir getan.“ Es leuchtet aber aus diesem Ereignis noch etwas Anderes recht hell hervor. Nämlich gerade den Umstand, daß jener Edelmann gerade sich grob versündigt hat durch seine Herzenshärte, benützte Gott um ihn zu bekehren, um ihm also das größte Glück zu Teil werden zu lassen. Dieses ist eben die Art Gottes, daß er oft selbst die Sünde eines Menschen als Anlass braucht, um ihn auf einen guten Weg zu bringen, eben weil Gott unendlich barmherzig und edelmütig ist. Weil aber alle wahren Kinder Gottes selbst auch Gottes Geist und Gesinnung haben, so musste diese Edelmütigkeit in Pater Angelus ebenfalls zu finden sein. Und so ist es auch; er verschweigt das lieblose Benehmen des calvinischen Edelmannes, läßt ihm noch Dank und Gruß sagen, gewinnt sein Herz durch große Freundlichkeit und hilft ihm zum wahren Glauben. Danach magst du auch dich beurteilen, ob du ein Kind Gottes bist, nämlich ob du das Wahrzeichen Gottes an dir hast; Edelmütigkeit gegen jeden Beleidiger und Feind.-
aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 4 Oktober bis Dezember, 1872, S. 163 – S. 168