Heiliger Vinzenz von Lerin Mönch

Christus sitzt in der Mitte, Löwe und Stier zu seinen Füßen

Heiligenkalender

24. Mai

Der heilige Vinzenz von Lerin Mönch

(katholisch)

Vincentius (Vinzenz) hatte nach seinem eigenen Geständnis eine geraume Zeit seines Lebens in dem Gewirr und den Unruhen weltlicher Geschäfte zugebracht. Endlich zog er sich zurück in ein Kloster, um sich vor den Stürmen der Eitelkeit und verschiedenen Versuchungen der Welt zu sichern, und wurde ein Mönch. Das Kloster stand auf einer Insel und hieß, wie diese selbst, Lerin und war berühmt wegen der vortrefflichen Männer, welche dort gebildet wurden und lebten. Vinzenz hatte schon als Weltmann eine besondere Beredsamkeit sich erworben; im Kloster ergab er sich nun insbesondere nach dem Studium der hl. Schrift und der geistlichen Wissenschaften; dadurch setzte er sich in den Stand das vortreffliche Buch zu schreiben, wodurch sein Name in der katholischen Kirche berühmt geworden ist. Zu jener Zeit nämlich, ungefähr um das Jahr 434, waren sehr gefährliche Irrlehren entstanden, und viele tausend Christen wußten oft nicht zu unterscheiden, ob diese und jene Lehre oder das Gegenteil davon die richtige und wahre sei. Vinzenz wollte nun zeigen, wodurch die echt katholische Lehre von allen irrtümlichen unterschieden sei, und wie man bei entstandenen Streitigkeiten das Wahre finden könne. Das kleine Buch, welches er zu diesem Zweck verfaßte, heißt Gedenkbuch. Aber nicht nur damals, sondern jetzt und zu allen Zeiten ist dieses Gedenkbuch sehr wichtig und lehrreich, und es wird daher am Tag des hl. Vinzenz ganz zweckmäßig sein, wenn ich aus seiner Schrift hier einige Stellen darlege, zumal da über das Leben des Heiligen sonst wenig zu finden ist.

„Der Glaube hat seine Stütze in der hl. Schrift und in der mündlichen Überlieferung der katholischen Kirche. Die Auslegung der katholischen Kirche ist neben der hl. Schrift notwendig, weil sonst Jeder die hl. Schrift wegen ihrer Tiefe wieder anders auslegen würde, und es alsdann so vielerlei Auslegungen als Köpfe der Menschen gäbe. Wahrhaft und eigentlich katholisch, d. h. allgemein ist nur das, was überall, was allzeit, was von Allen geglaubt worden ist. Wenn daher ein Lehrer oder ein Teil der Kirche sich los reißt von der Gemeinschaft des allgemeinen Glaubens, so soll der katholische Christ die Gesundheit des ganzen Leibes dem verdorbenen abgerissenen Glied vorziehen; er soll die Aussprüche einer allgemeinen Kirchenversammlung mehr gelten lassen, als die Anmaßung oder den Unverstand Weniger. Aber warum läßt Gott zu, daß schon angesehene Lehrer Irrtümliches gelehrt und Viele zum Abfall von der katholischen Kirche gebracht haben? Darüber findet sich die Antwort im 5. Buch Moses 13, nämlich: „Auf die Worte eines solchen Propheten (der neue, vom Gesetz abweichende Lehren bringt) sollst du nicht hören; denn der Herr euer Gott prüft euch, damit offenbar werde, ob ihr ihn liebt oder nicht, von ganzem Herzen und von ganzer eurer Seele.“ Ein wahrer und echter Katholik ist deswegen derjenige, welcher die Wahrheit Gottes, die Kirche, den Leib Christi liebt, und dem katholischen Glauben nicht das Ansehen, die Liebe, den Verstand, die Beredsamkeit, die Philosophie irgend eines Menschen vorzieht, sondern über Alles dieses hinaus fest auf dem Glauben verharrt. Was der Katholik aber Neues und Unerhörtes einführen sieht, das rechnet er nicht zur Religion, sondern zur Versuchung. So schreibt auch der Apostel Paulus 1. Kor. 11, 19: „Es muss auch Ketzereien geben, damit offenbar werde, welche die Bewährten sind.

„Vielleicht aber spricht Jemand: „So kann also die Religion in der Kirche Christi nicht zunehmen?“ Allerdings soll sie zunehmen, es soll aber eine Zunahme des Glaubens, nicht eine Veränderung sein. Die Religion soll dem Leib nachahmen; dieser entwickelt mit den fortschreitenden Jahren seine Teile, aber er bleibt doch derselbe. So viele Glieder der Knabe hatte, so viele hat auch der Mann, und was am Mann zu finden ist, ist schon im Keim oder unentwickelt bei dem Säugling vorhanden gewesen. Was indem Acker der Kirche von den Vätern gesät worden ist, soll von den Söhnen fleißig gebaut und gepflegt werden, es soll blühen, zunehmen, zeitigen und zur Vollkommenheit gelangen. Unrecht ist es aber, das Gepflanzte zu verändern, zu verstümmeln oder abzuschneiden. Die katholische Kirche wollte durch ihre Kirchenversammlungen nichts abschneiden und nichts hinzu setzen, sondern das Überlieferte genau bestimmen, befestigen, bewahren und mit mehr Nachdruck verkündigen. Wenn die Ketzer Neuerungen machen wollten, dann haben die Kirchenversammlungen das alt Überlieferte in ein helleres Licht gesetzt, die Hauptsache in wenige Worte zusammen gefaßt und für die Nachkommen schriftlich aufgesetzt, nicht aber einen neuen Glauben eingeführt.

„Wer sich daher absondert von der Übereinstimmung mit der Allgemeinheit und dem Altertum der katholischen Kirche, der behauptet, alle Gläubigen aller Zeiten, alle Heilige, alle Keusche, Enthaltsame, Jungfrauen, alle Mönche und Priester, so viele tausend Bekenner, so viele Heere von Märtyrern, so viele Städte, so viele Völker, so viele Inseln, Provinzen, Könige, Reiche, Nationen, der ganze Erdkreis endlich, die durch den katholischen Glauben dem Haupt Christus einverleibt waren, hätten während so vieler Jahrhunderte in der Unwissenheit, im Irrtum gelebt, sie hätten gelästert, und hätten nicht gewußt, was sie glauben sollten. Dadurch soll sich aber kein Katholik verführen lassen, wenn die Irrlehrer Bibelsprüche vorbringen und sie nach ihrer Weise auslegen. Sie wollen nämlich ihre überriechenden Ketzereien mit der Salbe des göttlichen Wortes überstreichen, um damit Andere leichter zu verführen. Die Lügenapostel machen es hierin wie ihr Meister, der Teufel; wie der Teufel den Heiland zur Sünde verleiten wollte, indem er sich auf einen Ausspruch der hl. Schrift berief und sagte: es steht geschrieben, so sagen auch die Ketzer, wenn sie einen Christen von dem allgemeinen und alten Glauben der katholischen Kirche abwendig machen wollen, sie sagen: es steht geschrieben.

„Allein wenn der Teufel und seine Jünger, die Lügenapostel, sich selbst der göttlichen Worte, der Schriftstellen bedienen, was sollen die Katholiken und Söhne der Mutterkirche tun, um die wahre Auslegung von der falschen zu unterscheiden? Sie sollen die göttliche Schrift nach den Überlieferungen der allgemeinen Kirche auslegen. Sie sollen sich also an die Aussprüche der allgemeinen katholischen Kirchenversammlungen halten, denn dort haben die heiligen Väter, deren einige Märtyrer, einige Bekenner, die insgesamt katholische Priester bis ans Ende waren, auf rechtmäßige und feierliche Art durch ihre Übereinstimmung die alte Religionslehre bekräftigt, und die unheiligen Neuerungen verdammt. Wenn aber eine neue Frage in der Religion aufgeworfen wird, worüber noch keine Kirchenversammlung eine Ausspruch gegeben hat, so muss man erforschen, was die Kirchenväter hierin für eine Ansicht einstimmig ausgesprochen haben. Aber nur die Sentenzen jener Väter muss man vergleichen, welche heilige gelebt, und in der katholischen Gemeinschaft verblieben sind. Was dagegen Einer, sei er auch ein heiliger und gelehrter Mann, oder ein Bischof, Bekenner oder Märtyrer gewesen, mit Ausnahme Aller oder wohl gar gegen die Meinung Aller gelehrt hat, das muss man bloß als die eigene persönliche Meinung einer Privatperson ansehen und die alte Wahrheit der allgemeinen Lehre vorziehen.

„Der katholische Glaube lehrt aber Folgendes in Betreff der Dreifaltigkeit und der Menschwerdung: In Gott ist eine Substanz, aber drei Personen; in Christus zwei Substanzen, aber eine Person. Die Person des Vaters ist eine andere, die des Sohnes eine andere, die des heiligen Geistes eine andere; aber nicht eine andere Natur, sondern ein und dieselbe Natur. In dem Sohn ist aber eine andere Substanz die der Gottheit, und eine andere die der Menschheit; aber die Gottheit und Menschheit sind in ihm nicht zwei verschiedene Personen, sondern ein und derselbe Christus, ein und derselbe Sohn Gottes, gleichwie in dem Menschen der Leib etwas Anderes ist, und die Seele etwas Anderes, aber Leib und Seele doch nur einen und denselben Menschen ausmachen. In dem einen und demselben Christus sind also zwei Substanzen, eine göttliche und eine menschliche, die eine aus Gott dem Vater, die andere aus der Jungfrau der Mutter; die eine ewige und gleich dem Vater, die andere aus der zeit und geringer als der Vater; die eine von derselben Substanz mit dem Vater, die andere von derselben Substanz mit der Mutter, und doch in beiden Substanzen ein und derselbe Christus. Jedoch ist er nicht eins durch Vermischung der Gottheit und Menschheit, sondern durch eine vollständige besondere Einheit der Person. Jene Vereinigung hat nicht eine Natur in die andere verwandelt, sondern beide in der Art mit einander verbunden, daß, während Christus stets nur eine einzige Person ist, dennoch die Eigentümlichkeit einer jeden der zwei Naturen in ihm der göttlichen und der menschlichen) in Ewigkeit bestehen bleibt, so daß Gott niemals in ihm anfangen könnte ein Leib zu sein, oder der Leib aufhören könnte ein Leib zu sein. Es verhält sich damit ähnlich, wie bei dem Menschen. Der Mensch besteht aus Leib und Seele; aber niemals wird sich der Leib in die Seele, oder die Seele in den Leib verwandeln, sondern in jedem Menschen wird ohne Ende der Unterschied der beiden Substanzen fortdauern.

„Wir bekennen nun ferner, daß der Mensch mit Gott in der jungfräulichen Empfängnis schon zu einer einzigen Person vereinigt worden ist, wegen welcher Einheit der Person Christi man wechselseitig dem Menschen zuschreibt, was Gott zukommt, und Gott beilegt, was des Menschen ist. Daher heißt es in der göttlichen Schrift, der Menschensohn sei vom Himmel herab gekommen, und der Herr der Majestät sei auf Erden gekreuzigt worden. Daher ist es auch ganz katholisch zu sagen, das göttliche Wort sei aus der Jungrau geboren, eben weil wegen der Einheit der Person Christi die Mutter seiner Menschheit auch die Mutter des ganzen Christus ist. Daher nennen wir Maria in aller Wahrheit Gottesgebärerin, eben weil schon in ihrem geheiligten Leib jenes heiligste Geheimnis vollbracht wurde, daß die Gottheit sich mit einer menschlichen Natur zu einer Person vereinigt hat und diese Person in ihrer zweifachen Natur, der göttlichen und menschlichen, von Maria geboren worden ist. Diese Einheit der Person ist ein wunderbares unaussprechliches Geheimnis und hat eine solche Kraft, daß die Kirche Göttliches dem Menschen und Menschliches Gott zuschreibt. Denn wegen dieser Einheit braucht die Kirche den Ausdruck mit Bezug auf die göttliche Natur, der Mensch sei vom Himmel gestiegen, und mit Bezug auf die menschliche Natur, Gott habe gelitten und sei gekreuzigt worden; desgleichen bekennt sie, der Mensch sei Gottes Sohn, und Gott sei der Sohn der Jungfrau. Seliges und ehrwürdiges, gesegnetes und heiligstes, und mit dem himmlischen Lob der Engel zu vergleichendes Bekenntnis, welches den einzigen Herrn und Gott durch dreifache Heiligung verherrlicht, und die Einheit der Person Christi verkündet, und so das Geheimnis der Dreifaltigkeit nicht überschreitet. –
aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 2 April bis Juni, 1872, S. 258-263

Tags: Heilige

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