Heiligenkalender
13. November
Heilige Maxelenda, Jungfrau und Märtyrerin
(Die Leidenschaft)
In den Niederlanden lebte ein reiches vornehmes Ehepaar, welchem ein Mädchen geboren wurde, das schon von frühester Kindheit an ganz auffallende Eigenschaften zeigte. Das Kind war nicht nur außerordentlich schön, sondern man konnte an ihm deutlich wahrnehmen, daß seine Seele nicht minder schön und edel sei. Das Mädchen bekam allerdings von seinen frommen Eltern eine gute christliche Erziehung, aber es zeigte zugleich eine Herzens-Richtung, welche nicht anerzogen sein konnte; an Spielen und kindischen Dingen hatte es keine Freude; wenn es bei andern Kindern sich einfinden musste, war es freundlich in der Ansprache, aber sehr bedachtsam und ehrbar in all` seinem Tun und Reden. Sein Hauptanliegen und Streben ging nach allen hohen Tugenden, so daß sich weithin der gute Ruf dieser vortrefflichen Tochter verbreitete, obschon sie ein mehr von der Welt zurückgezogenes Leben führte.
Da Maxelenda, so hieß das Mädchen, das jungfräuliche Alter erreicht hatte, fanden sich viele Freier von hohem Stand und Reichtum ein, welche um die Hand der Jungfrau anhielten. Da aber Maxelenda durchaus nichts vom Heiraten wissen wollte, so wies der Vater alle Bewerber unter verschiedenen Entschuldigungen ab. Da meldete sich auch ein junger Mann Namens Harduin; er war von hochadeligem mächtigem Geschlecht. Dieser war so bezaubert von der Anmut und Vortrefflichkeit der jungen Maxelanda, daß er den Eltern derselben unaufhörlich mit Bitten, Weinen, Geschenken, Versprechungen, Schicken und Zulaufen zusetzte, ja ihnen zuletzt mit schweren Drohungen kam, bis sie ihm endlich notgedrungen die Hand ihrer Tochter zusagten, ohne daß Maxelenda ein einziges Wort davon wußte.
Der Jüngling fühlte sich durch diese Zusage glücklicher, als wenn man ihm alle Schätze der Welt geschenkt hätte; mit tausend Freuden eilte er nach Hause und machte Anstalten, um mit einer unerhörten Pracht und fürstlichem Aufwand die Hochzeit zu feiern. Unterdessen redeten die Eltern mit Maxelenda, ob sie nicht geneigt sei, sich mit Harduin zu verbinden. Er sei ein schöner, adeliger, reicher, mächtiger Mann, wie das Glück keinen vorzüglicheren ihr hätte zuführen können. Sie hätten beiderseits die Sache erwogen und ohne Bedenken ihre Einwilligung dazu gegeben; sie werde als gute gehorsame Tochter hoffentlich nicht dagegen sein und das Wort ihrer Eltern umstoßen. Was ihre Frömmigkeit betreffe, so werde solche nicht gestört werden; es bleibe ihr unverwehrt, sowohl im Ehestand von herzen Gott zu dienen, wie sie es bisher im ledigen Stand getan habe.
Der jungfräulichen Seele war es bei diesen Worten, wie wenn sie von einem Donnerschlag getroffen worden wäre; sie konnte vor Schrecken zuerst gar nichts reden. Endlich nahm sie sich zusammen und begehrte Bedenkzeit bis auf den andern Tag, bevor sie eine Antwort gebe. Sie forderte diese Frist nicht, als wäre sie zweifelhaft gewesen, was sie tun wolle, sondern um in Gott die nötige Kraft zu sammeln zur entscheidenden Antwort. Darauf geht sie zitternd und bebend auf ihr Zimmer und bringt die ganze nacht im Gebet zu und fleht Gott inbrünstig an, er wolle doch gnädigst helfen, daß sie in ihrer jungfräulichen Reinigkeit, welche sie ihm ja all bereits aufgeopfert und zugeschworen habe, unangefochten bleiben möge. Der gütige Gott aber erhörte das flehentliche Seufzen seiner treuen Dienerin und gab ihr zu erkennen, daß ihr keusches Herz keine Befleckung erleiden werde, sie solle nur getrost bei ihrem Vorsatz bleiben.
Frohen Gemütes begibt sich Maxelenda am frühen Morgen zu ihren Eltern, um ihren Entschluss anzuzeigen. Sie redet die Eltern ehrerbietig, aber mit aller Bestimmtheit an, was sie gedacht hätten, ihr wider Wissen und Willen einen Bräutigam aufzudringen; bei einer derartigen Zumutung hätte man sie zuerst fragen sollen. Sie erkläre aber jetzt nach reiflicher Erwägung, daß sie sich weder mit Harduin, dessen gute Eigenschaften sie gelten wolle lassen, noch mit irgend einem andern Mann vermählen werde, indem sie schon in der Kindheit den Sohn Gottes zum Liebsten erkoren habe; seit vielen Jahren finde sie in seiner Liebe eine solche Glückseligkeit, daß es eine Unmöglichkeit sei, ihr Herz von ihm loszureißen und einem Menschen, möge er auch tausend Kronen tragen, zuzuwenden.
Es ist nicht berichtet, was die Eltern zu dieser Erklärung gesagt haben; jedenfalls sind sie von ihrem anfänglichen Entschluss nicht abgegangen, wie der fernere Verlauf zeigt. Der Vermählungstag brach an. Harduin kam angezogen im prachtvollsten Aufzug, in gold- und perlengesticktem Gewand; eine große Anzahl seiner Verwandten gaben ihm das Geleit, und die Reihe der stattlich gekleideten Dienerschaft wollte kein Ende nehmen. Der Vater ermahnte nun seine Tochter Maxelenda hervor zu treten; es könne jetzt nicht anders sein; heute sei der Tag des Glückes, des Gehorsams und des väterlichen Segens. Maxelenda wollte nicht, sie bittet, weint und fleht, und weigert sich auf alle Art und Weise. Der Vater warnt sie mit strengem Gesicht, sie solle den Eigensinn fallen lassen und ihn nicht in Schande versetzen. Da aber Maxelenda fortwährend zu Gott seufzte und die Hände rang und den Bräutigam nicht einmal anblickte, sahen die Gäste wohl, daß hier an keine Vermählung zu denken sei und Maxelenda eher ins Grab gehe, als zur Hochzeit. Daher nahmen die Fremden Abschied und kehrten wieder nach Hause zurück. Maxelenda entfernte sich gleichfalls und zog sich in die Einsamkeit zurück, so daß zuletzt der Bräutigam allein da war und voll Schamröte, Zorn und Liebesfeuer fast des jähen Todes hätte sterben mögen. Nachdem er einige Zeit wütend im Zimmer herum getobt hatte, stürzte er mit tausenderlei Drohungen auf und davon.
Nicht lange nachher gingen die Eltern der hl. Maxelenda zu einem Gastmahl; sie ließen die Tochter zu Hause, weil sie wußten, daß sie solchen Lustbarkeiten abhold sei. Harduin, der solches in Erfahrung gebracht hatte, benützte nun diese schon lange gesuchte Gelegenheit. Er schleicht sich mit einigen Dienern bewaffnet ins Haus; wo eine Türe verschlossen ist, bricht er sie auf wie ein Räuber, und sucht so lange, bis er das leutscheue Mädchen findet. Nun fällt er vor ihr auf die Knie, fängt an zu bitten, zu liebkosen, zu versprechen, zu weinen, sie möge ihn doch als ihren Diener aufnehmen, sein Leben und sein Tod stehe in ihrer Hand, ohne sie könne er das Leben nicht aushalten usw. Allein die Jungfrau stand da wie ein Fels, an welchen die Wellen des Meeres anschlagen; sie sagte kurz und bestimmt mit ernsthaftem Angesicht: „Mein Bräutigam ist Christus, diesen Bund werde ich nie mit einem andern vertauschen; ich will lieber tausendmal sterben, als aufhören eine Jungfrau zu sein!“ Mit diesen Worten drängte sie sich eilends zwischen den Dienern des Harduin durch und wollte die Flucht nehmen. Er aber bebte vor Zorn; er springt ihr nach, fällt ihr, gleich einem wütenden Hund, an den Hals – und erwürgte sie auf der Stelle mit solcher Gewalt, daß der Jungfrau das Blut aus Mund, Nase, Augen und Ohren hervor drang. –
Was hat diesen vornehmen jungen Mann zu einem solchen abscheulichen Verbrechen hingerissen? Nichts anderes als die Leidenschaft; was den Anschein der Liebe hatte, ist zuletzt in Mord ausgegangen. Die hl. Schrift sagt: „Die Sünde erzeugt den Tod.“ Wenn der Mensch irgend eine Begierde recht stark in sich werden läßt, so daß sie zur Leidenschaft wird, dann ist es gerade, wie wenn ein Teufel oder ein wildes Tier den Menschen bemeistert hätte und ihn wider Willen fortreißt, sich und oft auch Andere in Tod und Verderben zu stürzen. Wie viele tausendmal haben sogenannte Liebschaften schon in den Tod geführt! Wie viele tausend junge Leute haben durch das Laster der geheimen Sünde langsam sich selbst umgebracht! Zahllose Menschen haben durch Trunksucht schon das Leben verloren. Wie Mancher hat dem Judas gleich sich selbst einen Tod angetan, oder hat um ein paar elende Gulden Andern das Leben genommen, weil das Geld seine Leidenschaft war. Hochmut und Rachsucht fordern alle Jahre zahllose Todesopfer, und die Scharen, welche in Krieg und Rebellion um das Leben kommen, haben ihren frühen Tod gewöhnlich dem Ehrgeiz oder Übermut der Herrscher zu verdanken. In der Leidenschaft ist gleichsam die Sünde zur vollen Herrschaft gekommen; darum kann sie auch als Leidenschaft am besten zeigen, was ihr Ausgang ist, nämlich der Tod. Sei es auch, daß die Leidenschaft nicht jedesmal in den Tod des Leibes führt, so bringt sie aber desto gewisser den Tod der Seele, d. h. die Verdammung. Daher hat der Mensch nichts mehr zu fürchten, als irgend eine Leidenschaft in sich aufkommen zu lassen, weil er dadurch die Herrschaft über sich selbst verliert und einer mörderischen Gewalt sich übergibt. Daher wache Jeder über sich selbst und widerstehe gleich dem Anfang, wenn sich eine Neigung festsetzen will – und lösche den Funken aus, ehe die Flamme ausbricht.
Sobald Harduin den Mord verübt hatte, verlor er plötzlich das Augenlicht und wußte nicht, wohin er sich wenden solle. Die Diener entsetzten sich so sehr über diese augenscheinliche Strafe Gottes, daß sie davon liefen, um nicht auch noch von dem göttlichen Gericht betroffen zu werden. Während aber die Eltern heiter und fröhlich bei ihren Freunden saßen, kam die schreckliche Botschaft, ihre Tochter liege zu Haus ermordet in ihrem Blut. Die gesamte Freundschaft erstarrte vor Entsetzen, die Eltern schrien in unermesslichem Schmerz und Jammer, Alles lief nun in das Schreckenshaus. Da lag nun die fromme Jungfrau auf der Erde, ihr sonst so liebliches Angesicht schwarz, blau und mit Blut entstellt; aber auch Harduin war noch im Zimmer, stockblind und mit Blut triefenden Händen und heulte in grimmigem Schmerz über seine in jäher Wut begangene Mordtat.
Da man das heiligmäßige Leben der ermordeten Maxelenda kannte und auch die Ursache ihres Todes, so sah man sie mit Recht für eine Märtyrerin an; darum wurde der Leichnam mit großer Feierlichkeit in die benachbarte Stadt Kamerich gebracht und in der Kirche der Apostel Petrus und Paulus daselbst beigesetzt. Nachdem aber drei Jahre vorüber waren, ermahnte Gott eine gottesfürchtige Witwe, sie solle dem Bischof von Kamerich bedeuten, daß er den heiligen Leib erheben und wieder dahin bringen lassen solle, wo Maxelenda ihr Leben gelassen, indem der Herr jenen Ort, wo sie ihr edles Leben geopfert, durch Wundertaten verherrlichen wolle. So geschah es dann auch; die heiligen Überreste wurden in feierlichem Zug wieder in das Heimathaus geführt, wo dann auch zur Stunde das erste Wunder geschah – und zwar mit ihrem Mörder, dem Harduin. Dieser hatte nämlich die drei Jahre hindurch, seit der Mord geschehen, in trauriger Blindheit unaufhörlich seine Missetat beweint. Da er nun vernahm, daß der Sarg der unschuldigen Maxelenda erhoben werde, begehrte er inständig hinzu geführt zu werden, auf daß er ihr der verübten Grausamkeit wegen fußfällig Abbitte tun möge. Da man seine Bitte gewährte, ließ er sich vor allem Volk zur Erde nieder, wiederholte mit vielen Zähren öffentlich das Bekenntnis seiner Mordtat und bat Gott durch die Fürbitte der heiligen Jungfrau um Herstellung seines Augenlichtes. – Und siehe da, – auf der Stelle konnte er wieder sehen, zur allgemeinen Verwunderung, zur Verherrlichung und zum Lob Gottes, und zur Ehre der hl. Maxelenda. –
aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 4 Oktober bis Dezember, 1872, S. 258 – S. 263
siehe auch den Beitrag: Heilige Maria Goretti Märtyrerin