Heiligenkalender
26. Juli
Heilige Maria Goretti Jungfrau und Märtyrerin
Selig gesprochen am 27. April 1947, heilig gesprochen am 25. Juni 1950
„Bringt mich ins Bett; ich will bei der Muttergottes ein!“ So rief in ihrem Fieberdelirium die aus vierzehn tiefen Wunden blutende Maria Goretti aus Conca bei Nettuno. Über ihrem Bett hing nämlich ein Bild der Madonna, vom Mädchen mit den schönsten Blumen geschmückt, die es auf den Feldern finden konnte, nicht ahnend, daß es selbst in den Augen der himmlischen Mutter die schönste, lebendige Blume war, die durch Gottes Gnade mit liliengleicher Reinheit und Bescheidenheit die Kraft des blutigen Martyriums verband. Ein durch Lesen schlechter Schriften verdorbener und von seiner niedrigen Leidenschaft getriebener Mensch hatte sie vorbedacht überfallen und, da er sein Ziel nicht erreichte, ihr mit einem Dolch so viele Stiche an mehreren Stellen des Körpers zugefügt, daß er sie schließlich für tot hielt. Tatsächlich kam aber, wohl nicht ohne besondere Fügung der göttlichen Vorsehung, das Mädchen nochmals zu sich, konnte seiner schmerzbewegten Mutter und anderen den Hergang erzählen und verschied erst am folgenden Tage, den 6. Juli 1902 gegen vier Uhr nachmittags im Alter von elf Jahren und neun Monaten.
Maria Goretti konnte, so wenig wie ihre Mutter, weder lesen noch schreiben und sie hat, äußerlich gesehen, in ihrem Leben kaum etwas anderes gekannt als Armut und Arbeit, Sorge und Not, aber die Gnade Gottes, das Beispiel und die Erziehung ihrer wahrhaft christlichen Mutter und ihr eigener guter Wille haben aus ihr eine Heldin und Heilige gemacht, die würdig befunden wurde, auf die Altäre gestellt zu werden als Fürsprecherin und als Vorbild. – Sie war das dritte von sieben Kindern armer, rechtschaffener Eltern, die aus Erfahrung wußten, wie man sich um das tägliche Brot mühen und auf die Vorsehung Gottes vertrauen muss. Der kleine Besitz in dem Städtchen Corinaldo, etwa achtzig Kilometer von Ancona entfernt, wo auch Maria am 16. Oktober 1890 geboren wurde, hatte für die wachsende Familie nicht ausgereicht und so suchten sie bessere Lebensmöglichkeit zuerst in Colle Gianturco, dann, im Jahre 1899, in Conca, unweit von Nettuno, das im Kriegsjahr 1944 viel genannt wurde. Als sich die Familie Goretti dort ansiedelte, war das Gebiet der „Pontinischen Sümpfe“ noch nicht reguliert und schon am 6. Juni 1901 erlag der Vater, Luigi Goretti, der Malaria. Das war ein schwerer Schlag für die Gattin Assunta Goretti- Carlini, die nun mit sieben unmündigen Kindern allein stand. Zwar war sie selbst als Waise aufgewachsen, und an Arbeit und Entbehrung gewöhnt, aber in dieser Lage wollte ihr doch der Mut sinken. Da wurde die zehnjährige Marietta zum Werkzeug der hilfreichen Vorsehung für die schwer geprüfte Mutter. „Fürchte nicht, Mutter“, so ermunterte sie, „wir werden jetzt schon groß; der liebe Gott wird uns die Gesundheit geben und seine Vorsehung wird uns helfen. Wir kommen schon durch.“ Diese Hilfe des mutigen Kindes war um so wertvoller für Frau Goretti, als auch in diesem Fall das eine Unglück nicht allein gekommen war. Sie befand sich nämlich noch dazu infolge eines Vertrages in einer wirtschaftlichen Abhängigkeit von einem Witwer Serenelli und dessen ungeratenem Sohn Alessandro, mit denen Frau Goretti im gleichen haus wohnen und durch deren Schuld sie und ihre Kinder nicht selten Hunger leiden mussten.
Marietta, für ihr Alter verhältnismäßig groß und kräftig gewachsen, wurde in den häuslichen Angelegenheiten die rechte Hand der Mutter, die ihr nach dem Tode das Zeugnis ausstellen konnte: „Je größer sie wurde, desto braver und besser wurde sie.“ Und das war wirklich das Ziel und Streben des Kindes. Als es am 31. Mai 1902, fünf Wochen vor dem Martyrium, die erste heilige Kommunion empfangen hatte, da sagte ihr die Mutter: „Jetzt, nachdem du Jesus empfangen hast, musst du immer braver werden“, und Marietta erwiderte mit leuchtenden Augen: „Ja, Mutter, ich will immer besser werden.“ Und sie hat Wort gehalten bis zum Martyrium. Nie kam eine Lüge über ihre Lippen, ja sie brachte es fertig, selbst unverdiente Vorwürfe der Mutter schweigend zu tragen. Nie äußerte sie den Wunsch nach einem neuen Kleid, sondern überließ dies dem Willen und Geschmack ihrer Mutter. Nie zeigte sich die geringste Leichtfertigkeit in ihrem Benehmen; auch in der Gluthitze des italienischen Sommers gestattete sie sich keine Freiheit in Haltung oder Kleidung. Einfach und bescheiden in allem, ging sie immer gerade ihren Weg ohne sich aufhalten zu lassen; ja, sie schien selbst Furcht zu haben, im Vorübergehen angeschaut zu werden. Sie schien sich selber ganz zu vergessen und nur anderen helfen zu wollen, so daß selbst ihre kleineren Brüder zu ihr flüchteten, wenn sie von der Mutter gescholten wurden. Das alles war verbunden mit einer großen, aufrichtigen Frömmigkeit, wodurch das Einströmen und Wirken der Gnade Gottes in ihrer Seele gefördert wurde. Wenn sie einige Augenblicke Zeit fand, verbarg sie sich, um kurz zu beten. Gerne scharte sie ihre jüngeren Geschwister um sich, um sie die wenigen Gebete zu lehren, die sie selbst gelernt hatte. In den letzten Monaten ihres Lebens betete sie zweimal am tage den Rosenkranz für ihren verstorbenen Vater. In der Kirche fiel sie auf durch ihr bescheidenes und frommes Verhalten. Wie sehr sie nach der Vereinigung mit dem Herrn verlangte, zeigen ihre Worte, die sie beim Verlassen der Kirche nach ihrer ersten heiligen Kommunion an ihre Freundin Theresa Cimarelli richtete: „Theres, wann kehren wir hierher zurück!“ – oder die Bitte, die sie der gleichen Freundin noch am Morgen ihres großen Leidenstages aussprach: „Theres, morgen gehen wir nach Campomorto; ich kann die Stunde der heiligen Kommunion kaum mehr erwarten.“ Da Campomorto drei Kilometer und Nettuno sogar elf Kilometer von Conca, ihrem Heimatdörfchen, entfernt war, hat Maria Goretti tatsächlich nur drei- oder viermal die heilige Kommunion empfangen können. Eine besondere Freude war es ihr auch, wenn sie irgendwo Gelegenheit hatte, eine Predigt zu hören, die sie zu Hause dann ihrer Mutter erzählte. Der Gebetseifer verdoppelte und steigerte sich noch besonders, als die große Prüfung ihres Lebens begann. Zweimal schon hatte Alessandro Serenelli das Mädchen belästigt, da zunächst gar keine Ahnung hatte vom Bösen, wozu er sie verführen wollte; beide Male hatte sie sich ihm mit äußerster Kraft entwunden und war geflohen. Aus jungfräulicher Scham und aus Furcht, die Spannung zwischen den beiden Familien noch zu verschärfen, hatte sie nicht gewagt, ihrer Mutter etwas davon zu sagen, und hatte sie nur dringend gebeten, sie nie allein im Hause zu lassen. Die Mutter hielt das für eine Laune, und so blieb dem Kind nichts anderes übrig, als in ständiger Angst und in dem Leid zu leben, von der Mutter nicht verstanden zu werden bis zu Tage, an dem sie zu wählen hatte zwischen der Sünde oder einem gräßlichen Tode. –
Was sie wählen würde, war klar für sie, die nicht lange vorher ihrer Mutter einmal versichert hatte: „Mutter, eher laß ich mich umbringen, als daß ich solche schlechte Reden wiederhole“ – die sie nämlich von einem Mädchen der Nachbarschaft gehört hatte.
Als ihr Verfolger schließlich geschickt und vorbedacht eine Gelegenheit gesucht und gefunden hatte, sie allein zu treffen, da ließ sich Marietta buchstäblich lieber umbringen als ihre jungfräuliche Reinheit verletzen. Sie wiederholte nur immer wieder: „Nein, nein“ – Was tust du, Alessandro! Du kommst in die Hölle!“ – Da hörte der Mörder nicht auf, sie mit einem dolchartigen Gegenstand zu stechen, bis er sie tot glaubte. – Tatsächlich wunderten sich die Ärzte im Spital von Nettuno, daß das Mädchen mit so vielen und so tiefen Wunden noch 24 Stunden leben konnte. Auch in diesen letzten Leidensstunden schien Maria Goretti sich selbst zu vergessen, um nur für andere besorgt zu sein und die christliche Tugend bis zum Heroismus zu üben. Als die Mutter sie fragte, ob sie auch ihrem Mörder von Herzen verzeihe, da erwiderte sie: „Gewiß verzeihe ich ihm. Vom Himmel aus werde ich für seine Bekehrung beten. Um Jesu willen, der dem reuigen Schächer verziehen hat, will ich ihn auch nahe bei mir im Paradiese haben.“ – Wirklich hat Alessandro Serenelli in den 28 Jahren seines Kerkers, zu dem er verurteilt wurde, die Gnade der Bekehrung erhalten; und er hat im Seligsprechungs-Prozeß seine eigene Verdemütigung nicht gescheut, um die Tugend und das Martyrium zu bezeugen, das seine niedere Leidenschaft sich als Opfer ausersehen hatte.
Für die heutige Zeit ist die Seligsprechung von Maria Goretti wohl eine Mahnung, das Wichtigste in der Erziehung der Kinder und der Jugend nicht zu vergessen, was die nicht gebildete, aber weise Mutter der Heiligen so gut und erfolgreich verstanden hat. Sie konnte nämlich erklären: „Ich habe gesucht, dem Kinde die ersten Wahrheiten des Katechismus beizubringen und es durch das eigene Beispiel zur Beobachtung der Gebote Gottes und der Kirche anzuhalten. Ich wachte darüber, daß es aufwuchs in Gehorsam und in Liebe zu Gott, in Verehrung zum Herzen Jesu und zur Madonna, fern von allem, was seine Unschuld hätte gefährden können.“
Uns allen aber hat die heilige Maria Goretti durch ihr ganzes Leben und Streben ein vortreffliches, unübertreffliches Losungswort gegeben, das Pius XI. einmal in die Worte zusammen faßte oder vielmehr aus ihrem Leben ablas: „Immer mehr und immer besser!“ –
aus: Ferdinand Baumann SJ, Pius XII. erhob sie auf die Altäre, S. 101 – S. 104