Heiligenkalender
25. Dezember
Die heilige Märtyrerin Anastasia
Diese Heilige erfreut sich in der ganzen katholischen Kirche einer ausgezeichneten Verehrung; ihr Name wird täglich von (…) Priestern nach der heiligen Wandlung im Messkanon mit den übrigen Fürbittern angerufen, daß „auch uns Sündern“ aus der Fülle der göttlichen Erbarmungen ein Anteil an ihrer glorreichen Gesellschaft zukomme; ein Beweis, wie sehr sie schon früh in der Kirche geschätzt wurde, welche ihr diese seltene Ehre zuerkannt hat.
Anastasia war die Tochter des reichen, vornehmen Römers Prätextatus, der noch Heide war, und einer christlichen Mutter, von der sie in den Lehren des wahren Glaubens unterrichtet und zu den zartesten Gefühlen der Gottesfurcht erzogen wurde. Ehe sie die Jahre der Jungfrauschaft erreichte, starb die fromme Mutter; doch war sie schon im Besitz des besten mütterlichen Erbteiles inniger Liebe zu Gott und dem Heiland, feinen Sinnes für Bescheidenheit und Wohlanständigkeit, gütigen Wohlwollens gegen Leidende und Arme. Und diese Knospen eines echt christlichen Frauenlebens pflegte und entwickelte der heilige Priester Chrysogonus durch weisen Unterricht zu schönster Blüte.
Ganz gegen ihren Willen wurde Anastasia vom Vater gezwungen, einen vornehmen, aber heidnischen Jüngling – Publius – zu heiraten und so eine Verbindung einzugehen, welche für sie zu einer eisernen Kette bitterer Leiden und harter Prüfungen wurde; denn ihr Gemahl war ein stolzer, rauher und gefühlloser, der Sinnlichkeit und Genusssucht leidenschaftlich ergebener Mann, der an der engelgleichen Sanftmut, Herzensgüte und Frömmigkeit seiner Frau sich nicht erbaute, sondern ärgerte. Anastasia litt Unbeschreibliches in schweigender Geduld, suchte und fand Trost in Gebet und Wohltun, wozu ihr die diokletianische Verfolgung überreiche Gelegenheit gab. Viele Christen schmachteten hilflos in den Gefängnissen. Anastasia, die über sehr großen Besitz verfügen konnte, stahl sich oft, in unscheinbare Gewande gehüllt und von einem Diener begleitet, in die Kerker, erkaufte sich von den Wächtern den Zutritt zu den gefangenen Glaubensgenossen und erquickte sie mit Speis und Trank, mit geistigen Tröstungen und allen tunlichen Diensten heiliger Liebe.
Publius beobachtete wohl diese heimlichen Gänge seiner Gemahlin und bestrafte sie anfänglich dafür mit finsterer Miene, üblen Launen, spöttischen Reden; auch legte er ihr allerlei Hindernisse und Schwierigkeiten in den Weg. Dies waren zwar keine blutigen Leiden; aber i solchen täglichen und häuslichen Widerwärtigkeiten den beharrlichen Gleichmut bewahren, ruhig, milde und freundlich zu bleiben, kostete gewiß keine geringere Selbstverleugnung und Opferwilligkeit als das Tragen eines großen Kreuzes. Anastasia `s Leidensmut war unbesiegbar. Publius ergrimmte über solche, ihn unverständliche Geistesgröße und behandelte die edle Gemahlin wie eine Verbrecherin, die er in seinem Hause gefangen hielt. Um diese Zeit wurde auch ihr geliebter Lehrer des Glaubens wegen eingesperrt.
Anastasia war an Leib und Seele gemartert, nicht wegen ihrer eigenen Gefangenschaft und Misshandlung, sondern weil sie den hilflosen Christen und insbesondere dem Chrysogonus nicht mehr beistehen konnte. Inständigst betete sie zu Gott um die Freiheit und – wurde erhört.
Publius sollte als kaiserlicher Gesandter nach Persien gehen; er verschärfte noch vor seiner Abreise die Haft seiner Frau; aber unterwegs starb er eines plötzlichen Todes und Anastasia konnte über ihre Reichtümer wieder frei verfügen. Sie tat es auch in ruhmwürdigster Weise an den Lebendigen und den Toten. Chrysogonus wurde nach Aquileja geführt auf Befehl des Diokletian, welcher dort seine Grausamkeit an den furchtbaren Martern der Christen ergötzte – nicht sättigte. Anastasia begab sich auch dahin, um den Blutzeugen Jesu alle Liebesdienste zu leisten, weil dort für ihren Eifer ein großer Feld war; denn die Christen durften nach den Staatsgesetzen kein Eigentum besitzen, kein Geschäft treiben und litten an Allem drückenden Mangel.
Nachdem sie dem gemarterten Chrysogonus die letzte Ehre erwiesen, begab sie sich nach Illyrien, um die dortigen Christen, die vom Statthalter Florus mit mehr als diokletianischer Grausamkeit verfolgt wurden, mit den letzten Resten ihres Vermögens zu trösten. Dort wurde sie als Christin erkannt und dem Statthalter als solche verraten. Florus befragte sie über ihre Abstammung und Familien-Verhältnisse; und als er erfuhr, daß sie die Gemahlin des hoch angesehenen Publius sei, und sie vergebens zu überreden gesucht hatte, Christus zu verleugnen, lieferte er sie an den Kaiser aus. Diokletian, nicht weniger geizig als grausam und das Geld mehr als die Götter liebend, wollte zuerst wissen, wie reich sie noch sei. Anastasia antwortete: „Wenn ich von meinen Gütern noch etwas besäße, ich hätte mich noch nicht zu erkennen gegeben, sondern hätte fortgefahren, sie im Stillen unter die Diener meines göttlichen Meisters zu verteilen. Jetzt ist mein Vorrat erschöpft, und ich kann ihnen nicht mehr helfen; nur noch mein zeitliches Leben besitze ich und hege den innigsten Wunsch, dasselbe dem allein wahren Gott aufzuopfern, um so an den zeitlichen Leiden derjenigenTeil zu nehmen, die meine zeitlichen Güter empfangen haben.“
Unfähig, seine solche übernatürliche Weisheit und Gottesliebe zu fassen, hielt Diokletian sie für eine Närrin, hielt es unter seiner Würde, weiter mit ihr zu verhandeln und schickte sie dem Florus zurück. Dieser verschwendete seine süßesten Verheißungen wie auch seine fürchterlichsten Drohungen, um sie wankend zu machen, und bot ihr noch drei Tage Bedenkzeit. Anastasia sprach: „Wozu noch drei Tage? Handle jetzt so, als ob sie schon vorüber seien; denn mein Entschluss steht fest, ich verabscheue eure Götter und den kaiserlichen Befehl, ihnen zu opfern; ich opfere nur Jesu Christo und bin bereit, Ihm mein Blut und Leben zu opfern.“ Florus wartete drei Tage, rief sie aus dem Gefängnis und sagte ihr freundlich, daß er sie in Ruhe nach ihrer Religion leben lassen wolle, wenn sie ihm ihre Schätze, die sie noch irgendwo versteckt haben müsse, abtrete. Anastasia antwortete: „Allerdings bist du sehr arm an Gütern der Gnade, an denen mich mein Glaube überaus reich macht; allein über diese Schätze verfügt der allgütige Gott nach freiem Ermessen und spendet sie nur denjenigen, die Ihn mit Inbrunst darum bitten.“ Der Statthalter ging nun von den Worten zur Tat über, wendete nacheinander alle Martern an, die seine Bosheit und Habsucht ihm eingab, und verurteilte die unbesiegbare Heldin zum Flammentode. Dieses Urteil wurde vollstreckt am 25. Dezember 305, und die römische Kirche ehr ihr Andenken in der zweiten Messe des heiligen Weihnachtsfestes, während die griechische Kirche wegen der heiligen Weihnachtsfeier ihren Gedächtnistag auf den 22. Dezember vorrückt. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 953 – S. 955