Das Kreuz und der Halbmond
Papst Julius II. (regierte von 1503 bis 1513)
Nach dem plötzlichen Tod Alexanders VI. war die Lage in Rom sehr bedenklich. Man fürchtete für die Freiheit der Papstwahl von Seiten Cesare Borgias. Die Klugheit des Kardinals Julian Rovere indessen verstand es, die drohende Gefahr zu beschwören. In den damaligen traurigen Verhältnissen des Kirchenstaates und Italiens sahen die Kardinäle in Julian die geeignete Persönlichkeit, um die Kirche zu retten. Er wurde daher einstimmig gewählt und nahm den Namen Julius II. an. Er war ein Neffe des Papstes Sixtus IV.
In Savona 1443 von armen Eltern geboren, hatte er eine harte Jugend hinter sich. Er musste als Knabe bei einem Gärtner schwere Arbeiten verrichten, bis er im Franziskaner-Orden Aufnahme fand. Kaum hatte sein Oheim den Stuhl des heiligen Petrus bestiegen, wurde er zum Kardinal ernannt. Als solcher lebte er weltlich nach Art der damaligen Fürsten, zeigte aber einen staatsmännischen, kriegerischen Charakter und große Liebe zur Kunst, der er sich als einen freigebigen Gönner bewies. Er war eine groß angelegte, kühne Natur, wie zum Herrscher geschaffen, bei dem aber der Priester vor dem Staatsmann und Krieger zurück trat.
Als Papst hatte er sich eine dreifache Aufgabe gestellt: die Wiederherstellung des Kirchenstaates, die Förderung der Künste, die Reform der Kirche. Großes hat er in Bezug auf die zwei erste Punkte geleistet und sich unsterblichen Ruhm erworben, in der Durchführung der dritten Aufgabe wurde er durch den Tod verhindert. Julius wird mit Recht der Wiederhersteller des Kirchenstaates genannt. Feindselige Nachbarn hatten einzelne Teile des Kirchenstaates an sich gerissen, mit anderen Teilen hatte Alexander VI. seine Angehörigen ausgestattet. Dazu kam noch, daß Städte und Gebietsteile sich als Republiken erklärten, in anderen sich Tyrannen aufgeworfen hatten, die den Papst als weltliches Oberhaupt zwar anerkannten, aber sich um ihn nicht kümmerten. Zudem befanden sich in Rom selbst mächtige Familien, die große Besitzungen inne hatten und den Päpsten wiederholt Trotz boten. Hätte jetzt, sozusagen in letzter Stunde, nicht eine mächtige Hand die Zügel ergriffen, so wäre es um den Kirchenstaat geschehen gewesen und der Papst wäre in die Gewalt eines Tyrannen gekommen. Julius sah ein, daß der Papst, um seine Freiheit zu wahren, ein unabhängiger Monarch sein müsse. Er brachte es dahin, daß Cesare Borgia die kirchlichen Besitzungen heraus geben musste. Die mächtigsten römischen Familien der Orsini und Kolonna gewann er durch Familien-Verbindungen. Die fast unabhängig gewordenen Gebietsteile des Kirchenstaates gewann er durch sein energisches Auftreten. Die Venezianer zwang er, die widerrechtlich besetzten Länderstriche heraus zu geben, indem er sich dem Bündnisse des Kaisers Maximilian und des französischen Königs anschloss. Harte, aber erfolgreiche Kämpfe hatte der Papst mit Ludwig XII. von Frankreich zu bestehen.
Bittere Vorwürfe werden diesem Papst gemacht, daß er mehr Krieger als Papst war und persönlich in den Krieg zog; doch dient zu seiner Entschuldigung, daß er keinen ungerechten Krieg führte, daß er nur das, was der Kirche gehörte, wieder zu gewinnen und zu bewahren und die Freiheit des Papsttums sicher zu stellen suchte.
Wie als Krieger und Staatsmann zeigte sich Julius auch groß als Beförderer der Künste. Die berühmtesten Künstler aller Zeiten fanden von seiner Seite verständnisvolle und großmütige Förderung, so daß er Werke ins Leben rief, die in allen Jahrhunderten die Bewunderung der Welt finden werden. Dabei leitete ihn keine andere Absicht, als durch diese Kunst-Schöpfungen Gott und die Kirche zu verherrlichen. Neue Straßen wurden angelegt, großartige Bauten im Vatikan aufgeführt, der Plan zur Peterskirche von Bramante entworfen und der Grundstein zu derselben gelegt. (*) Der altrömische Prachtbau, das Pantheon, sollte in der Nachahmung als Kuppel gleichsam in die Luft gehoben werden. In der Sixtinischen Kapelle verewigte Michelangelo sich und den Papst. Die Stanzen und Loggien des Vatikans hat Raffael mit unsterblichen Werken bedeckt. Der Verherrlichung des allerheiligsten Altarssakramentes und des Papsttums sind die herrlichsten Gemälde gewidmet. Eine erhabener Gedanke durchzieht diese einzigen Schöpfungen: die Größe und Herrlichkeit, der Sieg und der Triumph der Kirche, ihrer Wissenschaft und ihres Mittelpunktes, des Papsttums, der wunderbare Schutz, den Gott der Herr dem Nachfolger desjenigen zuteil werden läßt, dem er die Verheißung gegeben: „Du bist Petrus, und auf diesem Felsen will ich meine Kirche bauen und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen.“
Bei allen diesen großartigen Unternehmungen ließ er die Reform der Kirche nicht aus dem Auge. Wie er selbst die kirchlichen Obliegenheiten treu und gewissenhaft erfüllte, mochten ihn auch die politischen Verhältnisse noch so sehr in Anspruch nehmen, so wachte er eifrig, daß sie von anderen in gleicher Weise erfüllt wurden. Gegen die Simonie, den Stimmenkauf bei den Papstwahlen erließ er bereits 1505 eine strenge Bulle. Gegen das Duell und das barbarische Strandrecht, nach welchem die Schiffbrüchigen beraubt wurden, trat er energisch auf. Eifrig bemühte er sich um die Reform der verschiedenen Orden und Klöster. Die Reinhaltung wie die Ausbreitung des Glaubens und die Bekehrung der neu entdeckten Völker lag ihm sehr am Herzen und nahm seine Tätigkeit in Anspruch.
Als Ludwig XII. ein Konzil von drei ihm ergebenen Kardinälen ausschreiben ließ, trat ihm Julius dadurch entgegen, daß er das fünfte allgemeine Konzil vom Lateran berief. Aufgabe dieses Konzils war vor allem die Reform der kirchlichen Zustände und speziell des römischen Hofes. Leider wurde Julius gerade um jene Zeit vom Tod abberufen, als er die innere Reform im großen Stil in Angriff nehmen wollte. Am 20. Februar 1513 ließ er sich die Sterbesakramente reichen und hierauf die Kardinäle an sein Sterbebett treten. Er bat sie um ihr eifriges Gebet. Er ermahnte sie zur Gottesfurcht und forderte sie auf, eine rechtmäßige Papstwahl vorzunehmen. Hierauf erteilte er unter Tränen den weinenden Kardinälen den Segen und so hauchte er voll Mut und Fassung in der Nacht vom 20. auf den 21. Februar 1513 seine starke Seele aus. Als der Leichnam in St. Peter ausgestellt wurde, wollte, alles, groß und klein, alt und jung, trotz des Widerstandes der Wachen, die Füße des Toten küssen. Sein Grab fand er in Sankt Peter in Vincoli, wo die herrliche Statue des Moses, in welche Michelangelo die Heldenseele dieses Papstes gleichsam hinein gemeißelt hat, ihn verewigt: ein Kraft-Genie. –
aus: P. Andreas Hamerle C.Ss.R., Geschichte der Päpste III. Band, 1907, S. 523 – S. 525
Während seiner neunjährigen Regierung dachte er an nichts mehr, als Italien von den Fremden, die dort Unruhen stifteten, zu befreien, die Türken zu bekämpfen, die Unordnung in der Kirche abzustellen und die Künste zu fördern.
Julius war groß als Papst und König. Man tadelt aber an ihm, daß er viele Kriege geführt hat. Allein man müsste ihm nachweisen können, daß er einen ungerechten Krieg unternahm. Was er wollte, war die Unabhängigkeit des heiligen Vaters, die für die geistliche Gewalt und für die Freiheit der Kirche notwendig war. Um sie zu sichern, musste er dem Ansehen des Papstes im ganzen Kirchenstaat Anerkennung verschaffen. In dieser Weise setzte Julius nur das Werk des Papstes Alexander VI. fort.
Um den Kirchenstaat und Rom hat sich Papst Julius unsterbliche Verdienste erworben. In Unordnung hat der heilige Vater den Kirchenstaat von seinen Vorgängern überkommen erhalten; als geordneten Staat übermachte er ihn seinen Nachfolgern.
(*) Am 18. April des Jahres 1506 wurde zu dieser größten Kirche der Welt der Grundstein gelegt. –
aus: Chrysostomus Stangl, kath. Weltpriester, Die Statthalter Jesu Christi auf Erden, 1907, S. 607 – S. 608; S. 610