Freiheit und Knechtschaft
Papst Johannes XV. (regierte von 985 bis 996)
Ein Römer von Geburt, wurde Johannes im August 985 zum Papst konsekriert. Er verdankte seine Erhebung dem Einfluss der antideutschen Partei, an deren Spitze Crescentius, der Enkel jener berüchtigten Theodora der Jüngeren, stand. Dieser wollte den Einfluss der griechischen Kaiser wie des deutschen Hofes abwehren und warf sich selbst unter dem Titel eines Patritius zum Herrn von Rom auf. Er hatte die ganze weltliche Macht in Händen, so dass der Papst auf die geistlichen Funktionen beschränkt war. Ja, er schmachtete in einer solchen Knechtschaft, dass sogar der Zugang zu ihm mit reichen Geschenken an Crescentius erkauft werden musste.
Die Lage wurde so drückend, dass Johannes endlich von Rom nach Toskana flüchtete und die Kaiserin Theophano um Hilfe gegen den Bedränger des Heiligen Stuhles anrief. Aus Furcht vor den Deutschen ließ Crescentius den Papst bitten, er möge nach Rom zurückkehren, es werde ihm alle dem Nachfolger des hl. Petrus schuldige Ehrerbietung zuteil werden. Als er aber zurückkam, blieb die Sache beim alten: Crescentius rücksichtsloser Herr; Johannes geknechtet. (1)
(1) Der Tyrann fühlte wohl, dass es um seine Macht geschehen sei, wenn die Deutschen mit Heeresmacht nach Rom kommen würden. Um diese Gefahr abzuwenden, lud er durch eine Gesandtschaft den Papst ein, nach Rom zurückzukehren. Johannes zog wirklich im Triumph bald darauf in Rom ein. Der Papst konnte wohnen, wo er wollte, im Lateran, im Vatikan, durfte Versammlungen abhalten und erfreute sich in den kirchlichen Geschäften der notwendigen Unabhängigkeit. Dagegen maßte sich der Tyrann Crescentius nun die ganze weltliche Gewalt an, woraus die ernstesten Schwierigkeiten entstanden. (Stangl, S. 364)
Nichtsdestoweniger bewies sich der Papst unter diesen misslichen Verhältnissen seiner erhabenen Aufgabe würdig. Er zeichnete sich durch Gelehrsamkeit aus und war bedacht, zwischen Fürsten und Völkern den Frieden herzustellen. Wir besitzen noch ein Schreiben dieses Papstes, das Kunde gibt sowohl über seine Bemühung als auch über den glücklichen Erfolg seiner Bemühung, eine Aussöhnung zwischen dem angelsächsischen König Ethelred und dem Herzog der Normandie, Richard, zustande zu bringen. Es ist ein schönes Denkmal der Friedenssorge und des heilsamen Einflusses des Papstes Johannes, wie des Papsttums überhaupt. Mit Recht bemerkt bei dieser Gelegenheit ein Schriftsteller:
„So vergaß das Papsttum auch in den Zeiten seiner Schwäche nicht die hohe Bestimmung, der Welt den Frieden zu bringen und zu erhalten, und es ist eine erfreuliche Erscheinung, auch im zehnten Jahrhundert einzig durch päpstliche Vermittlung die Versöhnung zwischen ehemals feindlichen Völkern durch einen aufrichtigen und dauerhaften Frieden hergestellt zu sehen.“ (Siehe Rohrbachers Univ.-Gesch. der kath. Kirche, 14. Bd. S. 197) –
aus: Andreas Hamerle C.Ss.R., Geschichte der Päpste, II. Band, 1907, S. 314 – S. 315
In die Regierungszeit dieses Papstes fällt auch ein großer Streit über die Besetzung des erzbischöflichen Stuhls zu Reims in Frankreich. König Hugo Kapet in Frankreich beförderte nämlich im Jahr 988 Arnulf, einen Verwandten des Herzogs Karl von Lothringen, auf den erzbischöflichen Stuhl in Reims. Der neue Erzbischof wurde aber infolge einer Verschwörung gefangen genommen, da der König ihn für den Urheber des Aufruhrs hielt. Eine Kirchenversammlung von Reims im Juni des Jahres 991 setzte den Erzbischof ab und erhob den gelehrten Abt Gerbert auf den bischöflichen Thron.
Nun forderte der Papst die Bischöfe Frankreichs und Deutschlands auf, in einer neuen Versammlung zu Aachen die Angelegenheit zu untersuchen. Da dies nicht geschah, schickte der heilige Vater eigene Gesandte, welche in einer Versammlung zu Mousson bei Reims die Absetzung Arnulfs und Erhebung Gerberts für ungültig erklärten; aber erst im Jahr 997 erfolgte die endgültige Wiedereinsetzung Arnulfs als Erzbischof. –
aus: Chrysostomus Stangl, kath. Weltpriester, Die Statthalter Jesu Christi auf Erden, 1907, S. 364
Unter Papst Johann XV. fand die erste feierliche Heiligsprechung statt
Unter Papst Johann fand auch die erste feierliche Heiligsprechung statt. Von da an wurde es als ein Vorrecht des heiligen Vaters betrachtet, einem Christen die Ehre des Altars zuzuerkennen. Diese Ehre galt diesmal dem zwanzig Jahre vorher verstorbenen heiligen Bischof Ulrich von Augsburg.
Als am 31. Januar des Jahres 993 eine Versammlung das Leben und die Wunder des heiligen Bischofs untersucht hatte, erhob sich der Papst und sprach: „Das Andenken des heiligen Bischofs soll von jetzt an in der Kirche besonders geehrt werden, weil wir in den heiligen Märtyrern und Bekennern Jesum Christum, unsern Herrn, selbst ehren. Wenn jemand es wagt, die Auszeichnung anzustreiten, welche wir dem heiligen Ulrich gewähren, so müssen wir ihn kraft unserer Gewalt aus der Kirche ausschließen.“ (2) (Stangl, S. 365)
(2) Bis dahin war es die allgemeine Volksstimme, welche jemandem die Ehre der Heiligkeit zuerkannte und dessen Fürbitte anrief. Nachdem fromm im Herrn Verschiedene, deren leuchtende Tugenden allgemein anerkannt waren, vom Volk als Selige oder Heilige verehrt worden waren, gab der Bischof des Ortes endlich auch die Zustimmung zur öffentlichen Verehrung dieser Diener Gottes auf Erden. (Hamerle, S. 315)
siehe dazu auch den Beitrag: Soziale und politische Prinzipien des Mittelalters
Bildquellen
- Pope_John_XV_Illustration: wikimedia