Die Päpste und das hl. Grab in Jerusalem
Das Pontifikat von Papst Urban II. (regierte von 1088 bis 1099)
Kehren wir im Geiste wieder nach Rom zurück, um zu erfahren, dass nach dem Tode des Papstes Viktor III. der Kardinalbischof Otto von Ostia als Urban II. den päpstlichen Thron bestieg.
Geboren im Jahr 1042 in der Diözese Reims in Frankreich, ein Schüler des heiligen Bruno, hatte ihn Papst Gregor VII. schätzen gelernt und zum Kardinal und Bischof von Ostia ernannt. Von da an wurde er als Gesandter nach Deutschland geschickt, wo er die Sache der Kirche mit solchem Mut und so unerschütterlicher Festigkeit verteidigte, dass ihn der heilige Gregor auf seinem Totenbett als der päpstlichen Krone würdig empfahl.
Wirklich wurde er auch durch die Wahl der Kardinäle am 12. März des Jahres 1088 in Terracina der zweite Nachfolger des heiligen Gregor VII. (1)
(1) Da sich Rom in der Gewalt des Gegenpapstes befand, traten die Wähler nach dem Tode Viktors III. unter dem Schutz der Gräfin Mathilde von Toskana in Terracina zusammen und erhoben, dem Vorschlag des verstorbenen Papstes folgend, den Kardinalbischof Otto von Ostia zur päpstlichen Würde unter dem Namen Urban II. 12. März 1088. (Hamerle, II. Bd., 1907, S. 360)
Papst Urban II. Erklärung zur Regierung der Kirche
Kaum war Urban Papst, so erließ er ein Rundschreiben nach Deutschland, in welchem er erklärte, dass er die heilige Kirche ganz nach den Grundsätzen des heiligen Gregor VII. regieren werde. (2)
(2) An die treuen Bischöfe und Fürsten Deutschlands schrieb er: „Was mich betrifft, so habet in allem dasselbe Vertrauen wie auf unseren seligen Vater, den Papst Gregor. Was er verwirft, verwerfe ich, was er verdammte, verdamme ich; was er liebte, umfasse ich, was er billigte und für katholisch hielt, das bestätige ich; was er endlich nach beiden Seiten hin dachte, darin stimme ich in allem mit ihm über ein.. Und so bitte ich euch Brüder, seid standhafte Männer und stärket euch in der Kraft Gottes, erhebet euch zum Widerstand und richtet eine Mauer auf für das Haus Israel, damit ihr als eifrige Kämpfer Gottes an seinem Tage in der Schlacht stehet.“ (Hamerle, a.aO. , S. 361)
Seine päpstliche Tätigkeit konnte Urban erst nach dem Sieg über den Gegenpapst durchführen
Als er nach Rom kam, um von der ewigen Stadt Besitz zu nehmen, musste er auf der Tiberinsel in einem Privathaus Wohnung nehmen und von Almosen frommer Christen leben. Denn der gottvergessene deutsche König Heinrich IV. hatte ja einen Gegenpapst unter dem Namen Clemens III. aufgestellt, wie wir schon oben erzählten; dieser wirtschaftete übel in Rom und wurde unterstützt durch zahlreiche mächtige Adelsgeschlechter.
Alle Anhänger des deutschen Königs und alle Schmeichler der weltlichen Macht, endlich alle sittenlosen Priester und Bischöfe standen auf seiner Seite. Dennoch musste der Scheinpapst schon im Jahr 1089 dem rechtmäßigen Statthalter Christi weichen; nun konnte Papst Urban seine durchgreifende elfjährige Tätigkeit beginnen. (3) –
aus: Chrysostomus Stangl, kath. Weltpriester, Die Statthalter Jesu Christi auf Erden, 1907, S. 423
(3) Obschon der Gegenpapst nach der Wahl des neuen Papstes Rom verlassen hatte, so hatten doch seine Anhänger den größten Teil der Stadt in Händen und Urban war gezwungen, als er gegen Ende des Jahres 1088 dahin kam, auf der Tiberinsel im Privathaus des Bürgers Leo zu wohnen und von den Gaben frommer Leute zu leben. Da der Gegenpapst Guibert wieder zurückkehrte, musste Urban die Stadt verlassen und konnte erst wieder daselbst einziehen, nachdem die Römer jenen vertrieben hatten. (Hamerle, a.a.O. S. 361)
Herr der ganzen Stadt wurde Urban erst 1098, als die Anhänger Guiberts auch die Engelsburg zu räumen gezwungen waren.
Papst Urban besorgte die Angelegenheiten der Kirche mit Klugheit
Trotz dieser traurigen Lage besorgte Urban mit Klugheit und Kraft die Angelegenheiten der Kirche. Auf verschiedenen Synoden erneuerte der Papst den Bann gegen den Gegenpapst und dessen Anhänger, wie auch die Dekrete gegen Simonie, Laieninvestitur und Priesterehen.
Den König Heinrich IV. hielten von einer Aussöhnung mit dem Papst hauptsächlich die simonistischen Bischöfe zurück, zumal die nach dem Tode Rudolfs von Schwaben von den sächsischen und schwäbischen Großen erwählten Gegenkönig Heinrich von Luxemburg († 1087) und der Markgraf Egbert von Meißen trotz wiederholter Siege nichts Bedeutendes ausrichteten. Infolge dieses traurigen Bürgerkrieges wurde Deutschland gänzlich zerrüttet und entsetzlich verwüstet.
Eine nachhaltige Wendung zu Ungunsten Heinrichs trat im Jahr 1093 ein, als die vorzüglichsten lombardischen Städte, der Grausamkeit und Tyrannei Heinrichs überdrüssig, einen Bund wider ihn schlossen, seinen Sohn Konrad, einen wegen seiner Tugend und Frömmigkeit allgemein beliebten Fürsten, zu Monza als König von Italien krönten und dieser selbst sich auf die Seite des Papstes stellte.
Am verhängnisvollsten wurde für Heinrich die Synode von Piacenza (1095), auf welcher Praxedes, die zweite Gemahlin des Kaisers, über ihn Klage führte und von seinen abscheulichen Lastern und den empörenden Misshandlungen, die sie von ihm zu erdulden hatte, ein wahrhaft erschreckliches Bild entwarf.
Von Piacenza begab sich Urban nach Frankreich, wo König Philipp I. seine Gemahlin Berta verstoßen hatte und mit der dem Grafen Fulko entführten Bertrada im Ehebruch lebte. Er wurde vom Papst in den Bann getan. Nachdem Urban noch mehrere Synoden, besonders die berühmte zu Clermont (1095) in Frankreich abgehalten hatte, kehrte er wieder nach Rom zurück. Von dort begab er sich (1098) nach Bari in Unteritalien zu einer Synode, wo der heilige Anselm, Erzbischof von Canterbury, vor den anwesenden Griechen gegen sie die kirchliche Lehre von dem Ausgang des Heiligen Geistes, vom Vater und dem Sohn siegreich verteidigte.
Das Privilegium Monarchia Sicula für den Grafen Roger von Sizilien
Bei dieser Gelegenheit erteilte Urban II. dem Grafen Roger von Sizilien das Privilegium, welches unter der Bezeichnung Monarchia Sicula bekannt ist. Graf Roger hatte nach vollständiger Besiegung und Vertreibung der Sarazenen von dieser Insel zur Wiedererrichtung der Diözesen und zur Hebung der Religion sehr viel geleistet. In Anbetracht dieser Verdienste ernannte Urban den Grafen als päpstlichen Legaten und übertrug ihm dieses Amt als erbliches Recht.
„Solange der Graf lebe oder einer seiner Erben als Vollstrecker des väterlichen kirchlichen Eifers vorhanden sei, solle wider ihren Willen kein anderer Legat vom Apostolischen Stuhl bestellt werden.“ Dieses Privilegium wurde in der Folgezeit von den despotischen Fürsten Siziliens vielfach missbraucht, so dass den Päpsten viele Schwierigkeiten und Kränkungen, wie der Kirche Neapels und Siziliens viele Nachteile erwuchsen.
Nach seiner Rückkehr aus Süditalien hielt Urban (1099) noch eine Synode in Rom ab, auf welcher manche frühere Bestimmungen wieder eingeschärft wurden und beschloss bald darauf sein tatenreiches Leben plötzlich am 29. Juli. (Hamerle, S. 361 – S. 362)
Der erste Kreuzzug unter dem Pontifikat von Papst Urban II.
Das Weltereignis, dessen Seele und Urheber Urban war und das den Namen des Papstes in der Geschichte unsterblich macht, ist der erste Kreuzzug.
Seit Kaiser Konstantin dem Christentum staatliche Anerkennung gewährt hatte, zog der Glaube und die Liebe Scharen von Christen zu den heiligen Stätten hin, welche der Heiland durch sein leben, seinen Wandel, sein Leiden und seinen Tod geheiligt hatte. Diese Wallfahrten geschahen auch noch nach der Eroberung des Gelobten Landes durch die Mohammedaner und fanden wenig Belästigungen.
Der Kalif Harunal Raschid stellte die heiligen Orte feierlich unter den Schutz Karls des Großen, der in Jerusalem ein Hospital und eine Kirche erbauen ließ. Im Jahr 1010 zerstörte der Kalif Hakem, wie man sagt, auf Anstiften der Juden, die Kirche des Heiligen Grabes. Infolgedessen forderte Sergius IV. zu einem Kreuzzug auf und bewog Genua und Venedig, sich zum Krieg zu rüsten.
Der Kalif Zehir schloss mit dem oströmischen Kaiser einen Vertrag, durch welchen die Griechen die Schutzherrschaft über Jerusalem erhielten. Die Grabeskirche erhob sich wieder, und zwar schöner als zuvor, und die Wallfahrten aus dem Abendland nahmen trotz der Feindseligkeit der Griechen nicht ab. Namentlich zogen im 11. Jahrhundert zahlreiche Pilgerscharen in das Heilige Land.
Die Seldschuken als neue Herren im Heiligen Land
Nachdem jedoch im Jahr 1071 die Seldschuken, ein tartarischer Volksstamm, die heiligen Stätten erobert hatten, wollte Gregor VII. einen Kreuzzug gegen sie unternehmen, war aber durch seine beständigen Kämpfe im Abendland daran gehindert.
Die neuen Herren des Gelobten Landes misshandelten und bedrückten die Christen auf das härteste, verwandelten die Grabkirche in eine Moschee, die Auferstehungskirche in einen Stall und forderten überdies von allen Pilgern einen hohen Zoll. Wer diesen nicht bezahlen konnte, gelangte nicht in die Heilige Stadt. So musste mancher arme Pilger vor den Toren Jerusalems bleiben und starb um Angesicht des Heiligen Grabes infolge der ausgestandenen Beschwerden und des Elends.
Siehe auch die Beiträge:
Der Ruf des Papstes Urban II. zu einem Kreuzzug
Die Griechen waren nicht imstande, den wilden Eroberern die Spitze zu bieten; diese dehnten vielmehr ihre Eroberungen immer weiter aus und bedrohten sogar Konstantinopel. Nachdem Urban II. den Einsiedler Peter von Amiens vorausgeschickt hatte, um den Gläubigen des Abendlandes die traurige Lage der unter dem Türkenjoch schmachtenden Christen zu schildern und sie für deren Befreiung zu begeistern, erschien er selbst auf der Synode in Piacenza, auf welcher 4.000 Geistliche und 30.000 Laien anwesend waren.
Der Papst führte der Versammlung die Hilfe flehenden Gesandten des oströmischen Kaisers vor, schilderte die Not der Christen im Orient und forderte in zündender Rede zu deren Rettung auf. Da erscholl der Ruf: „Man erhebe sich und sprenge die Fesseln der Christenheit.“ Tausende gelobten auf den ersten Ruf des Papstes für die Sache Gottes in den Kampf zu ziehen.
Von Piacenza zog Urban nach Clermont. 14 Erzbischöfe, 250 Bischöfe, 400 Äbte und eine unzählbare Menge von Mönchen, Klerikern und Laien waren erschienen. In den lebendigsten Farben schilderte der Papst all die Drangsale, welche die Pilger und Bewohner des Morgenlandes um Christi willen zu leiden hatten. „Gott will es!“ war die tausendfache, begeisterte Antwort auf die feurige Aufforderung zum Kampf, zur Wiedereroberung des Heiligen Landes. Alles drängte sich heran, um das Zeichen des Heiligen Krieges, das Kreuz zu empfangen, so dass der Papst sein eigenes Gewand zerreißen musste, um allen Anforderungen zu genügen.
„Gott will es!“, dieser Ruf drang bald hinaus über Frankreichs Grenzen nach Deutschland, England, Schottland, bis Schweden und Norwegen. Leider entsprach dem Feuer der Begeisterung nicht die Klugheit. Zahlreiche Scharen eilten ohne Zucht und Ordnung dem eigentlichen Heer voran und fanden teils in Ungarn und Bulgarien, teils in Kleinasien durch Hunger und Elend oder durch das Schwert der Feinde ihren Untergang.
Die Leiden der Kreuzfahrer und Eroberung Jerusalems
Erst im August 1096 brach der eigentliche Zug unter Gottfried von Bouillon auf. Nachdem das Kreuzheer glücklich auf asiatischem Boden angelangt war, begannen die Leiden der Kreuzfahrer. Teils durch die beständigen Angriffe der Feinde, teils durch die Treulosigkeit der Griechen, teils durch Hunger und Krankheiten wurden die Reihen stark gelichtet. Nach herrlichen Siegen und nach Eroberung von Edessa und Antiochien gelangten etwa 20.000 Streiter vor die Mauern Jerusalems, das stark befestigt war und von 60.000 Mann verteidigt wurde.
Unter dem Ruf „Gott will es!“ erstürmten die Kreuzfahrer, Gottfried voran, nach 28-tägiger Belagerung die Heilige Stadt am 15. Juli 1099. Die Freudenbotschaft durchflog alle christlichen Länder. Vierzehn Tage nach dem Fall Jerusalems starb Urban. –
aus: P. Andreas Hamerle, Geschichte der Päpste, II. Band, 1907, S. 362 – S. 363)
siehe zum Thema Kreuzzug auch:
- Lexikon Stichwort Kreuzzugsbulle
- Der erste Kreuzzug (1095 bis 1100)
Bildquellen
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