Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Gottfried von Bouillon
Gottfried (Godefroy) von Bouillon (Bullonium), der Held des ersten Kreuzzuges. Gleich dem deutschen König Rudolf I., welcher als Graf von Habsburg, wenn möglich, bei keinem ritterlichen Kampf fehlte, hat auch der nachmalige erste König des allerheiligsten Königreiches Jerusalem“ die schönste zeit seines Lebens in ritterlichem Streit zugebracht.
Er war der Sohn des Grafen Eustathius zu Boulogne und der Gräfin Ida. Der Schwester des Herzogs Gottfried von Lothringen, mit welchem Kaiser Heinrich III. So manchen Kampf zu bestehen hatte, Bruder der Grafen Balduin und Eustathius, welche mit ihm den Kreuzzug unternahmen, von mütterlicher Seite aus Abkömmling Karls des Großen.
Gottfried erbte die Allodien seines gleichnamigen Oheims und zeigte sich sowohl im Kampf Heinrichs IV. mit dem Gegenkönig Rudolf, welcher an der ihm von Gottfried beigebrachten Wunde gestorben sein soll, als auch in dessen Römerzügen als treuer Anhänger der kaiserlichen Sache. Da er 1089 von Heinrich IV. Mit dem Herzogtum Lothringen belehnt worden war, drang auch an Gottfried, wie an so viele andere bisher nur mit dem Bürgerkrieg Beschäftigte, die Stimme Papst Urbans II. 1095, von den heimischen Streitigkeiten abzulassen und einem andern Kampf sich zuzuwenden, in welchem nicht, wie für die kaiserliche Partei, der Kirchenbann, sondern die Palme des Himmels als Endziel winkte.
Gottfried ergriff mit Inbrunst das Kreuz, veräußerte deshalb das Schloss Bouillon und zog mit dem fürstlichen Heer nach Konstantinopel. Hier leistete er mit vielem Widerstreben dem Kaiser Alexius den Lehenseid. Von da an war kein Kampf, an welchem nicht Gottfried rühmlichen Anteil nahm, keine Mühe und Gefahr, in deren Überwindung er nicht voran leuchtete.
Mag, wie v. Sybel zu beweisen suchte, die Sage vieles zur Verherrlichung des Helden beigetragen haben, so haben doch die Ausdauer, welche er im furchtbaren, mit allen Schrecknissen erfüllten Zug bewies, sein Mut, seine Hingebung an die Sache des Kreuzes, seine Tapferkeit und Mäßigung sein Andenken für alle Zeiten lieb und bewunderungswürdig gemacht.
Er war einer der Ersten, welche am 15. Juli 1099 Jerusalem erstiegen, und wurde sieben Tage später einstimmig zum König des mit dem Schwert in der Faust gegründeten Reiches erwählt, weigerte sich aber demütig, an der Leidensstätte des Erlösers eine goldene Krone zu tragen. Dafür führte er desto eifriger das Schwert, als wenige Wochen nach Eroberung der Stadt der ägyptische Kalif Mosta mit einem ungeheuren Heer zur Vertilgung der Christen herbeieilte.
Mit mindestens siebenfach geringerem Heer schlug Gottfried am 14. August die Ägypter bei Askalon vollständig und sicherte dadurch die noch nicht befestigte Herrschaft; hingegen brachte ihm fast eben so viel Nachteil, wie eine verlorene Schlacht, der Streit mit dem Grafen Raimund von Toulouse, dessen Ansehen lange Zeit das des Herzogs von Lothringen überstrahlt hatte.
Desto höher stieg jedoch die Achtung und Bewunderung Gottfrieds bei dem Moslemin selbst, so dass zu vermuten ist, ein längeres Leben hätte ihn wohl zum Beherrscher eines weiteren Reiches gemacht und das Königreich Jerusalem mit festen Stützen versehen. Allein schon ein Jahr und drei Tage nach der Eroberung Jerusalems starb der Held, um dessen Abstammung nicht sieben Städte, sondern zwei mächtige Länder, Frankreich und Deutschland, streiten, am 18. Juli 1100, ohne dass es ihm möglich gewesen wäre, die Völker, die er zum Kampf geführt, auch zur Erhaltung des Erkämpften zu vereinigen.
Der Ruhm aber bleibt ihm und seinen Genossen, in dem Augenblick, als eine neue moslemische Invasion von Afrika aus Europa bedrohte, das Zentrum des mosleminischen Schlachtordnung durchbrochen und an der Schwelle von Asien und Afrika eine christliche Herrschaft begründet zu haben, die, so lange sie bestand, Osteuropa vor feindlicher Überflutung schützte.
Wir haben uns gewöhnt, Asien als die Domäne des Islams anzusehen. Die Kreuzfahrer waren anderer Meinung, und so lange sie ihre Schwerter in die Waagschale legten, gab es in Osteuropa keine mosleminische Herrschaft, und die Griechenstädte Kleinasiens waren der enthnographische Schwerpunkt des römischen Reiches. –
aus: Wetzer und Weltes Kirchenlexikon, Bd. 5, 1888, Sp. 931 – Sp. 932
Bildquellen
- Gottfried_von_Bouillon_(Hofkirche_Innsbruck)_2006_0931C: wikimedia | CC BY-SA 2.5 Generic