Heiligenkalender
14. Februar
Heiliger Abraham, Einsiedler und Bischof von Karrhä
(Mittel, Andere zu bekehren)
Dieser führte ein sehr eingezogenes frommes Leben im Land Mesopotamien, und übte sich in allen gottseligen Werken, in Beten, Wachen und Fasten. Wenn aber der Mensch einmal recht erwärmt ist von der Liebe Gottes, dann läßt es ihm meistens keine Ruhe; es treibt ihn auch andere Menschen für Gott zu gewinnen.
Der hl. Abraham hörte, daß auf dem Gebirge Libanon ein Dorf sei, wo alle Leute noch im Heidentum sich befänden und ein höchst gottloses Leben führten. Der hl. Abraham gedachte nun dahin zu gehen, ob er nicht mit der Gnade Gottes diese verdorbenen Menschen bekehren könne. Hätte er aber gleich seine Absicht gezeigt, warum er komme, so wäre er von den Heiden getötet oder fort getrieben worden; auf keinen Fall hätten sie ihn gutwillig angehört. Deswegen gab er sich den Anschein, als sei er ein Handelsmann und sei gekommen, um Nüsse zusammen zu kaufen, welche in jenem Dorf besonders viel gezogen wurden. Er nahm sich eine Wohnung, bezahlte den Hausmann im voraus und verheilt sich daselbst still und ruhig. Allmählich getraute er sich seine Gebete mit etwas lauter Stimme zu verrichten.
Als dieses bemerkt wurde, so rottete sich alsbald das Volk zusammen; weil es böse verwilderte Leute waren, wollten sie durchaus kein christliches Zeichen im Dorf dulden. Es liefen Weib und Mann, Alt und Jung zu dem Haus, wo sich der hl. Abraham aufhielt, und warfen zuerst Staub und Erde auf ihn. Da er aber geduldig dazu schwieg und sein gebet fortsetzte, so ergriffen sie ihn zuletzt und wollten ihn zum Dorf hinaus treiben. Während solcher Auflauf war, kamen die Steuereinnehmer und wendeten Zwang an, daß die Leute ihre Schuldigkeit entrichteten. Einige Bauern wurden gefänglich eingezogen, andere wurden schimpflich geschlagen, wie es in jenen Zeiten (400 nach Christi Geburt) üblich war.
Der hl. Abraham aber ahmte den Heiland nach, der am Kreuz für die sorgte und betete, welche ihn ans Kreuz geschlagen hatten; so achtete auch jener die Beleidigungen nicht, welche ihm die Einwohner des Dorfes zugefügt hatten, sondern flehte die Steuereinnehmer an, sie möchten doch menschlicher und gelinder verfahren. Diese sagten aber, nur wenn sich Bürgen stellten, würden sie sich zufrieden geben. Der hl. Abraham übernahm nun die Bürgschaft und versprach, in wenigen Tagen hundert Goldstücke zu bezahlen.
Die Dorfleute aber, welche den hl. Abraham kurz vorher so sehr verfolgt hatten, erstaunten höchlich über die Guttätigkeit dieses Mannes, baten ihn um Verzeihung und begehrten von ihm, den sie vertreiben hatten wollen, er möge ihr Ortsvorstand werden. Er begab sich nun in die benachbarte Stadt, wo er gute Bekannte hatte, entlehnte das versprochene Geld, kehrte dann in das Dorf zurück und bezahlte am festgesetzten Tage, wofür er sich verbürgt hatte.
Da sie nun sahen, wie eifrig und treu er sich um ihr Wohl annahm, bestanden sie noch stärker darauf, er müsse ihr Vorstand werden. Er willigte ein unter der Bedingung, daß sie eine Kirche bauen. Auf der Stelle waren sie dazu bereit, und führten ihn an verschiedene Stellen im Dorf, wo Jeder meinte, daß der beste Ort für eine Kirche sei. Abraham wählte den geeignetsten Platz aus; der Bau wurde alsbald angefangen und so eifrig betrieben, daß in kurzer Zeit das Dach aufgesetzt werden konnte. Nachdem die Kirche vollendet war, begehrte Abraham, daß sie nun auch einen Priester kommen lassen müssten. Allein die Leute im Dorf erklärten, daß sie keinen Andern nähmen als ihn selbst, er solle ihr Vorgesetzter und ihr Seelenhirt sein. Dieses Verlangen brachte ihn dazu, nun die Priesterweihe anzunehmen. Er blieb dann drei Jahre bei ihnen, und gab ihnen Anleitung zu einem christlichen Sinn und Wandel.
Nach Verlauf dieser Zeit, als die Gemeinde in schönste Ordnung gebracht war, richtete der hl. Abraham es ein, daß ein anderer Geistlicher seine Stelle übernahm, und er selbst zog sich wieder in sein Einsiedler-Leben zurück.
Es gibt viele Christen, welche sehr gern Andere, besonders Weltmenschen bekehren möchten. Dieses Verlangen ist gut, und wer gleichgültig zusieht, wie Andere Gott verachten und dem Verderben zulaufen, der ist kein wahrer Christ, und wenn er auch Tag und Nacht in der Kirche beten, fasten und wachen würde. Allein selbst diejenigen, welche eifrig sind den Nebenmenschen zu bekehren, richten oft wenig oder nichts aus und werden nur ausgelacht, und zwar durch ihre eigene Schuld. – Sie meinen, mit vielem Vorpredigen oder Bücherlesen könne man den Sünder erwecken. Allein so wenig der Todkranke gesund wird, wenn man ihm recht viel zu essen und zu trinken eingibt: so wenig kann ein Schwall von heilsamen Ermahnungen den verdorbenen Menschen bekehren. Was bei solchen Leuten am meisten wirkt, das hat sich gezeigt im Benehmen des Abraham. Hätte er den Einwohnern in dem verwilderten Dorf vorreden wollen, so hätten sie ihn verhöhnt, verjagt oder mißhandelt; indem er ihnen aber die Schönheit des Christentums durch die Tat gezeigt und ihnen Böses mit Gutem vergolten hat, das hat gewirkt, daß sie isch bekehrten.
Desgleichen kannst du darauf zählen, daß du einen Menschen zur Umkehr viel eher bringen kannst durch dein betragen, als durch deine Worte. Ich weiß von einem Kranken, der ganz ungläubig in ein Spital gebracht wurde; der Geistliche war daselbst ein sehr frommer, eifriger Mann, aber sein Zureden war dem Kranken widerwärtig. Hingegen da er sah, wie die barmherzigen Schwestern Tag und Nacht nur aus Liebe zu Gott und den Menschen alle Mühe trugen, alle Geduld übten, keine Widerwärtigkeiten scheuten, und all` ihre Arbeit so still taten, wie Schutzengel still dem Menschen nachgehen: das war ihm eine unwiderstehliche Predigt und machte eine tiefe Wirkung auf ihn. Jetzt glaubte er wieder an Christus, da er sah, was Christus in den Seinigen wirkte. –
Desgleichen glaubten die Bergleute auf dem Libanon, als sie am hl. Abraham sahen, was ein Christ sei. Und desgleichen wirst du vielleicht auch das große Glück haben, deinen Nebenmenschen zu retten, wenn du ihm durch dein Betragen, durch lebendiges Christentum, durch christliche Taten eine stille Predigt hältst.
Trage recht viel Geduld mit seinen Unarten und widerwärtigen Betragen; sei ihm nicht lästig mit vielen Vorwürfen und Tadel; sei aufmerksam, wo du ihm einen Dienst oder Gefälligkeit erweisen kannst, zeig dich nicht finster und trotzig gegen ihn, sondern sei freundlich und suche sein Herz zu gewinnen. Je sanfter und liebreicher du mit ihm umgehst, desto gewaltiger predigt ihm dein Benehmen. Und wenn du dabei zu guter Stunde bisweilen eine Erinnerung, eine Ermahnung und eine Bitte in wenigen Worten hinzu gefügt; da mag es wohl sein, daß allmählich die harte Rinde seines verfinsterten und erkalteten Gemütes aufweicht, und Glaube und Liebe zu Gott anfängt sich zu regen. Wenn der Christ so gut und liebreich sich beträgt gegen den Sünder, daß dieser den Christen anfängt zu lieben, so kommt er leicht dazu auch den Lehrmeister des Christen, den Heiland, zu lieben.
Ich will nun zum Schluss noch beifügen, was man von dem weiteren Lebenslauf des hl. Abraham weiß.
Weil seine große Frömmigkeit und Güte allmählich bekannt wurde, so wählte man ihn zum Bischof in der Stadt Karrhä. Auch hier stand es sehr schlimm; es war daselbst Götzendienerei und Lasterhaftigkeit ganz allgemein verbreitet. Dieses war nun ein wildes Feld, wo der hl. Abraham mit großer Anstrengung und Ausdauer das Unkraut vertilgte und die Saat des Wortes Gottes und die Frucht christlichen Wandels und christlicher Werke anpflanzte. Während er aber mit fasten und Wachen seinen Körper außerordentlich streng hielt, war er eben so wohlwollend und gastfreundlich gegen Andere. Wenn er Besuch bekam, so setzte er den Andern das Beste vor, was er an Speis und Trank aufbringen konnte, und bediente sie selbst an dem Tisch in liebreichster Weise. Wenn Prozesse vorkamen, bemühte er sich die Leute zu einem friedlichen vergleich zu bringen usw.
Der Ruf von der Heiligkeit des Bischofs Abraham verbreitete sich bis nach Konstantinopel, und der Kaiser Theodosius wünschte ihn kennen zu lernen. Als der hl. Abraham daselbst ankam, wurde er von der kaiserlichen Familie außerordentlich ehrenvoll aufgenommen. Er starb auch in der Hauptstadt 422 nach Christus. Zuerst wollte der Kaiser daselbst seinen Leichnam in einer Kirche beisetzen lassen; da ihm aber gesagt wurde, daß der Leichnam des heiligen Hirten seiner Herde gehöre, so wurde er nach Karrhä geführt. Als der Zug in die Gegend seines ehemaligen Bistums kam, lief das Volk allenthalben zusammen. Die Leute mussten mit Gewalt abgehalten werden, daß sie dem Toten nicht alle Kleider vom Leib rissen, weil jeder etwa von dem Heiligen haben wollte. Die einen sangen Psalmen, Andere wehklagten, Andere weinten, Andere preisen, wie er ihnen Vorstand, Hirt, Vater, Beistand und Versorger gewesen sei. Und gewiß hat Gott dem seligen Geist des Abgeschiedenen geoffenbart, wie lieb er seiner Herde gewesen, und wie reich und ewig die Früchte seines Wirkens sind; und schon diese Erkenntnis muss ihn unendlich mit Seligkeit erfüllen. –
aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 1 Januar bis März, 1872, S. 234 – S. 238