Was sind die Grundlügen unserer Zeit

Das Bild zeigt die Sünde und ihre Folgen

Was sind die Grundlügen unserer heutigen Zeit?

Die Menschen waten gegenwärtig in einem weiten Morast von Lügen. Was man liest und was man hört, ist zum Teil verfälscht mit Lügen. (siehe auch den Beitrag: Sündigen durch Lügen und Verstellung) Die Lügen sind in den Wirtshäusern Stammgäste; sie wimmeln in den Zeitungen; sie schwärmen am Brunnen und fliegen schwarmweis den Leuten nach; sie fliegen dem einen aus dem Mund, dem andern in das Ohr; sie legen ihre Insekteneier in das Gehirn und da brütet die Einbildung wieder ganze Nester junger Lügen aus. Und die Leute lügen nicht nur andere an, sondern wie ein Skorpion sich zuweilen selber einen Stich gibt mit seinem giftigen Stachel, so lügen die Leute sich selber an und glauben dran zu ihrem Verderben. In manchen Ortschaften des Schwarzwaldes ist es üblich gewesen, daß an Fastnacht ein Hauptnarr in besonderer Tracht durch die Gassen zog und seine lustigen Streiche machte. Die ganze Ortsjugend lief ihm dann nach und begrüßte ihn laut schreiend mit dem Spruch:

Narro, Narro, Gigeboge (Fidelbogen);
Was du seist (sagst), ist Alls (alles) verloge!

Das nämliche könnte man vielen Menschen auch ohne Fastnacht im Jahr zurufen; und es wäre eine ganz gute Überschrift für die meisten liberalen Zeitungen und Amtsblätter, wenn gleich oben dran der Spruch als Stempel stünde:

Narro, Narro, Gigeboge!
Was du druckst, ist schwarz verloge!

Der Spruch wäre nützlich für einfältige Leser, wie ein Maulkorb, womit ein böser Hund am Beißen gehindert wird.
Das Lügen ist ein solches Mitgift der Menschennatur, daß der Psalmist sagt: Omnis homo mental, zu deutsch: „Jeder Mensch ist lügenhaft.“ Erst wenn der Mensch wahrhaft wiedergeboren und von christlichem Geist durchdrungen ist, legt sein Geist mit anderen Sünden auch die Lügenzunge ab, und auf seine Rede kann man sich verlassen, wie auf ein Fundament von Quadersteinen.

Wahrheit und Lüge ist gerade das Grundelement, das Abzeichen der Seele, zu was für eine Art sie gehört. Nicht erst am letzten Gericht wird die ganze Welt in zwei Teile sortiert, sondern alle Tage im ganzen Jahr ist vor den Augen des allmächtigen Gottes die ganze Menschheit scharf abgetrennt in Gute und Böse, in Kinder Gottes und Sklaven des Teufels. Der Unterschied zwischen dem letzten Gericht und dem Gericht alle Tage vor Gottes heiligem Auge besteht darin, daß jetzt noch der Gute bös und der Sünder rechtschaffen werden kann; beim letzten Gericht ist aber abgeschlossen und die Rückkehr zugemauert für alle Ewigkeit.

Es gibt nun freilich genug Menschen, welche im Guten oder im Bösen noch nicht recht zeitig sind, so daß ihr eigener Pfarrer in Verlegenheit wäre, ob er sie rechts oder links stellen soll, wenn er nämlich selber vorläufig Gericht halten müsste. Hingegen die recht Guten und die recht Verteufelten, von denen hat jeder Teil ein besonderes Merkmal und Wappen, welches dem andern ein Gräuel ist. Die Guten haben das Gebet, und dies ist den Verteufelten ärger, als wenn man einem Hund auf dem Waldhorn vorblast; hingegen haben die Verteufelten ein starkes Mittel, das in der Welt viele Gewalt ausübt, das aber der rechte Christ so wenig über die Zunge bringen mag, als am Karfreitag Fleisch essen: nämlich das ist das Lügen.

Das Lügen würde aber nicht so viel Unheil und Verführung anrichten, wenn die meisten Menschen für alles Nichtsnutzige nicht so leichtgläubig wären, als sie gewöhnlich schwergläubig sind für die göttliche Wahrheit. Ich will nun zwei Grundlügen hierher setzen, welche landläufig überall zu hören sind und von Tausenden durstig getrunken werden, wie frisch angestochenes Lagerbier.

1, „Es sei einerlei, was man für eine Religion habe, wenn man nur rechtschaffen lebe.“

Alle die Leser, welche noch die zehn Gebote und das Vaterunser kennen, wissen, daß das erste Gebot heißt, man solle Gott allein anbeten; und die erste Bitt heißt, daß Gottes Name geheiligt werde. Es muss deshalb auch unendlich viel daran gelegen sein, daß das, was wir anbeten und dessen Namen wir heiligen sollen, der wahre Gott sei, und nicht ein Gespenst, ein Irrlicht, das aus dem Sumpf falscher Einbildungen aufgestiegen ist. So z. B. ist es ein falscher Gott, ein Götzenbild im Geist, was solche Menschen anbeten, die den Glauben an Christus aufgegeben haben. Dies sind gewöhnlich Leute, deren Gesinnung und Leben in Feindschaft steht mit der Lehre Christi, manchmal auch Leute, die allerlei studiert haben, z. B. Advokaten, Ärzte, verschiedene Sorten von Schreiber – nur die christliche Religion haben sie nicht studiert.

Betrachten wir einmal den Gott, welchen diese Leute haben. Sie sagen: ihr Gott sei auch allmächtig und überaus gut; darum lassen sie sich es selber wohl sein und denken, sie werden in der Ewigkeit mit vollem Gehalt pensioniert, d. h. sie werden dort drüben wenigstens so gut es haben, als sie auf Erden hüben sitzen. Allein ich frage diese großen und kleinen Herren und fetten, aufgeklärten Bauernhäuptern: Wenn denn euer Gott so gut ist, warum gibt es so viel Armut und Elend in der Welt? Kein Tier ist so geplagt als der Mensch; im schlimmsten Fall wird das Tier abgestochen, streckt die Glieder und ist fertig. Aber wie schwer ist das Sterben beim Menschen, langsame Qual am Leib und entsetzliche Angst in der Seele, und grimmiger Jammer und Aufschreien ums Sterbebett herum! Und das geschieht jeden Tag an 90 Tausend Menschen, so vielmal, wie denn jeden Tag 90 starke Dörfer mit allen Menschen drin aussterben würden, daß auch nicht ein einziger als Rest übrig bliebe. Nun sagt mir, ihr gelehrte, gescheite Herren, warum tut dies denn euer so gütiger Gott? Gebt einmal präzise Antwort darauf. Kann denn der Gott gütig sein, welcher solches alle Tage ansehen mag? Und wenn er doch gütig ist und selber Bedauernis hat, wo bleibt denn seine Allmacht? –

Kurz, wenn man euern Gott mit dem wirklichen Leben messet, dann will es nicht zusammen passen, und man sieht, euer Gott ist nichts als Dunst aus dem Brei eures Gehirns; euer Einbildungsgott gleicht einem Schneemann: er hat kein Herz, keine Wärme, keine Kraft und kein Leben. Hingegen der über Himmel und über die Hölle zu verfügen hat und über eure arme Seele, der ist ein ganz anderer Gott, den ihr vielleicht aus eurer Kindheit noch gekannt, ihm aber schon lange den Rücken gekehrt habt; es ist der Christengott.

Dieser wahre, lebendige Gott hat uns offenbaren lassen, was die Leiden auf Erden zu bedeuten haben. Ein berühmter Kirchenlehrer des Altertums, Tertullian, sagt: Deus patiens, quis aeternus, zu deutsch: Gott ist geduldig, weil er ewig ist. Gerade weil der Ewige auch deine Ewigkeit jetzt schon sieht, darum kann er es ruhig ansehen, wenn du ein sündhaftes, gottvergessenes Leben führst; er gönnt dir die paar angenehmen Augenblicke des irdischen Lebens, wie er sie dem reichen Prasser gegönnt hat, weil er zugleich die ewige Qual ansieht, in welche dich bald der Tod hinab stürzen wird. Dein lustiges Leben ist die Henkers-Mahlzeit, die man dem Verbrecher vor seiner Hinrichtung gibt. Darum sagt der Heiland: „Weh euch, ihr Satten, weh euch, die ihr jetzt lacht!“ –

Und weil Gott ewig ist, kann er es auch ruhig ansehen, wie der gute Christ von mannigfachem Jammer und Elend und Not geplagt wird. Gott sieht auch die Ewigkeit desselben und sieht, wie gerade die Leiden auf Erden jenem behilflich sind, um eine unendliche Fülle von Herrlichkeit jenseits zu erreichen. Darum haben christlich erleuchtete Seelen auch ein so großes Verlangen nach Leiden gehabt und darum gebetet; die hl. Theresia hatte zum Spruch: Leiden oder sterben; und die hl. Magdalena von Pazzi pflegte zu sagen: Nicht sterben, sondern leiden.

Der dreieinige Gott aber, an den wir Christen glauben und auf dessen Namen wir getauft sind, ist heilig, eine unendlich heilige Majestät. Und darum ist die Sünde ein unermessliches Verbrechen, und darum ist das ganze menschliche Geschlecht in so viel Wahnsinn und Elend und Zwietracht geraten, eben weil es sich durch die Sünde von dem heiligen Gott losgerissen hat. Ungeachtet der Mensch ursprünglich schön, nach dem Ebenbild Gottes geschaffen ist, so ist er jetzt in der Sünde vor Gott so hässlich wie ein ausgerissenes Aug, oder eine brandig gewordene abgehauene Hand, oder ein halb verwester Leichnam. Weil aber Gott seinem tiefsten Wesen nach lauter Heiligkeit ist, so muss er deshalb ewig die Sünde hassen; und wer daher in der Sünde stirbt, der stürzt in die Verdammung und bleibt darin, solange der heilige Gott im Himmel ist.

Nur eine einzige Rettung vor ewiger Höllenqual ist dem Todsünder angeboten. Die Reue allein und der gute Vorsatz tut es nicht, so wenig ein Mörder mit Reue die Mordtat ungeschehen machen, so wenig der Vorsatz den Ermordeten wieder lebendig machen kann. In jeder Sünde steckt etwas Ewiges, sie ist ein Brandmal in der unsterblichen Seele. Das einzige Rettungsmittel und Lösegeld für die Beleidigung der göttlichen Majestät muss so schwer wiegen, und so unendlich groß sein als die ewige Höllenqual von Millionen Seelen. Und ein solches Lösegeld hat die heilige Liebe Gottes gefunden, der retten will, was noch zu retten ist, sei es auch um einen unermesslichen Preis. Der Sohn Gottes hat menschliche Natur angenommen, hat in tiefster Treue dem Vater gedient und in reinster Unschuld die schrecklichsten Strafen übernommen, und hat diesen gehorsam und dieses Leiden für uns aufgeopfert. Und in Betracht, daß dieses Opfer vom Gottmenschen göttlich groß ist, so reicht es auch für alle Sünder der Welt hin, welche in wahrer Bekehrung und im Sakrament der Buße zu Christus sich wenden.

So lehrt das Christentum; wer aber einen andern Gott lehrt, einen Gott ohne Hölle und ohne Blut Christi, der lehrt einen falschen Gott. Wer aber den einzig wahren lebendigen Gott, wie ihn das Christentum lehrt, leugnet und einen Gott nach einem Kopf modelt, der ist nicht nur ein Lügner, sondern auch ein Mörder der ärgsten Art. Er ist der Gesinnung nach ein Mörder Gottes, d. h. er möchte den wahren Gott austilgen und zu nichts machen, indem er nicht mehr an ihn glaubt und auch andere Leute und den Glauben zu bringen sucht. Und er ist dadurch ein Mörder auch an Menschenseelen; er versperrt ihnen den Weg zu dem Gekreuzigten, wo sie allein Vergebung der Sünden und Rettung vor der ewigen Verdammung finden können; er zerreißt dem armen Sünder den Wechsel, wodurch er seine Seele lösen könnte. Wer aber Zeitungen oder andere Schriften liest, welche von glaubensfeindlichen Menschen geschrieben werden, der wird ein Selbstmörder an seiner eigenen Seele. Statt besonnen und wachsam vorwärts zu schreiten auf dem schmalen Weg der christlichen Gebote, gleicht er einem Menschen, der in kalter Winternacht auf dem Heimweg viel Schnaps trinkt, der Schläfrigkeit nachgibt, sich hinlegt und morgens als steif gefrorene Leiche gefunden wird. –
aus: Alban Stolz, ABC der großen Leute, 1913, S. 56 – S. 61

Tags: Sünde

Verwandte Beiträge

Gottselige Margaretha vom Kreuz
Die Reliquien des Passionsblutes Christi