Heiligenkalender
30. Januar
Heilige Adelgundis Äbtissin
Die heilige Adelgundis, geboren 630 im Hennegau, stammte von der Familie der Könige Frankreichs. Nie ergab sie sich den Weltvergnügungen und Eitelkeiten des Hoflebens, sondern trachtete allein nach dem, was himmlisch und ewig ist. Da sie sich einst mit Betrachtung der himmlischen Güter beschäftigte, vernahm sie eine deutliche Stimme, die zu ihr sprach: „Suche dir keinen andern Bräutigam, als den Sohn Gottes.“ Jederzeit hatte sie die jungfräuliche Reinigkeit geliebt und sich ihrer mit treuer Sorge beflissen; auf dies Wort von Oben beschloss sie, dieselbe ihrem Herrn und Gott durch ein Gelübde zu opfern. Schwere Prüfungen kamen deshalb über sie. Kaum hatte sie das 13. Jahr erreicht, so wurde sie von Endo, dem Sohne des Königs von England, zur Ehe begehrt. Die Eltern willigten sogleich ein; Adelgund aber sprach: „Ich habe mich schon mit einem andern Bräutigam vermählt, der weit schöner, mächtiger und reicher ist, als derjenige, welcher mich verlangt. Ich kann und werde ihm nicht untreu werden.“ Zu der Schwester, die ihr riet, die angebotene Ehe nicht auszuschlagen, sagte sie: „Du sollst wissen, meine Schwester, daß ich entschlossen bin, lieber zu sterben, als meine jungfräuliche Reinigkeit zu verlieren.“
Indessen starb ihr Vater Walbert. Die Mutter drang noch heftiger in sie, als vorher der Vater getan, bestimmte den Tag der Hochzeit und traf hierzu alle Anstalten. Adelgundis nahm ihre Zuflucht zu Gott durch Gebet und Bußwerke. Gott half; denn die Mutter wurde plötzlich krank und starb. Die keusche Jungfrau bedauerte zwar den Tod ihrer Eltern, erkannte aber und lobte die göttliche Vorsehung, welche ihr in ihrer äußersten Not so wunderbar beistand. Allein es war noch nicht alle Gefahr vorbei. Endo, der königliche Prinz, verlangte, Adelgundies sollte den Willen und das Versprechen ihrer Eltern erfüllen. Sie aber blieb unbeweglich bei ihrem Entschluss. Um allen weiteren Anträgen und Gefahren zu entgehen, ergriff sie heimlich die Flucht aus dem väterlichen Palast. Endo bekam sogleich Nachricht davon, setzte ihr mit seinem Bedienten nach; kaum hatte er sie erblickt, so rief er ihr mit lauter Stimme zu, sie sollte stille stehen. Jedoch Adelgundis eilte dem nächsten Fluss, der Sambre, zu, erhob ihre Augen zum Himmel und rief Gott um Schutz an. Der Allerhöchste, der Liebhaber und Beschützer keuscher Seelen, zeigte durch ein Wunder, wie angenehm ihm diese Treue der keuschen Jungfrau war; denn er schickte ihr einen Engel, der sie über den Fluss mit trockenem Fuße bis an das Gestade führte. Daselbst sagte sie auf ihren Knien Gott dem Herrn Dank, verfügte sich nach Haumont zu dem heiligen Bischof Amandus von Maastricht, und dann begab er sich zum heiligen Bischof Aubertus von Cambrai, erzählte ihm alles, was vorgegangen, und bat ihn, er wolle sie in ein Kloster aufnehmen. Der Heilige willfahrte ihrer Bitte mit Freuden.
Bei der Einkleidung sah man eine schneeweiße Taube, welche ihr den geweihten Schleier auf das Haupt legte. Bald darauf ließ sie in dem Wald, Maubeuge genannt, im Hennegau, aus ihrem reichen Erbteil ein Frauenkloster bauen, das denselben Namen Maubeuge erhielt. Sie musste demselben als Äbtissin vorstehen, was sie auch zum größten Trost und Nutzen der Untergebenen getan hat; denn sie ging allen mit den schönsten Tugend-Beispielen voran. Ihren Leib tötete sie mit strengem Fasten, langem Wachen und anderen Bußwerken ab. An Verrichtung der niedrigsten Arbeiten hatte sie ihre größte Freude. Im Gebet glich sie mehr den Engeln als den Menschen; so groß war ihre Eingezogenheit, Ehrfurcht und Andacht. Die Armen sahen sie als ihre Mutter an; denn alles, was sie von der Erbauung und Stiftung des Klosters und der Kirche übrig hatte, verwendete sie zum Trost derselben. Gott der Herr ließ auch zur Vermehrung ihrer Verdienste zu, daß sie schmählich verleumdet wurde. Adelgundis betrübte sich anfangs darüber, weil sie unschuldig war, und rief zu Gott um Hilfe durch eifriges Gebet. Gott schickte ihr einen Engel, der sie tröstete mit den Bedeuten: „Dieses ist der rechte Weg zum Himmel, wenn man unschuldig mit wahrer Geduld leidet.“
Vor ihrem Ende, welches sie aus göttlicher Offenbarung vorher erkannte, verlangte sie von Gott, noch etwas auf dieser Welt zu leiden. Gott erfüllte ihr Verlangen; ein übel riechendes Krebsgeschwür ergriff sie, das nach und nach um sich fraß und ihr sehr empfindliche Schmerzen verursachte; sie ertrug dieselben aber mit wunderbarer Geduld. Als es zum Sterben kam, erschien ihr der Satan und wollte sie verzagt machen, unter dem Vorwand, es wäre noch gar viel zu leiden übrig, und des ungeachtet hätte sie noch keine Versicherung, daß sie würde selig werden. Allein die heilige Adelgundis ließ sich nicht unruhig oder verzagt machen, sondern rief mit lauter Stimme: „Gott ist mein Helfer, Auf diesen habe ich gehofft, und auf diesen will ich allzeit hoffen.“ Bald darauf entschlief sie ganz ruhig und getröstet im Herrn den 30. Januar um das Jahr 680. Ihre Schwester Waldetrudis, welche im Frauenkloster zu Mons Äbtissin war, sah in dem Augenblick, als Adelgundis verschied, wie ihre Seele von der Mutter Gottes in Begleitung vieler Engel und heiligen Jungfrauen in den Himmel geführt wurde. Der heilige Leib blieb lange Zeit unverwest und gab einen außerordentlich lieblichen Geruch von sich. Gott verherrlichte sie im Leben und nach dem Tode durch viele Wunder. Die heilige Adelgundis ist Schutzpatronin gegen Krebsleiden. –
aus: Wilhelm Auer, Kapuzinerordenspriester, Goldene Legende Leben der lieben Heiligen Gottes auf alle Tage des Jahres, 1902, S. 67 – S. 69