Unsere Liebe Frau im Walde (Senale) oder auf dem Gampen in Tirol
Von dem schönen Marktflecken Fondo aus gelangt man in etlichen Stunden an den Novella-Bach dahin wandelnd in die höher liegenden Ortschaften gegen den Gampen, wo ein Gebirgsübergang gegen Tisens und Meran sich auftut. Die Bewohner dieser Ortschaften sind fast alle deutsch und gehören zum Volksstamm der Ultener.
Die bedeutendste Gemeinde ist die Pfarre U. L. Frau im Walde, auch Senale genannt, mit dem berühmten Gnadenbild der Gottesmutter, welche so gerne an abgelegenen Orten ihren Gnadenthron aufrichtet. – Die Volkssage erzählt, daß dieses Bild im Wald auf wunderbare Weise gefunden wurde, daher auch der Name „U. L. Frau im Walde“, und nachdem man an mehreren Orten eine Kirche erbauen wollte, immer wieder auf dem Platz gefunden wurde, wo jetzt die Kirche steht. – Das Bild ist aus gebranntem Lehm zierlich mit Farben bemalt, von ziemlicher Größe und stellt Maria sitzend mit dem göttlichen Kinde auf ihrem Schoß vor.
Schon im Jahre 1185 stand neben der Kirche ein Kloster, und die Kloster-Geistlichen, welche für die zahlreichen Pilger die Seelsorge ausübten, wurden Brüder der heiligen Maria von Senale genannt. Da dieses Kloster dem Verfall nahe war, schenkte selbes im Jahre 1224 Bischof Gerard von Trient dem Augustiner-Kloster in der Au zu Bogen mit der Verbindlichkeit, einen Prior oder Rektor und andere Ordensbrüder für die Seelsorge herzustellen, die es auch inne hatten bis zur Aufhebung des Klosters im Jahre 1807.
Da das Kloster Gries im Jahre 1846 den aus dem Kloster Muri in der Schweiz vertriebenen Benediktinern vom Kaiser Ferdinand geschenkt und diese Schenkung vom Papst Gregor XVI. Bestätigt wurde, übernahm das Stift 1856 wieder diese Seelsorge. – Im Laufe der Jahrhunderte bis zur neuesten Zeit fanden in der großen, gotischen Gnadenkirche viele Gebetserhörungen statt, wovon die vielen Votivtafeln, welche die Wände der Kirche bedeckten, Zeugnis geben. Pfarrer Joseph Thyrler, ein großer Verehrer der Gottesmutter und eifriger Beförderer ihrer Verehrung, hinterließ ein Verzeichnis vieler solcher Gebets-Erhörungen in verschiedenen Krankheiten und anderen Anliegen, die jedoch ihrer großen Ausdehnungen wegen hier keinen Platz finden können.
Gott allein weiß die große Anzahl derjenigen, die an diesem Gnadenort in den weit gefährlicheren Zuständen ihrer unglücklichen Seelen Hilfe gefunden, wie es Mehrere selbst zur Ehre der L. Frau bekannten, daher wohl recht passend auf dem Tabernakel des Gnadenbildes die Worte stehen:
„Eilet zur Helferin“ (Gefällige Mitteilung v. P. K…) –
aus: Georg Ott, Marianum Legende von den lieben Heiligen, Zweiter Teil, 1869, Sp. 2680 – Sp. 2681