Der heilige Notker der Stammler Mönch

Jesus Christus mit seinen Heiligen, die ihm Verehrung zollen und ihn anbeten

Heiligenkalender

8. April

Der heilige Notker steht im Arbeitsraum des Klosters und betrachtet ein Bild seines Mitbruders; um sie herum sieht man Mönche, die arbeiten: im Vordergrund vervielfältigt einer ein Buch, m Boden sind weitere Bücher zu sehen; im Hintergrund arbeitet einer an einer Marienstatue

Heiliger Notker der „Stammler“ Mönch

In Elg, einem Pfarrdorf an der Ostgrenze des heutigen Kantons Zürich, steht das Stammschloss, in welchem 830 Notker geboren wurde. Von Seite des Vaters mit dem heiligen Kaiser Karl dem Großen, von Seite der Mutter mit dem sächsischen Fürstenhaus verwandt, verherrlichte er den Adel seiner Geburt durch die wahrhaft fürstliche Größe seines Geistes und Herzens. Der muntere Knabe kam schon 482 in die berühmte Klosterschule von St. Gallen, in welcher die fränkischen, alemannischen und sächsischen Fürstensöhne von den Söhnen des hl. Benedikt gebildet wurden, und gerade damals, als Iso, der ausgezeichnetste Gelehrte seiner Zeit, die Leitung hatte. Wie der kleine „Stammler“ (Notker stieß beim Sprechen an) in den wissenschaftlichen Fächern allen seinen Mitschülern vorauseilte, ebenso übertraf er sie bei weitem an Innigkeit des Gemütes und an gottseligem Sinn.

Zum stattlichen Jüngling aufgewachsen, sah Notker mehr einem himmlischen Wesen als einem sterblichen Menschen gleich; stets fand man ihn betend oder studierend. Die große Welt, zu deren prunkvollen Ehren und rauschenden Vergnügen ihm der Weg geebnet war, verachtend, wählte er sich die enge Klosterzelle in St. Gallen zur lebenslänglichen Wohnung und weihte sich durch feierliche Gelübde dem Dienst des Allerhöchsten.

Die Strenge seiner Bußübungen begründete und rechtfertigte er durch seine Überzeugung: „daß die Reinheit des Geistes und die Unschuld des Herzens sich nicht bei denen finde, welche üppig leben.“ Keinen Schritt tat er aus dem Kloster ohne besondern Befehl der Oberen, und vor Frauenspersonen, selbst denen seiner nächsten Verwandtschaft, erschien er immer mit geschlossenen Augen. So liebreich und höflich sein Benehmen gegen Jedermann war, so unterließ er doch nie, die mutwilligen Scherze seiner Mitschüler zu tadeln mit der ernsten Mahnung: „Wir müssen von jedem unnützen Wort Rechenschaft geben.“ Mit Vorliebe verrichtete er die niedrigsten Dienste, vorzüglich bei den Kranken. Die geheiligte Macht seines inneren Geisteslebens spiegelte sich ab in seinen Gesichtszügen und verlieh denselben einer überirdische Anmut.

Das Auge, welches ihn sah, war entzückt; das Ohr, welches ihn hörte, war erfreut und lange nach seinem Tode noch weinten die Mitbrüder Tränen der sehnsüchtigen Liebe, so oft von Notker die Rede war.

Unsterbliche Verdienste um das Kirchenlied und den Choralgesang im ganzen Abendland hat sich das dichterische und musikalische Talent dieses Mönches erworben, und Jahrhunderte lang wurden seine innig frommen Lieder beim Gottesdienst gesungen. Ein Bewunderer seiner himmlischen Kunst sagt mit Recht: „Bei Anhörung dieser göttlichen Gesänge wird das Gemüt erweitert, die Seele über sich selbst erhoben und geistig verklärt. Der heilige Gesang tröstet trauernde Gemüter, stimmt zur Freude müde Herzen und führt oft die Sünder zur Reue, daß sie, mehr von der Süßigkeit des Gesanges als durch die Worte bewegt, ihre Sünden beweinen und zu Gott sich bekehren.“ (siehe dazu auch den Beitrag: Der heilige Notker Geistlicher Gesang)

Doch nicht bloß ein Meister in der himmlischen Harmonie war Notker, sondern auch ein gesuchter Ratgeber in geistlichen und weltlichen Angelegenheiten. Kaiser Karl der Dicke erbat sich oft in Gewissenssachen, in Regierungs-Geschäften seine Belehrung. Der kaiserliche Briefbote traf ihn einst im Klostergarten beschäftigt, wie er Unkraut jätete, Pflanzen versetzte, andere begoß, und bat ihn um eine Antwort für seinen Herrn. „Melde dem Kaiser“, sprach Notker, „was du mich jetzt tun siehst, nichts Anders.“ Karl bemerkte dem Boten auf diese kurze Antwort: „Du hast mir genug gemeldet“: denn er kannte die Lehre des Heiligen: „Glücklich der Fürst, welcher die Leidenschaften aus dem Garten seines Herzens entfernt, und groß sind seine Verdienste, wenn er in der Kirche Gottes, die zu schirmen seine Pflicht ist, Irrtümer und Laster ausrottet und die Tugenden unter den Menschen fördert“ – aber der dicke Karl befolgte sie nicht treu.

Der Kaiser besuchte ihn bisweilen in St. Gallen. Einmal hatte er einen stolzen Hofkaplan bei sich, welcher kein Freund der Klöster und Mönche war. Dieser besichtigte mit andern Hofherren das Kloster, die Kirche und den Chor, traf dort gerade den Notker im Gebet und sprach spöttisch zu seinen Begleitern: „Seht, dieser dort soll der größte Gelehrte im ganzen Reich sein: ich will ihn nun auf die Probe stellen und um etwas fragen, was er sicher nicht zu beantworten weiß.“ Zu Notker hintretend sprach er: „Diener Gottes, mit den himmlischen Dingen wohl vertraut, sag ` uns doch: was tut gerade jetzt der liebe Herrgott im Himmel?“ Der Betende erhob ernst sein Haupt und antwortete: „Er tut jetzt, was er Er immer getan hat und bald an dir tun wird: Er erhöht die Demütigen und erniedrigt die Stolzen.“ Beschämt ging der Hofkaplan weiter und erfuhr bald die Wahrheit dieser Prophezeiung. Bei der Abreise des Kaisers, als das glänzende Gefolge zum Tor hinaus ritt, bäumte sich das Roß des Hofkaplans und warf ihn ab, so daß er im Straßenkot das Gesicht zerschlug und einen Fuß brach. Ins Kloster zurück gebracht und von brennenden Schmerzen geplagt, bat er Notker demütig um Verzeihung und um den heiligen Segen. Dieser betete über ihn, und sogleich hörten die Schmerzen auf; in wenigen Tagen war er genesen und konnte dem Kaiser folgen.

Die letzten Jahre seines Greisenalters widmete der Diener Gottes ausschließlich dem Gebet und der Vorbereitung auf den Heimgang in die Ewigkeit. Nach längerem Kränkeln entschlief er sanft, wie er gelebt hatte, versehen mit der himmlischen Wegzehrung, am heutigen Tage 912. Sein Grab machten viele Wunder glorreich; seine Kanonisation, welche schon Papst Innozenz III. gerne vollzogen hätte, geschah erst 1513 durch Papst Julius II. Seine heiligen Gebeine, wie jene des hl. Otmar, welche in den Stürmen von 1529 nach Einsiedeln geflüchtet wurden, werden in St. Gallen verehrt.-
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 261 – S. 263

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