Heiligenkalender
5. April
Die heilige Juliana von Lüttich Klosterfrau
Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, daß Du dies vor Weisen und Klugen verborgen, Kleinen aber geoffenbart hast.“ (Matth. 11) Dieses Dankgebet hat Jesus auch für Juliana gesprochen, welche 1193 zu Retinnes bei Lüttich von nicht minder frommen als reichen und adeligen Eltern geboren wurde. Erst fünf Jahre alt, war Juliana schon eine Waise und wurde den Spitalschwestern zu Corneliberg zur Erziehung übergeben. Sie zeigte eine rastlose Lernbegierde und einen ungewöhnlichen Sinn für die Frömmigkeit. In kurzer Zeit wußte sie das Psalterium auswendig und las die heilige Schrift, die Bücher des hl. Augustin und Bernard mit tiefem Verständnis; doch versäumte sie keine Arbeit, und die geringste war ihr die liebste. Sie fastete sehr streng, machte aus ihrer ganzen Tätigkeit ein fortwährendes Gebet und hatte ihre einzige Freude, an Maria und an Jesus in der heiligen Hostie auf dem Altar. Wenn die Schwestern sie drängten zu essen und fragten, was sie gerne möchte, antwortete sie anmutig lächelnd: „Das bessere möchte ich gern“: sie meinte damit die heilige Kommunion; denn an ihr erfüllte sich das Wort der heiligen Schrift: „Die Mich essen, hungern immer, und die Milch trinken, dürsten immer.“ (Sir. 24, 29)
Ihre Bitte um Aufnahme in den Orden wurde ihr gerne gewährt, und nach dem Tode der Vorsteherin mußte sie schon bei der ersten Wahl die Verwaltung des Klosters übernehmen, so schwer auch ihrer großen Demut und jungfräulichen Schüchternheit dieses Opfer fiel. Gottes Güte unterstützte sie in ihrer Ängstlichkeit durch die besondere Gabe, daß sie im geist Zukünftiges und weit Entferntes klar erkannte und oft das Innere der Personen durchschaute, mit denen sie redete. Mit weiser Mutterliebe leitete sie ihre geistlichen Töchter auf dem schmalen Weg zur Vollkommenheit und half vielen Bedrängten, Kranken und Versuchten durch ihr Gebet und ihren Rat.
Unterdessen war ihre reine und begnadigte Seele reif geworden, das große Werk an die Hand zu nehmen, wozu die göttliche Vorsehung sie auserwählt hatte. Schon vom sechzehnten Altersjahr an zeigte sich ihr während des Gebetes eine wunderbare Erscheinung: sie sah nämlich den vollen Mond im schönsten Glanz, jedoch eine Stelle in der Scheibe verdunkelt, als wäre sie heraus gebrochen. Sie konnte sich dieses Gesicht nicht erklären, und es wurde ihr allmählich sehr peinlich, weil sie es, so oft sie dem Gebet oblag, beständig vor Augen hatte und mit aller Anstrengung nicht entfernen konnte. Sie hielt es am Ende für eine Versuchung, betete inständig und flehte Andere um ihre Fürsprache an, daß doch der barmherzige Gott sie davon befreien möchte. Doch die Erscheinung dauerte fort, und deshalb bat sie Jesus mit Tränen, sie doch erkennen zu lassen, ob dieses Gesicht etwas bedeute, oder nur eine Versuchung sei.
Endlich erklärte ihr Jesus selbst: „Der Mond bedeutet die katholische Kirche, der dunkle Fleck darin aber den Abgang eines festes zu Ehren des heiligen Altarssakramentes, welches Ich von den Gläubigen der ganzen Erde gefeiert wissen will: mein Wille ist es, daß die Erinnerung an die Einsetzung desselben alljährlich besonders und feierlicher begangen werde, als dies am Grünen Donnerstag geschehen kann, wo die Gläubigen mehr mit der Betrachtung meines Leidens beschäftigt sind.“ Zugleich gab Er ihr den Auftrag, diesen seinen Willen der Welt zu verkünden. Juliana entschuldigte sich demütig mit ihrer Unwürdigkeit und Schwäche und bat innig, der süße Jesus wolle doch gelehrte und heilige Priester mit dieser erhabenen Angelegenheit betrauen; allein die Erscheinung dauerte fort. Endlich nach 20jährigem Beten und Weinen teilte sie die erhaltene Offenbarung dem Johann de Lausenna, Domherr in Lüttich, dem Erzdiakon Jakob von Troyes, dem Dominikaner-Provinzial Hugo, dem Bischof Guiard von Cambrai und andern gelehrten Männern mit, welche sich über diese Anregung sehr freuten und den Bischof Robert von Lüttich vermochten, daß er 1246 dieses Fest für seine Diözese anordnete. Juliana machte nun die Sache in weiteren Kreisen bekannt. Der Sturm dagegen blieb nicht aus; Tausende fragten: „Zu was noch eine neue Feier? Ist`s an der täglichen heiligen Messe nicht genug? Wieder ein Festtag mehr! Und noch gar von einer Schwärmerin, von einer überspannten Nonne!“
Weil die Hölle dieses Fest nicht vereiteln konnte, rächte sie sich furchtbar an Juliana mittelst eines mehr eigensinnigen als böswilligen Priesters, der sich in die Verwaltung ihres Klosters eindrängte. Weil Juliana die Stiftungs-Urkunde ihm nicht anvertraute, klagte er sie in Lüttich des Diebstahls an und hetzte die Bürger so sehr auf, daß sie das Kloster stürmten und die Schwestern mißhandelten. Juliana war noch rechtzeitig entflohen, wurde jedoch von einem Kloster in das andere verfolgt, bis sie endlich in Fosses Ruhe fand; aber auch bald den Schmerzen einer Krankheit, welche sie mit herzlichstem Dank von Jesus annahm wie alle bisherigen Verfolgungen, unterlag. Am 5. April 1258, an einem Freitag und zu der Stunde, in welcher Jesus am Kreuz sein sein Liebesopfer vollendet hatte, übergab sie ihre Seele in die Hände des Bräutigams; auffallende Wunder verherrlichten ihr Grab.
Das Werk der heimgegangenen Juliana beförderten mit großem Eifer der erwähnte Provinzial Hugo, welcher inzwischen zum Kardinal und päpstlichen Legaten erhoben worden, und Johann von Troyes, welcher 1261 als Urban IV. den Stuhl Petri bestieg. Dieser Papst wurde in seiner Begeisterung für das heilige Fronleichnamsfest noch wesentlich bestärkt durch das Wunder zu Bolsena. Ein frommer Priester war von heftigen Zweifeln über die wirkliche Gegenwart Jesu Christi in der heiligen Hostie gequält. Als er einst zu Bolsena das heiligste Meßopfer feierte, fielen bei der Wandlung aus der aufgehobenen heiligen Hostie Blutstropfen auf das Korporale. In seinem Schrecken wollte er das Geschehene verbergen und legte das Korporale zusammen; aber das Blut durchdrang das Korporale, ließ überall runde, rote Flecken mit der deutlichen Gestalt einer Hostie zurück, und vier Tropfen fielen ihm auf die Marmorplatte des Fußbodens. Nun war es dem Priester unmöglich, diesen Vorfall weiter zu verheimlichen. Ganz bestürzt eilte er in das nahe Orvieto, wo Urban IV. gerade Hof hielt, und bekannte reuevoll seine früheren Zweifel und sein jetziges Vergehen. Der Papst prüfte genau die Sache, überzeugte sich an dem blutbefleckten Korporale von der Wahrheit dieses Wunders und zögerte nun nicht mehr (im Jahre 1264), die Bulle auszufertigen, in welcher er die Feier des Fronleichnamsfestes mit Oktav auf den Donnerstag nach dem heiligen Dreifaltigkeits-Sonntag für die ganze Christenheit anordnete, wozu die hl. Juliana den ersten Anstoß gegeben hatte.
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 256-258
siehe auch den Beitrag: Die Entstehung des Fronleichnams-Festes durch die heilige Jungfrau Juliana