Vom Verlangen nach dem Tod und von dem Selbstmord
Es gibt leider viele Christen, welche aus Missmut über ihre unglückliche Lage, aus Traurigkeit über ihre Trübsale und Leiden den Tod herbei wünschen und ausrufen: „O wenn ich nur sterben könnte, o wenn mich doch der Tod abholen würde!“ Die so reden, scheinen gar nicht zu wissen, daß Unglück, Armut, Krankheit, Leiden, Trübsal nur scheinbare Übel sind, die uns Gott entweder zur Züchtigung für unsere Sünden oder zur Prüfung schickt; sie scheinen gar nicht zu wissen, daß ohne Kreuz Niemand in den Himmel eingehen kann; ja daß Leiden und Trübsale uns zu Gott hinführen, während ein sorgenfreies Leben gewöhnlich den Menschen übermütig und gottvergessen macht. Mit dem Grab hat die Seele des Menschen noch keine Ruhe. Wer hier hier nicht leiden will, muss in der anderen Welt leiden. „Hat ja Christus, wie er selbst sagt, leiden müssen, um so in seiner Herrlichkeit einzugehen.“ Darum sagt auch der heilige Petrus: „Christus hat gelitten und euch ein Beispiel hinterlassen, damit ihr in seine Fußstapfen eintretet.“ Wohl haben die Heiligen sich auch nach dem Tod gesehnt und denselben sehnsüchtig herbei gerufen; der heilige Apostel Paulus seufzte oft: „Ich möchte aufgelöst werden und bei Christus sein!“ Zu dieser Sehnsucht trieb sie aber allein die Liebe zu Jesus und die Furcht, durch eine Sünde ihren Heiland zu verlieren. Wegen Leiden, wegen Trübsal hat noch kein Heiliger den Tod gerufen; vielmehr haben Alle nach Leiden verlangt, haben sie gesucht und wenn sie von Leiden heimgesucht wurden, in denselben geduldig ausgeharrt im Hinblick auf Jesus den Gekreuzigten.
Ein wahrer Christ wünscht sich also nie den Tod, wenn Trübsal und Leiden auf ihm lasten; noch viel weniger aber sucht er durch den Tod den Leiden zu entkommen. Leider aber gibt es Menschen, die so mutlos, feige und unsinnig sind, daß sie sich selbst ums Leben bringen, wenn sie in irgend ein Unglück oder Leid geraten oder tief in Laster versunken an ihrer Bekehrung verzweifeln. Solche Menschen haben ihren Glauben an Gott, den Allmächtigen, und ihr Vertrauen auf Gott, den Gütigen und Barmherzigen verloren. Sie folgen dem Judas nach, der verzweifelte, und teilen mit ihm das Los der ewigen Verdammnis. Niemand hat sich das Leben selbst gegeben, er darf sich also dasselbe auch nicht nehmen. Niemand darf in die Rechte Gottes eingreifen, der uns das Leben gegeben und allein die Macht über dasselbe hat. Der Selbstmord ist also ein entsetzliches Verbrechen und die heilige katholische Kirche verabscheut dasselbe so sehr, daß sie dem Selbstmörder sogar das kirchliche Begräbnis versagt. –
siehe auch die Beiträge:
Selbstmord eine fluchwürdige Handlung
Selbstmord Sünde gegen das fünfte Gebot
O christliche Seele! Stehe allzeit fest im Glauben und Vertrauen auf den allmächtigen und gütigen Vater im Himmel, der jedem Sünder, der reumütig zu ihm sich wendet, die Gnade der Bekehrung verleiht, der alle Haare deines Hauptes gezählt hat und Alles zu deinem Besten lenkt. Verzage und verzweifle nie, sondern wirf vielmehr all deine Sorge auf ihn, er sorgt für ich, er verläßt dich nicht; er schlägt dir Wunden und heilt sie wieder; und wenn du standhaft ausgelitten und ausgestritten, nimmt er dich zu seiner Zeit auf in seine Ruhe, die er für alle bereitet hat, die ihn fürchten und lieben!
Gebet.
Mein Gott und Vater, verleihe mir gnädig, daß ich in keiner Lage meines Lebens das Vertrauen auf dich verliere; sondern daß ich in all meinen Nöten zu deiner Vater-Güte und Liebe meine Zuflucht nehme und standhaft ausharre in Leid und Kreuz bis zum Ende. Amen. –
aus: Georg Ott, Legende von den lieben Heiligen Gottes, Bd. 1, 1904, S. 211 – S. 212