Über den Wert der zeitlichen Güter

 Der Wert der zeitlichen Güter

Es mag dich wundern, daß die hl. Julitta wegen ihrer zeitlichen Güter den Schutz des Gerichtes angerufen und gegen den gewalttätigen Räuber derselben einen Prozeß angefangen hat; denn die heiligen pflegten nicht derartige Prozesse zu führen, und der hl. Paulus riet den Christen, sich lieber Unrecht antun zu lassen, als ihre Klagen vor heidnische Richter zu bringen (1. Kor. 6) Allein du wirst dich nicht mehr wundern, wenn du bedenkst, daß die heilige Julitta sehr wahrscheinlich Mutter mehrerer Kinder war, deren Ausbildung und Erziehung ihr am herzen lag: wenn du bedenkst, daß die zeitlichen Güter auch ihren Wert haben.

1. Ihr Wert ist ein hoher, weil sie Geschöpfe und Geschenke Gottes sind, Werke seiner Allmacht, Weisheit und Güte und deshalb von den Menschen geachtet und geschätzt zu werden verdienen; weil ihr Besitz von Gott durch das siebente Gebot dem rechtmäßigen Eigentümer geheiligt und gegen ungerechte Eingriffe umfriedet ist mit der Strafandrohung, daß die am Eigentum des Mitmenschen begangene Sünde nicht verziehen wird, bevor der zugefügte Schaden ersetzt ist; weil sie das vom Schöpfer angeordnete Mittel sind, dessen der Eigentümer zu seiner Leiblichen und geistigen Ausbildung, wie auch zur Erfüllung seines häuslichen und gesellschaftlichen Berufes bedarf; weil sie in der Hand des Reichen ein Schatz sind, damit er im Namen Jesu und aus Liebe zu Jesus davon austeile an die Armen, die Nackten kleide, die Hungrigen speise und die Kranken erquicke, die göttliche Barmherzigkeit nachahme und verherrliche.

2. Ihr Wert ist ein bedingter, d. h. sie dürfen nur ihrem Wesen und ihrer Bestimmung gemäß taxiert werden. Die zeitlichen Güter sind ihrem Wesen nach eben vergänglich, und folglich darf der Mensch, der eine unsterbliche Seele hat, sie niemals so hoch schätzen wie seine eigene Seele oder wie den ewigen Gott und Herrn selbst. Die zeitlichen Güter sind ihrer Bestimmung nach nur Mittel, deren sich der Mensch bedienen soll zu seiner leiblichen und geistigen Ausbildung, zu seinem Unterhalt und zur Betätigung seiner Gottes- und Nächstenliebe. Gebraucht er sie aber auf eine ihrer Bestimmung und dem Willen des Schöpfers widersprechende Weise, benützt er sie zu sündhaften Zwecken, zur Befriedigung des Stolzes, des Geizes, der Genusssucht oder anderer Leidenschaften, dann werden sie zu Klägern wider ihn. –

Deshalb hat die hl. Julitta für ihre zeitlichen Güter prozessiert nur so lange, als es ohne Verletzung ihrer Pflichten und ihrer Bestimmung geschehen konnte; sie verzichtete aber gänzlich und freudig darauf, sobald der fernere Besitz derselben nur mittelst einer Verletzung ihres heiligen Glaubens, einer Beleidigung Gottes möglich war. Handle auch du nach diesem Grundsatz! –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 567 – S. 568

Tags: Ehestand

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