Aus des heiligen Bonaventuras „Sporn der Liebe“

Auszug aus des heiligen Bonaventuras „Sporn der Liebe“

Der heilige Bonaventura steht in seiner Priesterkleidung in einem schön ausgestatteten Zimmer,; er hält eine Schreibfeder in der rechten Hand und ein Modell eines Kirchleins in der anderen Hand

Das herrliche Büchlein „Sporn der Liebe“, vom hl. Bonaventura verfaßt, öffnet uns den Einblick in die Andacht, mit der er die Geheimnisse des Leidens Jesu betrachtete, und in seine kindliche Liebe zu Maria, die er bei diesen Betrachtungen um seine Zulassung zur Mitleidenschaft an ihren Qualen bittet. Er drückt sich also aus:

„Neben dem Kreuze Jesu stand seine Mutter. O meine Königin, wo warst du? Etwa nur neben dem Kreuze? Nein, nein, du warst an dem Kreuze mit deinem Sohne! Daran warst du mit Ihm fest genagelt, Er mit seinem Leib, du mit deinem Herzen: seine Wunden waren über seinen ganzen Leib ausgebreitet, und in deinem Herzen brannten sie vereinigt; da, o Königin, wurde dein Herz mit Dornen gekrönt, da mit Hohn, Spott und Schimpf übergossen, da mit Galle und Essig getränkt, da mit der Lanze durchbohrt. O Königin, warum wolltest auch du dich für uns opfern? War denn das Leiden des Sohnes nicht genügend, musste auch die Mutter mit Ihm gekreuzigt werden? O Königin, durchbohre unsere Herzen, erneuere in ihnen dein Leiden und das Leiden deines Sohnes: vereinige mit unsern Herzen dein verwundetes Herz, damit auch wir mit denselben Wunden durchbohrt werden. Warum besitze ich nicht zum wenigsten dein Herz, damit ich auf allein meinen Wegen unaufhörlich dich mit deinem Sohne gekreuzigt betrachten könnte? Wenn du mir deinen gekreuzigten Sohn nicht geben willst, wenn du mir dein von den Pfeilen des Leidens Jesu durchbohrtes Herz verweigerst, so beschwöre ich dich, gewähre mir wenigstens die Wunden deines göttlichen Sohnes, die Beschimpfungen, die Verhöhnungen, die Anschuldigungen, die Er erduldete … Ach, wie groß wäre meine Glückseligkeit, wenn ich mit Dir in deinen Qualen vereinigt sein könnte! Was gibt es wohl Wünschenswerteres, Gebieterin, als sein Herz mit deinem Herzen und mit dem durchbohrten Leib deines Sohnes vereint zu wissen? – Ich begehre nicht den Glanz der Sonne, nicht den Schimmer der Sterne, ich wünsche nur Wunden. Entweder nimm mir das zeitliche Leben oder verwunde mein Herz; denn Scham bedeckt mich, wenn ich meinen Herrn Jesus ganz zerschlagen sehe, wenn ich dich, meine Herrin, durch seine Schmerzen verwundet schaue, wenn ich mich, den unwürdigsten deiner Diener, ohne die geringste Pein fühle. Doch ich weiß, was ich tun werde: zu deinen Füßen liegend werde ich bitten ohne Unterlaß, bitten mit Seufzern und Tränen, ich werde laut schreien, und meine Zudringlichkeit wird sich so mehren, daß du am Ende mich gewiß erhörst.“ –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 530 – S. 531

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