Mahn- und Trostworte Jesu an seine Jünger

Die Mahn- und Trostworte Jesu an seine Jünger

Angesichts der bevor stehenden Trennung sprach Jesus noch weiter voll innigster Liebe zu seinen Jüngern: „Kindlein! Nur noch eine kleine Weile bin ich bei euch. Ihr werdet mich suchen; aber wie ich den Juden gesagt habe: Wo ich hingehe, dahin könnt ihr nicht kommen, so sage ich jetzt auch euch. (1) Ein neues Gebot gebe ich euch, daß ihr euch einander liebet, wie ich euch geliebt habe. (2) Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr euch lieb habt untereinander.“ (3)
Da fragte Simon Petrus: „Herr, wohin gehst du?“ (4) Jesus antwortete: „Wohin ich gehe, dahin kannst du mir jetzt nicht folgen; du wirst mir aber später folgen.“ Petrus sprach zu ihm: „Warum kann ich dir jetzt nicht folgen? Mein Leben will ich für dich hingeben.“ Jesus antwortete ihm: „Dein Leben willst du für mich hingeben? Wahrlich, wahrlich, sage ich dir, heute noch, in dieser Nacht, ehe der Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Simon, Simon! Siehe der Satan hat verlangt (5), euch sieben zu dürfen wie den Weizen (6); ich aber habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht aufhöre (7), und du, wenn du einst bekehrt bist, stärke deine Brüder.“
Und an alle sich wendend, sprach er: „In dieser Nacht werdet ihr euch alle an mir ärgern; denn es steht geschrieben: Ich will den Hirten schlagen, und die Schafe der Herde werden zerstreut werden. (8) Wenn ich aber auferstanden bin, werde ich euch voraus gehen nach Galiläa.“ Petrus (9) entgegnete: „Und wenn alle sich an dir ärgern, so werde ich mich doch niemals an dir ärgern; ich bin bereit, mit dir in den Kerker und in den Tod zu gehen.“ Und er redete noch mehr: „Und wenn ich zugleich mit dir sterben müßte, würde ich dich nicht verleugnen.“ Desgleichen sagten sie alle. (10)
Und Jesus sprach zu ihnen: „Als ich euch aussandte ohne Beutel, ohne Tasche und Schuhe, hat euch etwas gemangelt?“ (11) Sie antworteten: „Nichts!“ Da sprach er zu ihnen: „Nun aber, wer einen Beutel hat, nehme ihn, desgleichen die Tasche, und wer es nicht hat, der verkaufe seinen Rock und kaufe ein Schwert. Denn ich sage euch, daß auch noch diese Schriftstelle an mir erfüllt werden muss: Er ist unter die Übeltäter gerechnet worden. (12) Denn was von mir geschrieben steht, geht seinem Ende (13) zu.“ Sie aber sprachen: „Herr, siehe, hier sind zwei Schwerter.“ (14) Er aber sprach zu ihnen „Genug hiervon!“ (15)

Anmerkungen:

(1) Nämlich in den Tod und zum Vater. Was Jesus früher den Juden absolut negiert hat, das verneint er hier seinen Jüngern nur relativ, nämlich: jetzt können sie noch nicht dahin kommen, wohin er geht. Darum verkündet nun auch der Heiland seinen Jüngern im folgenden sein Testament.
(2) Das Gebot, den Nächsten zu lieben wie sich selbst, ist so alt wie die Menschheit; es ist im Naturgesetz begründet, weil wir Kinder eines Vaters sind (Mal. 2, 10); im mosaischen Gesetz ist es in Verbindung mit dem Gebot der Liebe Gottes eingeschärft und war auch den Juden sehr wohl bekannt. Dennoch wurde wes unter dem Einfluß der Sünde und Leidenschaft vor Christus sehr wenig beachtet von den Heiden (vgl. Röm. 1, 28-32), und von den Juden eingeschränkt auf ihre Volks- und Glaubensgenossen. Ein neues Gebot ist es darum insofern, als der Erlöser der Menschen es aufs neue einschärfte, alle Beschränkungen desselben beseitigte, es in seiner ganzen Reinheit und Vollkommenheit verkündete und den Menschen die Gnade erwarb und verlieh, es in heldenmütiger Überwindung des sinnlichen Menschen und seiner Leidenschaft, rein aus dem übernatürlichen Beweggrund der Liebe Gottes, auf das vollkommenste zu erfüllen. Diese vollkommene, wahrhaft brüderliche, ganz übernatürliche Liebe erblicken wir alsbald unter den ersten Christen, die ein Herz und eine Seele waren; und so neu war der Welt dieses Schauspiel wahrer Nächstenliebe bei den Christen, daß die Heiden voll Bewunderung ausriefen: „Seht, wie sie einander lieben!“ Diese Liebe lebt fort und fort in der Kirche Christi und offenbart sich besonders herrlich in den Anstalten und der Übung der christlichen Caritas, namentlich in den religiösen Orden und Genossenschaften, die deren Übung und Pflege sich zu Lebensaufgabe gemacht haben.
(3) Wie könnte auch jemand ein wahrer Jünger Jesu sein ohne diese Liebe, da Jesus uns so unaussprechlich liebt und sein Leben für uns hingegeben und uns die gleiche Liebe zum Gebot gemacht hat! Darum sagt auch der hl. Augustinus: „Die Liebe allein unterscheidet die Kinder Gottes und die Kinder des Teufels voneinander.“ Und: „Der hat alles, was in den göttlichen Reden offen und verborgen ist, wer die Liebe hat in den Sitten.“ (Tract. 5 in I. Ioann. – Doctr. Christ. 3, 10) Die Welt selbst, so herzlos und lieblos sie auch ist, hat stets diese Liebe als Merkmal de wahren Jünger Jesu angesehen und gefordert und macht ihnen den Mangel dieser Tugend zum schwersten Vorwurf.
(4) Dem Petrus mit seiner starken, feurigen Liebe zu Jesus wollten die Worte nicht in den Sinn: „Wo ich hingehe etc.“; daher seine Frage: „Domine, quo vadis, Herr, wohin gehst du?“ Jesus wiederholt ihm nun persönlich: „Du kannst mir jetzt nicht folgen“, fügt aber gleich die Verheißung bei, daß er ihm später folgen werde, nämlich in den Tod am Kreuz, wie er es ihm nach der Auferstehung noch deutlicher sagte. – Etwa 5 Minuten von der
(5) Wie er einst verlangt, den Job versuchen zu dürfen.
(6) Den man heftig schüttelt; ein Bild heftiger Versuchung. Gott ließ dieselbe zu, um die Apostel in Glauben und Liebe immer mehr zu erziehen, in der Demut zu begründen und besonders in der Überzeugung zu befestigen, daß sie ohne seine Gnade nichts vermögen.
(7) Petrus wankte nicht im Glauben, aber es verließ ihn der Mut, denselben unerschrocken zu bekennen. Das Gebet des Heilandes erlangte ihm augenblickliche Bekehrung und wahrscheinlich sammelte er alsbald auch die zerstreuten Jünger und richtete ihren Mut wieder auf. – Das ganze christliche Altertum bezog diese Verheißung Christi nicht bloß auf die Person des hl. Petrus, sondern auch auf alle seine Nachfolger auf dem Apostolischen Stuhl, der gemäß dieser göttlichen Verheißung stets von allem Irrtum unversehrt bleibe (vgl. S. Leo M., Sermo de natali SS. Petri et Pauli; S. Cyprian. 1, 1 epist. 3 ad Cornel.), wie es auch das Vatikanische Konzil ausdrücklich erklärt hat in dem Dekret von der lehramtlichen Unfehlbarkeit des Papstes. (Sess. IV. Constit. Dogm. I. „Pastor aeternus“ c. 4)
(8) Vgl. Zach. 13, 7. Der liebreiche Erlöser fügt aber der Voraussagung der vorüber gehenden Untreue der Jünger eine andere bei, aus der sie schließen mussten, daß er sie nicht verstoße. So gewiß die eine eintraf, so gewiß musste auch die andere sein; welch ein Trost für die erschreckten Jünger in der Stunde der Prüfung!
(9) Wiederum vertraut Petrus zu viel auf die Stärke seiner Liebe und auf seine eigene Festigkeit und kann es nicht ertragen, den übrigen gleich gestellt zu werden. Er nimmt sich daher selbst aus; seine Beteuerung kommt ihm von Herzen, und sein Wille ist gut; aber er vergißt die Demut und Bescheidenheit, denkt nicht an die Notwendigkeit der Gnade, und anstatt auf die voraus gegangene Mahnung des Herrn demütig um seinen Beistand zu bitten, stellt er sich voll Selbstvertrauen über all seine Mitapostel. Er sollte sie in derselben Nacht alle übertreffen an Schwäche und Verzagtheit.
(10) Durch die Behauptung des Petrus veranlaßt, hinter dem sie nicht zurück bleiben wollten, und weil sie bei ihrer Liebe zu Jesus es für unmöglich hielten, sich an ihm zu ärgern.
(11) Da es unnütz gewesen wäre, sie vom Gegenteil überzeugen zu wollen, und sie nur wie Petrus in die Gesinnung des Selbstvertrauens sich vertieft hätten, weist Jesus sie statt dessen nachdrücklich darauf hin, daß jetzt die Stunde der Prüfung gekommen sei: Früher hat man euch als meine Jünger mit Freuden aufgenommen und euch alles Nötige willig dargereicht; jetzt, da ich wie ein Übeltäter behandelt werde, werdet ihr mit mir gehaßt und verfolgt werden, gleichsam in Kriegszustand mit der Welt geraten und auf eure Verteidigung denken müssen. Der Heiland redet bildlich; seine Apostel nahmen die Worte buchstäblich. Er ließ es zu, weil der Gebrauch des Schwertes durch Petrus bei seiner Gefangennehmung ihm die Gelegenheit bieten sollte, auch da noch seine Milde und Sanftmut wie seine göttliche Macht zu zeigen, die Freiwilligkeit seines Leidens darzutun und seinen Jüngern auf eine unvergeßliche Weise die Wahrheit einzuprägen, daß es den einzelnen nicht gestattet sei, der öffentlichen Autorität Gewalt entgegen zu setzen.
(12) Is. 53, 12.
(13) Seine Erfüllung.
(14) Im Hinblick auf diese Worte war im Mittelalter viel gebraucht das Bild von den zwei Schwertern zur Bezeichnung der kirchlichen und der staatlichen Gewalt und zur Erklärung des gegenseitigen Verhältnisses beider Gewalten zueinander.
(15) Jesus bricht damit diesen Gegenstand ab, um seine Jünger, die durch das Gesagte in große Unruhe geraten waren, zu trösten. In der nun folgenden Abschiedsrede offenbart er auf das herzlichste und ergreifendste die edlen Gesinnungen seines Herzens, insbesondere seine Weisheit, Güte und Liebe. – Eine schöne Erklärung der Abschiedsrede bietet v. Keppler, Unseres Herrn Trost, Freiburg 1887. –
aus: Schuster/Holzammer, Handbuch der Biblischen Geschichte, Bd. II, Neues Testament, 1910, S. 464 – S. 467

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