Unterricht für den Palmsonntag
Die heilige Karwoche beginnt mit dem Palmsonntag, und dieser wird so genannt, weil die Kirche, um das Andenken an den Eingang Christi in Jerusalem, bie welchem Er von dem andächtigen Volk mit Palmen empfangen wurde (Matth. 21), zu begehen, heute in den Kirchen Palmen weihen und mit denselben eine feierliche Prozession halten läßt.
Die heilige Messe
Wie durch die Palmenweihe und Prozession an den Eingang in Jerusalem und die letzten Tage Jesu, so erinnert die Kirche durch die heutige Messe an sein Leiden, um uns zum Mitleiden und zur Reue über unsere Sünden aufzufordern, und fleht deshalb im Eingang derselben: „Herr! Entferne deine Hilfe nicht von mir, habe acht auf meinen Schutz. (Ps. 21, 20) Errette mich aus des Löwen Rachen und meine Niedrigkeit von Einhornshörnern.“ (Ps. 21, 22) „Gott, mein Gott, schaue auf mich; warum hast Du mich verlassen? Das Geschrei meine Sünden entfernt mein Heil.“ (Ps. 21, 1)
Gebet der Kirche.
Allmächtiger, ewiger Gott! Der Du unsern Heiland, um dem Menschengeschlecht ein Beispiel der Demut zur Nachahmung aufzustellen, Fleisch annehmen und den Tod des Kreuzes erdulden ließest, verleihe gnädiglich, daß wir, gleichwie wir die Denkmale seines geduldigen Leidens besitzen, also auch der Teilnahme an seiner Auferstehung gewürdigt werden; durch denselben Jesum Christum, unsern Herrn. Amen.
Lesung aus dem Brief des hl. Apostels Paulus an die Philipper. Kap. 2 Vers 5-11.
siehe Phil. 2, 5-11
Was lehren uns die Worte des heiligen Apostels Paulus?
Sie lehren uns 1) die große Erbarmung Jesu Christi, in welcher Er Knechtsgestalt annahm, ein Mensch und gehorsam wurde bis zum Tod am Kreuz, wie wir es diese Woche alle Tage betrachten; 2) daß aber dieser so erniedrigte Jesus der wahre Gott sei; und wir deshalb anbetend unsere Knie vor Ihm beugen sollen; 3) daß wir bei Betrachtung der unendlichen Erniedrigung Jesu in seinem Leiden nicht an seiner Gottheit irre, sondern mit um so größerer Liebe und Dankbarkeit erfüllt werden sollen; 4) daß wir, da Gott selbst sich so weit verdemütigte, auch demütig wandeln sollen.
Übung.
Erwecke diese Woche alle tage mehrmals Akte der Anbetung des gekreuzigten Sohnes Gottes; demütige dich täglich aus Liebe zu dem gedemütigten Heiland und bete:
Wäre ich doch so gesinnt, so demütig und gehorsam, wie Du, o mein Jesus! Wie strafbar und boshaft ist es nicht, daß ich, ein Sünder, immer nur meinen Willen erfüllen will, während Du die unendliche Majestät, Dich im Gehorsam bis zum Tode am Kreuz erniedrigt hast! Um dieses deines Todes willen bitte ich Dich, Du wollest mir die Gnade geben, fortan in Demut und Gehorsam treu Dir nachzufolgen. Amen.
An der Stelle, wo in der heiligen Messe sonst das heilige Evangelium gelesen wird, liest heute der Priester die Leidensgeschichte des Heilandes, die sog. Passion, nach dem hl. Evangelisten Matthäus, am Dienstag nach dem hl. Markus, am Mittwoch nach dem hl. Lukas und am Karfreitag nach dem hl. Johannes.
Warum geschieht dies?
Diese Sitte findet sich schon in den frühesten Zeiten des Christentums und mahnt uns, daß wir in dieser Woche so viel als möglich den für uns leidenden Heiland vor Augen haben sollen.
Warum kniet der Priester mit seinen Dienern gegen Ende der Passion eine Zeitlang nieder?
Er tut dies, wenn er zu der Stelle kommt, die den Tod Jesu meldet, um dadurch die Trauer der Kirche auszudrücken, zugleich aber, um im Namen des Volkes Gott die schuldige Anbetung und Danksagung darzubringen für die durch den Tod des Herrn uns erworbene Erlösung.
Bei der Palmweihe und am Schluss der heiligen Messe liest der Priester folgendes
Evangelium nach dem hl. Matthäus. Kap. 21, Vers 1-9
Warum ist Jesus so feierlich in Jerusalem eingezogen?
1) Um sich als den verheißenen Messias und König der Juden darzustellen, dessen Einzug in Jerusalem der Prophet Zacharias (Zach. 9, 9) in solcher Weise voraus gesagt hatte;
2) um die Schriftgelehrten und Pharisäer, wie das ganze jüdische Volk, durch Erfüllung dieser Weissagung aufs bestimmteste zum Glauben an Ihn aufzufordern;
3) um ihnen zu zeigen, daß Er, wenige Tage nachher dem Tode überliefert, sich freiwillig hingebe;
4) um ihnen das Wesen seines Reiches – Sanftmut und Liebe – deutlich vor Augen zu halten und zu zeigen, daß sein Reich nicht ein irdisches, sondern ein geistiges sei.
Warum ist Ihm das Volk mit Palmzweigen entgegen gegangen?
1) Aus Ehrfurcht und Liebe wegen der Wunder, die Jesus gewirkt, besonders wegen der Auferweckung des Lazarus.
2) Insbesondere aber, geschah es aus göttlicher Eingebung, teils um die Weissagungen zu erfüllen, teils um anzudeuten, daß Jesus als Sieger über Tod, Teufel und Hölle den menschen die Palme des Friedens mit Gott, mit sich und den Mitmenschen erringen und die Pforte des himmlischen Jerusalem öffnen würde.
Was versinnbildet der feierliche Einzug Jesu in Jerusalem noch mehr?
Er versinnbildet die österliche heilige Kommunion. Diese Kommunion bereitet dem göttlichen Heiland 1) einen Triumph, wenn unsere Seele würdig vorbereitet ist; 2) bitteres Leiden, wenn wir lau oder gar unwürdig hinzutreten.
Wie sollen wir uns nach dem Bild des Einzuges Jesu in Jerusalem auf die heilige Kommunion vorbereiten?
Wir sollen Jesus im heiligsten Altars-Sakrament entgegen gehen
1) mit den Kindern, d h. mit unschuldigem, reinem Herzen;
2) mit Ölzweigen, d. h. mit demütigem und sanftmütigem Herzen, geziert mit Werken der Barmherzigkeit und des Friedens;
3) mit Palmzweigen d. h. mit recht vielen Siegen über unsere bösen Neigungen.
Übung.
Stelle dir recht oft das Bild des auf einer Eselin sanftmütig reitenden Heilandes vor und erfreue dich an der Liebe und Sanftmut Jesu. So kommt Er in der heiligen Kommunion auch zu dir; sorge, daß du einst mit ihm jubelnd in den Himmel einziehen kannst.
Gebet.
O Jesus! Du immer grünender und Frucht tragender Baum des Lebens! gib, daß wir, den Palmen gleich, durch die Liebe immer grünen, durch Ausübung guter Werke blühen und Frucht bringen und, dadurch vorbereitet, die Ostern würdig begehen mögen. Amen.
Betrachtung.
Jesus ruft: „Mich dürstet!“, und man reicht Ihm Galle und Essig. – Und du, o Christ! Willst nur deiner Gaumenlust dienen? O bereue sie und verleugne sich aus Liebe zu Jesus! –
in: Leonhard Goffine, Ord. Praem.; Unterrichts- und Erbauungsbuch oder Katholische Handpostille, 1885, S. 224 – S. 228