Heiligenkalender
7. November
Der ehrwürdige Pater Baldinucci Jesuit
(Ebenbild Christi)
Wenn in einer Kirche die wahre Abbildung des Heilandes zu sehen wäre, wie er einst geleibt und gelebt hat, so würde jeder Christ ein großes Verlangen haben, dieses Bild zu sehen. Es gibt aber in Wirklichkeit solche Bilder vom Heiland, und zwar sind dieselben sogar lebendig. Der Apostel Paulus spricht davon, daß man den neuen Menschen anziehen solle, der nach dem Bild Christi erneuet ist, daß Christus in uns Gestalt bekommen müsse. Je mehr der Mensch heilig wird, desto mehr ist Christi Geist in ihm durchgedrungen; der Mensch ist gleichsam ein heller Kristall geworden, aus welchem Christus wie ein Licht drin heraus leuchtet, so daß man an solchen Menschen im Kleinen sieht und inne wird, wie Christus im Großen sein müsse. Besonders ist solches an Geistlichen sichtbar, wenn sie wahrhaft von Christus durchdrungen sind. Denn ihr Amt bringt es dann schon mit sich, daß sie nicht nur ihre eigenen Seele heiligen, sondern auch ihrem Meister gleich die Menschen zu erlösen und zu heilen bestrebt sind. Ich will nun hier dieses zeigen im Leben des ehrwürdigen Baldinucci. Derselbe war ein Jesuit in Italien und das Hauptgeschäft seines Lebens waren besonders die Missionen; diese selbst sind aber gewissermaßen nur eine Abbildung des Lebens Christi, in sofern der Heiland gesagt hat, er sei gekommen zu suchen, was verloren war, und gerade dies Geschäft wollen die Missionen in seinem Namen und Auftrag fortsetzen.
Bevor ich aber von den Missionen des seligen Baldinucci erzähle, will ich vorerst zeigen, wie es mit seiner eigenen Seele ausgesehen habe, aus welcher so großer Segen für Andere hervor gegangen ist. Der Beichtvater, welchem Baldinucci vor seinem Tode noch eine kindliche Beichte ablegte, bezeugte, er habe sein ganzes Leben nie eine Todsünde begangen. Alle seine Handlungen waren stets nach den Forderungen der Vernunft und Tugend eingerichtet, und gingen niemals aus dem bloßen Antrieb der Natur hervor. Schon als kleines Kind war es ihm unerträglich, daß ein Teil des Körpers unbedeckt wäre. Er machte es sich zur Regel, keiner Frauensperson in das Gesicht zu sehen; bei dem An- und Auskleiden verhielt er sich so sorgfältig, wie wenn es öffentlich vor Aller Angesicht geschehe. Ja, seine Seele war so unschuldig, und seine Liebe zur Keuschheit so groß, daß selbst Andere schon durch den Umgang mit ihm diese Liebe zur Keuschheit erbten und mit Abscheu gegen das Laster erfüllt wurden, von dem sie vorher angesteckt waren. –
Er hielt sich für so gering und nichts wert, daß er glaubte, die Hölle verdient zu haben; er hatte bei den Missionen bang, daß seine Sünden die gute Wirkung verhindern werden. Man hörte ihn niemals ein Wort reden, das auf sein Lob gedeutet werden könnte, wohl aber redete er von sich, wie man gewöhnlich nur von seinem ärgsten Feind redet. Ein Geistlicher, der ihn genau kannte, sagte, Baldinucci sei sorgfältiger und geschickter gewesen seine Tugenden zu verbergen, als der ärgste Betrüger seine Bosheiten. Und der hoffärtigste Mensch haßt und verabscheut nicht so sehr Demütigungen, als Baldinucci jede Art von Ehren-Bezeugungen gegen seine Person verabscheut und geflohen hat. Ein Priester, welcher ihn genau kannte, tadelte öfters absichtlich die Predigten des gottseligen Paters und die Dummheit der Leute, welche so viele Verehrung für ihn hätten, weil er wußte, daß mit diesem Tadel ihm eine wahre Herzensfreude bereite. Es machte ihm deshalb auch Vergnügen, Holz zu tragen, alte Kleider zu flicken, unsaubere Geschirre zu reinigen und so schlecht gekleidet zu sein, daß einmal eine vornehme Person sagte, seine Kleider wären dienlich Spatzen von Bäumen zu vertreiben.
Pater Baldinucci war von Natur sehr reizbar und heftig, hat aber durch stetige Selbstverleugnung sein Temperament so überwunden, daß man nur außerordentliche Sanftmut an ihm sah. Beleidigungen, welche den sanftmütigsten Menschen hätten reizen können, ließen seine Seele ruhig und friedsam. Ein übel gelaunter Geistlicher ließ einmal seinen Ärger gegen Baldinucci öffentlich in einer Predigt aus. Dieser beugte seine Knie wie ein schuldvoller Sünder vor dem ungerechten Ankläger. Darüber wurde der Geistliche so ergriffen, daß er erstaunt ausrief: „Dieser muss ein Heiliger sein.“
Die Missionen waren mit unendlichen Beschwerden verbunden, Baldinucci hatte auch keine natürliche Neigung dazu, insbesondere fehlte es ihm an innerlichen Tröstungen; dennoch machte er sich Alles freiwillig noch beschwerlicher, indem er sich nicht nur fortwährend strengen Abbruch in Nahrung und Schlaf auferlegte, sondern auch auf alle Reisen bei Schnee und Eis schlecht gekleidet barfuß ging, so daß er oft ganz erstarrt anlangte. Er wollte durch seine schweren Bußübungen von Gott als Almosen erwerben, daß desto mehr Seelen bei den Missionen gewonnen würden. Während aber Baldinucci gegen seine eigene Person so zu sagen furchtbar streng war, zeigte er gegen jeden andern Menschen die größte Güte und Freundlichkeit. Diese war auch Ursache, daß die Leute allenthalben eine übermäßige Begierde hatten ihm zu beichten, einander oft fast erdrückten vor seinem Beichtstuhl und er genötigt war, um ihnen genug zu tun, täglich 8 bis 10 Stunden Beichte zu sitzen.
Seine Liebe zu Gott war von der edelsten Art, indem nach seinem eigenen Bekenntnis seine Andacht voll Trockenheit und Kälte, ohne die wohlige Empfindung der Gnade war, und er dennoch aus reiner Hochschätzung Gottes sich stets dem Gebet hingab, so oft er von Predigten oder Beichthören einige freie Zeit fand. Bei den Missionen fand er ungeachtet der zahllosen Bekehrungen weniger Trost, als vielmehr Schmerz über die vielen Sünden und Lauigkeit so mancher Beichtkinder. Den Tod wünschte er sich oft, aber nicht um der Mühseligkeiten los zu werden, sondern um nicht mehr in Gefahr zu sein Gott durch Sünden zu beleidigen. Den Nebenmenschen sah der Pater Baldinucci für den Augapfel Gottes an, so daß er mit größter Sorgfalt sich hütete, im Geringsten derselben zu beleidigen. In seinem großen Eifer für das Seelenheil Anderer hatte er manchmal viele Angst und Bekümmernis, wenn sich einer nicht bekehren ließ. Da man ihn damit trösten wollte, daß er ja das Seinige getan habe und nicht mehr schuldig sei, gab er mit Seufzen zur Antwort: „Es handelt sich nicht um meine Entschuldigung, sondern um das Seelenheil des Nebenmenschen.“ Für Arme und Kranke war er aber neben der Überlast seiner übrigen Geschäfte so liebevoll besorgt und tätig, daß man hätte meinen können, er habe sonst nichts zu tun, als bloß für Arme zu sorgen oder Kranken beizustehen; er benahm sich gegen dieselben wie eine sorgsame Mutter gegen ihre geliebten Kinder.
Daß nun Missionen von einem solch` heiligmäßigen Mann eine außerordentliche Wirkung gehabt haben müssen, läßt sich nicht ander denken. Er kam in Ortschaften, wo junge Leute von 15 und mehr Jahren nie gebeichtet hatten und nicht einmal die unerläßlichsten Glaubens-Wahrheiten wußten; wo eine Menge Eheleute geschieden und in ehebrecherischen Verbindungen lebten, wo Meuchelmord etwas ganz Gewöhnliches war, wo ruchlose Zaubermittel und gräuliche Gotteslästerungen, boshafte Verleumdungen, alle Arten von Betrug und Bosheit allgemein verbreitet waren, wo Priester mißhandelt wurden und manche geradezu erklärten, sie wollten lieber des Teufels werden, als ihren Feinden zu verzeihen. Die Veränderung, welche die Missionen des seligen Baldinucci hier bewirkten, waren ganz wunderbar; man konnte hier die Worte des Propheten Jesaias anwenden: „Er macht die Wüste einem Paradiese gleich, und die Wildnis einem Garten des Herrn.“ Baldinucci hat ganz eingerostete Missbräuche abgeschafft, so z. B. die Tänze und Nachtschwärmerei, das Karten- und Würfelspiel, das zu so vielen Sünden reizte, die freche hoffärtige Kleidertracht; in einem einzigen Ort, wo Baldinucci predigte, entschlossen sich 50 Mädchen ins Kloster zu gehen. Nicht zu zählen ist, wie viele Personen große Summen ungerechten Gutes wieder erstatteten, oder Andern, denen sie Ehre und guten Namen geraubt hatten, wieder herstellten. Keine Art von Sünde und Laster gab es, welche nicht die Missionen des Paters wie ein heiliges verzehrendes Feuer ausrotteten.
Das Volk wurde oft so gewaltig von den Predigten des gottseligen Paters ergriffen, daß er still halten musste, weil man vor lauter Seufzen, Schreien und Wehklagen der zerknirschten Zuhörer nichts mehr verstand. Ja, manche rauften sich in Heftigkeit der Reue die Haare aus, schlugen sich auf die Brust, kratzten ihr eigenes Gesicht, oder fielen wie ohnmächtig zu Boden. Zuweilen haben sich mehr als Tausend bis auf`s Blut gegeißelt; bei einer Bußprozession in Aquila gingen 200 vornehme Herren barfuß mit Ketten beladen in Bußsäcken einher. Von einem volkreichen Ort hat der Pater selbst berichtet, daß wohl nicht ein Einziger ausgeblieben sei, der sich nicht zu Gott bekehrt hätte. In Städten, welche in feindselige Parteien zerspalten waren, wurde durch seine Mission der schönste Friede hergestellt, so daß die Leute einander zuvorkamen in wechselseitigem Bitten um Verzeihung. Er hatte neben sich ein Kruzifix, so oft er seine Missions-Predigten hielt; da forderte er dann Alle, welche offen oder heimlich Feindschaft trügen, auf, vor demjenigen, der lieber ein Schlachtopfer sein wollte, als Rache üben, ihren Groll feierlich abzulegen. Bei solcher Aufforderung drängten sich die Leute scharenweise zu dem Kruzifix und wurden die rührendsten Versöhnungen gehalten: ein schönes Schauspiel vor den Menschen und vor dem Himmel. So kam z. B. einer Mutter, deren Sohn ermordet wurde, die Forderung, „dem Mörder zu verzeihen“, so unerträglich vor, daß sie in der Kirche ohnmächtig wurde; sobald sie aber wieder zu sich kam, ging sie auf die Mutter des Mörders los, die gegenwärtig war, fiel ihr um den Hals, und gab ihr den Friedenskuss.
Das Mittel, wodurch Pater Baldinucci so viele grimmige Feindschaften auflöste, bestand in Predigt und in Gebet; diese hatten aber ihre große Gewalt bei Gott und bei den Menschen durch die heilige gnadenreiche Seele des Missionars. Wenn er besondere Hartnäckigkeit fand, so daß Jemand durchaus nichts von Verzeihung und Versöhnung wissen wollte, da zog er oft seine Geißel heraus und schlug sich selbst auf so grausame Weise, daß alle Gegenwärtige laut Schiren und jammerten aus Mitleid mit ihm. Er ließ aber nicht nach mit Schlagen, bis dieses Bußwerk, das er für den Sünder übernahm, diesen erweichte, so daß er seinen Hass aus dem Herzen riss und sich bekehrte.
Baldinucci tat aber auch alles Erdenkliche, damit die in der Mission bewirkten Bekehrungen auch Stand hielten, was eben das Schwerste und Wichtigste ist. Vor allem suchte er die Gelegenheiten und Lockungen zur Sünde wegzuschaffen; er bot in den Orten, wo er Mission hielt, Alles auf, um Spielhäuser, gefährliche Hausbesuche, freches Tanzen, üppige Kleiderpracht, Nachtschwärmerei, Personen, die mit der Sünde Gewerbe trieben, gänzlich zu beseitigen. Statt des unnützen Zeitvertreibes an Sonn- und Feiertagen auf öffentlichen Plätzen hat er den Rosenkranz und verschiedene Bruderschafts-Andachten eingeführt. Damit die Ortsgeistlichen durch Wort und Beispiel das fleißig pflegten, was er gepflanzt hatte, so hielt er mit ihnen besondere geistliche Übungen, um sie recht für Gott zu erwecken und den göttlichen Dienst in der Seelsorge. Endlich versteht es sich von selbst, daß er auch fortwährend im Gebet Gott anflehte, die gepflanzte Gottseligkeit zu schützen und zu erhalten; mit manchen Personen führte er auch einen Briefwechsel und setzte auf diese Art noch aus der Entfernung Aufsicht und sorge fort für ihr Seelenheil.
Da Pater Baldinucci noch ganz gesund war, sagte er wohl auf der Kanzel als im Beichtstuhl, daß er in Kurzem sterben werde. Ein Räuber sollte in einem Ort nicht weit von Rom hingerichtet werden; da derselbe aber durchaus sich weigerte zu beichten, so ließ der Papst den Pater auffordern, den Missetäter zu besuchen, im Vertrauen, daß er diese Seele noch retten werde. Baldinucci ging barfuß dahin, und ohne viele Mühe brachte er den armen Sünder zur Bekehrung, begleitete ihn zuletzt auf die Gerichtsstätte und nahm den Leichnam selbst vom Galgen, da ihn sonst Niemand anrühren wollte. Jene ganze Gegend war aber angefüllt mit Straßenräubern, und diese hatten sich zusammen gerottet und verschworen, ihren Kameraden mit Gewalt zu befreien. Der selige Baldinucci ging furchtlos mitten unter die Räuberbande und redete diesen wilden Männern so eindringlich zu Herzen, daß sie sich reumütig selbst unter Tränen zu Gott bekehrten.
Bei seiner letzten Mission ließ er, obgleich er das Fieber hatte, dennoch sich selbst keine Ruhe mit Predigten und Beichtehören, bis er endlich nicht mehr auf den Füßen stehen konnte. Nachdem er noch einige Wochen durch höchst erbauliche Geduld und Ergebung auf dem Krankenbett eine neue Art von Verdiensten gesammelt hatte, ging seine reine Seele in die Freuden ihres Herrn ein. In seiner Lebensbeschreibung werden auch viele Wunder von ihm erzählt, so daß auch hierin sich gezeigt hat, daß Christi Geist und Kraft in außerordentlicher Weise über diesen Diener des Herrn gekommen und in ihm gewirkt hat. –
aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 4 Oktober bis Dezember, 1872, S. 226 – S. 227