Die Statthalter Jesu Christi regieren die Welt (1198 bis 1303)
Einleitung
Sie heißen:
Innozenz III. 1198-1216
Honorius III. 1216-1227
Gregor IX. 1227-1241
Cölestin IV. 1241
Innozenz IV. 1243-1254
Alexander IV. 1254-1261
Urban IV. 1261-1264
Klemens IV. 1265-1268
Hl. Gregor X. 1271-1276
Hl. Innozenz V. 1276
Hadrian V. 1276
Johannes XXI. 1276-1277
Nikolaus III. 1277-1280
Martin IV. 1281-1285
Honorius IV. 1285-1287
Nikolaus IV. 1288 1292
Hl. Cölestin V. 1294
Bonifaz VIII. 1294-1303
Viele Menschen haben eine große Angst vor der Macht der Päpste. Sie glauben nämlich, dass alle Bildung, aller Fortschritt, alle Freiheit untergehen würden, wenn man den Päpsten in Rom die Herrschaft über die Welt lassen wollte.
Dass diese Furcht unbegründet ist, werden wir in diesem neunten Buch unserer Papstgeschichte erfahren, welches uns achtzehn Päpste vorführt, die mitsammen 105 Jahre die Welt im wahren Sinn des Wortes regiert haben. Hören wir über sie den katholischen Kirchen-Geschichtsschreiber Alzog:
„In jener Zeit erreichten die Päpste eine nie gesehene Höhe geistlicher und weltlicher Macht. Wir sehen sie fast überall als Mittler zwischen Untertanen und Fürsten, Völkern und Staaten auftreten, bestrebt, im Namen Gottes die Völker und Herrscher zu richten, Ungerechtigkeiten, Kriege und Umwälzungen zu verhüten. Die Krone des Papstes war ein Sinnbild der leidenden, streitenden und siegreichen Kirche, stehend über allen Kronen der Erde. Hoch erhaben über allen, wehte die Fahne des gekreuzigten Christus. Ihm galt daher auch jede dargebrachte Huldigung, jede bezeigte Ehre, jeder geleistete Gehorsam an seinen Stellvertretern. Nur in seinem Namen wurden Befehle erlassen, um seinetwillen Beachtung derselben gefordert. Verschmähung des sichtbaren Oberhauptes Christi wurde auf den göttlichen Heiland selbst bezogen.“
Die Wirksamkeit der Päpste
Ein einsichtsvoller Gelehrte hat sich über die hohe Stellung und über die Wirksamkeit der Päpste jener Zeit in folgender Weise geäußert:
„Die Päpste allein hatten in den Wirren der Zeit die Würde, das göttliche Mittleramt auszuüben. Sie widersetzten sich den Empörungen der Völker und traten den Königen und dem Adel entgegen. Die Höhe ihrer Einsicht, ihr versöhnender Geist, ihre Sendung des Friedens mussten ihnen edlere Gedanken und Gesinnungen eingeben, welche den anderen Ständen fehlten.
Das christliche Volk hat immer dankbar den guten Gebrauch anerkannt, welchen die Päpste von ihrer hohen Stellung gemacht haben. Wenn die Päpste die Kaiser angehalten haben, von ihrer Regierung dem dem Heiligen Stuhl Rechenschaft zu geben, so legten sie sich allerdings eine hohe Gewalt bei; allein dadurch erwiesen sie der Menschheit eine um so größere Wohltat. Die Päpste besaßen damals Mittel genug, um ihre Macht zu stützen. Es kam ihnen zu Hilfe der Glaube der Völker, dass sie Gottes Stelle auf Erden vertreten. Es standen ihnen zu Gebote die zahlreichen Orden der Franziskaner, Dominikaner, Zisterzienser, Prämonstratenser, Kartäuser usw. und die großen Gelehrten, welche aus dem Schoß dieser Orden hervorgingen. Diese umstanden gleich einem mächtigen Kriegsheere den Heiligen Stuhl.
Die Päpste gebrauchten ihre hohe Gewalt vor allem zum Wohl der Kirche und der Religion. Den Glauben unverfälscht zu erhalten, die Kirche über die ganze Erde zu verbreiten, allen Völkern die Segnungen des heiligen Evangeliums zu vermitteln: das war der Beruf aller Päpste. Für die Erfüllung und Lösung dieser erhabenen Aufgabe haben sie sich allen Kämpfen und Gefahren ausgesetzt.
Die ganze bisherige Papstgeschichte ist ein laut sprechender Beweis dafür, dass die Päpste keine Arbeit, keine Mühe, kein Opfer scheuen, wo es gilt, den Glauben gegen die Irrlehre zu schützen und der heiligen Kirche neue glaubenseifrige Söhne zuzuführen.
Recht klar sieht man das aus den Tatsachen, die uns im vorausgehenden Zeitabschnitt beschäftigt haben. Die Päpste ergriffen die Flucht, sie ließen sich in den Kerker werfen, sie gingen in die Verbannung, sie starben in derselben, aber den wahren Glauben gaben sie nicht preis. War ein Gegner mächtig oder schwach, waren die Feinde zahlreich wie der Sand am Meer oder stand ihnen nur ein ohnmächtiges Häuflein gegenüber: das galt ihnen gleich. Die Freiheit der Religion und der Kirche ging ihnen über alles.
Wäre es wahr, was man häufig hören kann, dass den Päpsten das Wohl der Religion nicht am Herzen liegt, so hätten sie nicht so viele Opfer gebracht, die von der Kirche Getrennten zu gewinnen. Welche Freude bezeigte Papst Gregor X., als die Griechen unter ihrem Kaiser Michael Paläologus nach Lyon kamen und sich bereit zeigten, mit dem Heiligen Stuhl wieder in Verbindung zu treten! Welche Anstrengungen von Seiten der Päpste gemacht wurden, um die Trennung der morgenländischen Kirche von der abendländischen zu verhüten, brauchen wir hier nicht zu wiederholen. Der Eifer, mit dem alle Päpste ohne Ausnahme die Missionen förderten, ist zu bekannt, als dass wir darüber ein Wort verlieren möchten.
Die Sorge für das irdische Wohl der Völker
Über der Sorge für die Religion vergaßen die Päpste nicht das irdische Wohl der Völker.
„Wer ist es denn gewesen, der im Mittelalter Einsprache erhob, wenn die Könige ihren Völkern unerschwingliche Lasten auferlegten und wenn sie ihre Würde so weit vergaßen, daß sie schlechtes Geld für Gutes ausgaben, um auf diese Weise sich zu bereichern? Wer war es denn, der warnte, wenn ein Fürst gegen die Darlehen sein armes Volk den Juden verschrieb, das Sündengeld aber für Feste und Ausschweifungen vergeudete? Wer war es denn, der sich der freien Staaten annahm, wenn ein Tyrann ihnen ihre Freiheit nehmen wollte?
Zu wem flohen die Kaufleute, wenn ungerechte Fürsten die Waren derselben in ihrem Land mit Beschlag belegten, oder wenn die Raubritter sie überfielen und sie ausplünderten? Wer verbot durch strenge Gesetze den Wucher oder die Vorenthaltung des ausbedungenen Arbeitslohnes?“
So fragt der katholische Gelehrte und Geschichtsschreiber Weiß. Die Antwort auf die gestellten Fragen ist: Die Päpste sind es gewesen, die sich der Völker annahmen. Sie stifteten den Gottesfrieden und gaben Gesetze, welche die Raubritter mit empfindlichen Strafen bedrohten und dadurch die Beschützer und Beförderer des Handels wurden. Die Habsucht wollte die Armut des Mitmenschen benützen, um sich auf die empörendste Weise zu bereichern. Die Päpste allein nahmen sich der Armen an. Wer einen unglücklichen Mitbruder, der auf irgend eine Weise in unverschuldete Armut geraten war, ausbeutete, wer von einem Darlehen zu hohe Zinsen forderte, verfiel der kirchlichen Strafe.
So sehr lag den Statthaltern Christi die zeitliche Wohlfahrt der Völker am Herzen, dass sie Ablässe erteilten für solche, die Spitäler erbauten, worin die Armen und die Hilflosen untergebracht werden konnten. Der nämlichen Gnaden wurden solche teilhaftig, welche Brücken und Straßen erbauten, damit der Verkehr unter den einzelnen Völkern erleichtert wurde und Handel sich besser entfalten konnte.
Nicht einmal die Feinde des Christentums brauchten die päpstliche Macht zu scheuen. Es kam in Europa nicht selten vor, dass die Juden, diese erbitterten Gegner des Kreuzes Christi, nach ihrer Zerstreuung unter die Völker, grausamen Verfolgungen ausgesetzt waren. Besonders in Frankreich und Spanien wollte man sie durch körperliche Strafen zur Taufe zwingen. Die Päpste aber traten für die Verfolgten ein und gaben Gesetze, welche verboten, die Juden zur Taufe zu zwingen, ihnen ohne richterlichen Spruch Geld abzunehmen oder sie zu misshandeln. Ihre gottesdienstlichen Versammlungen waren geschützt; kein Richter durfte am Sabbat oder an einem anderen jüdischen Festtag mit ihnen gerichtliche Verhandlungen vornehmen. So schützten die Päpste die Verfolgten, so nahmen sie sich sogar ihrer Feinde an!
Förderung der Bildung und Wissenschaft
Die Päpste beförderten ferner, wo es ihnen nur möglich war, die Bildung. Sie liebten den Fortschritt im guten Sinn des Wortes. Rom ist den europäischen Völkern vorangegangen in der Veredelung des geistigen Lebens. Papst Innozenz III. hatte sich auf der hohen Schule in Paris ausgebildet und gilt als ein großer Gelehrter. Auch Innozenz IV. stand bei seinen Zeitgenossen im Rufe ungewöhnlicher Gelehrsamkeit. Innozenz V. war ein Gottesgelehrter, wie die Christenheit solche nicht viele besitzt. Bonifaz VIII. zeichnete sich als Rechtsgelehrter seiner Zeit aus. Weil die Päpste selbst Gelehrte waren, benützten sie auch ihre Macht mit Vorliebe dazu, Wissenschaft zu fördern. Männer, welche sich durch Wissenschaft vor anderen auszeichneten, ernannten sie zu Kardinälen.
Kam ein bedeutender Gelehrter nach Rom, so erwiesen ihm die Päpste ungewöhnliche Ehren. Wo ist ein Herrscherhaus, das so viele Gelehrte und so viele Gönner der Gelehrten aufweisen kann?
Während die Päpste die Welt regierten, boten sie alles auf, den Eifer für die Wissenschaft und das Studium zu wecken: Die Studierenden und die Lehrer der Universitäten genossen durch die Gunst der Päpste die größten Auszeichnungen. Es ist daher einleuchtend, dass die Hochschulen sich sehr hoben. In der Tat schwangen sie sich zu einer Höhe und Bedeutung empor, von der wir uns heute schwer eine Vorstellung mehr machen können. Aus allen Ländern sammelten sich die Wißbegierigen, und zogen in jene Städte, wo sich eine Gelehrtenschule befand. Wenn unsere hohen Schulen nur noch halb so blühend wären, wie jene alten Universitäten es waren, die noch unter der Hand der Päpste standen, so dürften wir uns Glück dazu wünschen.
Es ist eine unleugbare Tatsache, dass damals ein heiliger Eifer die Jugend ergriff, die schönen Wissenschaften zu erlernen, als die Päpste von Innozenz III. angefangen bis zu Bonifatius VIII. an der Spitze der christlichen Welt standen und als die Nachfolger des armen Fischers aus Bethsaida an Macht die römischen Kaiser übertrafen.
Wohltätigkeit gegenüber den Armen und den Völkern
Die Liebe zu den Armen und zur Wohltätigkeit findet sich in außergewöhnlicher Weise gerade bei den Päpsten. Auf dem Heiligen Stuhl saßen nicht wenige Männer, welche die Armen in ihren Wohnungen aufsuchten, um sie dort zu trösten und zu unterstützen. Die Päpste regelten zuerst unter allen Regenten die Armenpflege in der ewigen Stadt. Es gibt keine Art von Wohltätigkeit, welche die Päpste in Rom nicht übten. Man preist einen z. B. als Freund der Armen, welcher armen Mädchen eine anständige Aussteuer verschafft, um sie gut zu versorgen.
Die Päpste Pius V. und Gregor XIII. verschafften zahlreichen Mädchen auf diese Weise ein Unterkommen. Man preist die Weisheit des Kaisers Napoleon III., der Paris verschönerte, um den armen Leuten Brot und Arbeit zu verschaffen. Das Gleiche taten schon vor ihm die Päpste. Wenn ein regierender Fürst die Lazarette besucht, die er vielleicht durch einen ehrgeizigen, ungerechten Krieg selbst gefüllt hat, so lobt man seine Herablassung und Liebe. Die Päpste besuchten nicht bloß die Lazarette, sondern selbst die finsteren Gefängnisse, um dort zu helfen und zu trösten.
105 Jahre regierten in diesem Zeitabschnitt die Päpste die Welt. Und in dieser kurzen Zeit machte sich ein so allseitiger, ein so glänzender Fortschritt geltend, wie nie zuvor und nie nachher: dies beweist sicher, dass jene Päpste mit Geschick und Umsicht die Welt regiert haben.
Solange die Päpste ihren Hirtenstab schützend über Kaiser und Völker hielten, war es den Mohammedanern unmöglich, in Europa einzubrechen und es zu verheeren. Die Päpste rüsteten Kreuzheere aus und schickten sie gegen die Feinde der Christenheit. Das taten in diesem Zeitabschnitt besonders Gregor IX. und Clemens IV. Wenn es ihnen auch nicht gelang, die Herrschaft der Mohammedaner zu vernichten, weil die europäischen Fürsten meistens uneins waren, so brachten die von den Päpsten abgeschickten und vielfach geleiteten Kreuzheere den Türken wenigstens solche Niederlagen bei, dass sie in Europa nicht festen Fuß fassen konnten. Das ist das Verdienst der Statthalter Christi.
Ein Beweis, dass die Religion die Gemüter des gläubigen Volkes erfasst hat, ist es, wenn nicht bloß die Gebote Gottes befolgt, sondern auch die evangelischen Räte lebenslängliche Keuschheit, freiwillige Armut und gehorsame Unterwerfung unter einem geistlichen Oberen geübt werden. Und hierin zeichnete sich besonders das Mittelalter aus. Das katholische Ordensleben entfaltete eine Macht über die Herzen der Menschen und erlangte eine Ausdehnung, die unsere gerechte Bewunderung erregt; seine Mannigfaltigkeit entsprach allen Bedürfnissen der menschlichen Gesellschaft. Hinter den Ordensleuten blieben die Weltleute nicht zurück. Weltpriester und Laien zeichneten sich durch frommen Wandel aus. Wir nennen den seligen Konrad von Würzburg, den seligen Berthold von Regensburg, den seligen Pilger Nantovin aus Wolfratshausen, die heiligen Einsiedler Vimius, Zimius und Martinus.
Außerdem würdigte sich Gott noch, dieses Jahrhundert durch besondere Wunder zu verherrlichen, die sonst fast nur in der Zeit der heiligen Apostel vorkamen. –
aus: Chrysostomus Stangl, kath. Weltpriester, Die Statthalter Jesu Christi auf Erden 1907, S. 459 – S. 464
siehe auch auf katholischglauben.online: Beiträge von Franz Xaver Weninger zum Papstamt
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