Das Elfte Jahrhundert für die Päpste

Der Papst trägt das Kreuz Christi, von Christus glorreich empfangen; es zeigt das Leiden der Päpste und zugleich der Kirche

Das Elfte Jahrhundert für die Päpste – Der Entscheidungskampf für die Freiheit der Päpste

Hatten die kräftigen Ottonen mit den italienischen Parteien, die sich fortwährend bemühten, Rom und das Papsttum zu beherrschen, schwere Kämpfe zu bestehen, und konnten sie nur mit Mühe, deren wiederholten Aufruhr unterdrücken, so erhoben sich diese nach dem Tode Ottos III. um so gewalttätiger, zumal der neue deutsche Kaiser, Heinrich II., im eigenen Land fortwährend zu schaffen hatte. Diese Parteien beherrschten durch ihren Einfluss derart die Papstwahl, dass nur Familienglieder oder Parteigenossen auf Petri Stuhl gelangten.

Waren auch die meisten Päpste nichts desto weniger würdige Männer, so hat doch die Kirche einen zu beklagen, der, eine Kreatur der herrschenden Adelspartei, eine noch schlimmere Auflage des Papstes Johannes XII. wurde, nämlich Benediktus IX. Leider hat auch der deutsche Kaiser Konrad teilweise Mitschuld dadurch, dass er sich dieses Unwürdigen, trotz des Widerspruchs der besseren Elemente, annahm. Erst der Sohn dieses Kaisers, Heinrich III., schaffte Wandel und befreite das Papsttum aus den unwürdigen Fesseln.

Die nun folgenden Päpste arbeiteten an der religiös-sittlichen Erneuerung der Kirche. Aber das Übel hatte sich durch den Einfluss der Fürsten und der Großen derart eingefressen, daß es noch eines Helden bedurfte, der mit dem Kaiser selbst und der ganzen Welt den Kampf aufnahm zur Befreiung der Kirche: das war Gregor VII.

Unterdessen aber wurden immerhin günstige Vorbereitungen für den Entscheidungskampf getroffen und dem kommenden Heerführer Mitkämpfer herangebildet. Das geschah hauptsächlich durch die Reform der Klöster, die sich von Clugny aus immer weiter verbreitete, so dass sie schließlich 2000 umfasste. Außerdem entstanden in dieser Zeit zwei neue Orden, der der Kamaldulenser, vom hl. Romuald († 1027), und der von Valombrosa, vom heiligen Johannes Gualbertus († 1073) gegründet. Diese reformierten und neu gegründeten Klöster lieferten den Päpsten ein zahlreiches Hilfskorps für den folgenden Entscheidungskampf. In allen Ländern begegnen wir um diese Zeit zahlreichen Heiligen aus allen Ständen, die als die Morgenröte einer besseren Zeit erscheinen.

So starb im Jahr 1008 in Novara der hl. Bernhard von Menthon. Er war auf dem Schloss Menthon, unweit des Genfer Sees, geboren, wurde Erzdiakon an der Kathedrale von Aosta und brachte ein ganzes Menschenalter im Dienst der Alpenbewohner zu. Ihre Unwissenheit und ihr Elend erregten dergestalt sein Mitleid, dass er sich entschloss, ihnen seine Kräfte zu weihen. 42 Jahre unterrichtete er diese armen Gebirgsbewohner in der Religion und verband mit der religiösen Belehrung auch werktätige Hilfe.

Dauernde Denkmäler seiner aufopfernden Liebe sind die zwei Hospize auf dem Großen und dem Kleinen St. Bernhard. Die Berge sind nach ihm benannt und tragen seinen Namen, wie den Ruhm seiner Liebestaten durch die Jahrhunderte. Die Hospize wurden von regulierten Chorherren der Augustiner geleitet, deren erster Prior Bernhard war. Wie viele Tausende, die im Laufe der Zeiten über diese Berge wandernd, sich verirrten, von Schneestürmen überfallen und gänzlich erschöpft zusammensanken, verdanken dem Liebeswerk dieses Heiligen und dem Opfergeist der in seine Fußstapfen tretenden Mitbrüder die Rettung aus den Armen des Todes! 1681 wurde Bernhard von Menthon heilig gesprochen.

Leider fällt in diese Zeit die gänzliche Trennung der Griechen von der katholischen Kirche im Jahr 1054 durch den unwissenden, ehrgeizigen Patriarchen Michael Caerularius. Nur mit Mühe wurde der Riss, den Photius hervorgerufen, noch einige Zeit hintan gehalten. Die Eifersucht auf die abendländische Kirche, die althergebrachte Abneigung der Griechen gegen die Lateiner und die Eitelkeit der Patriarchen von Konstantinopel, hatten es zu keiner aufrichtigen und dauernden Verbindung des Morgenlandes mit dem Oberhaupt der Kirche mehr kommen lassen. Untergeordnete Disziplinar-Gewohnheiten mussten den Vorwand abgeben, um die Trennung mit einem Schein von Berechtigung zu umgeben.

Den Patriarchen von Konstantinopel war es lieber, Knechte der Kaiser und später der türkischen Sultane zu werden, als in Verbindung mit dem Papst und in der Unterordnung unter denselben, die wahre Freiheit sich zu bewahren.

Außerdem tritt um diese Zeit die Ketzerei des Berengar in Frankreich auf. Er war Kanonikus von Tours und griff die Glaubenslehre vom allerheiligsten Altarssakrament an. Bis ins 9. Jahrhundert wurde kein eigentlicher Angriff auf dieses hochheilige Geheimnis gemacht. Erst im 9. Jahrhundert wurden irrige Sätze von Johannes Scotus Erigena aufgestellt, aber sie fanden keine weitere Bedeutung. Größeren Einfluss und heftigen Streit rief Berengar hervor. Wiederholt hatte er widerrufen, jedoch hinterher seinen Widerruf zurückgezogen. Durch zweideutige Ausdrücke suchte er seinen Irrtum nach Ketzerart zu verbergen und Anhang zu gewinnen. In späteren Jahren zog er sich zurück und tat ernstliche Buße, bis er im Jahr 1088 als nahezu 90-jähriger Greis seine Augen schloss.

Es wird erzählt, dass er auf dem Sterbebett unter Tränen und in Zerknirschung ausgerufen habe: „Ich hoffe für meine Sünden auf Gnade und Erbarmen bei Gott. Werde ich aber auch Verzeihung finden wegen der Ärgernisse, die ich angerichtet und wegen der vielen Seelen, die ich in den Irrtum geführt habe?“

Der Gottesfriede

Ein besonderes Verdienst um das Wohl der Völker hat sich die Kirche und haben sich namentlich die Päpste in diesem und den folgenden Jahrhunderten erworben durch die Einführung und Wahrung des sogenannten Gottesfriedens.

Die Völker, welche die Kirche nach dem Zusammenbruch der alten Welt für das Christentum und durch dasselbe für die Kultur zu gewinnen hatte, befanden sich nach in ihrer vollen rohen Naturkraft. Sie bedurften daher einer ernsten nachhaltigen Zucht. Sollte die Erziehung gelingen, musste die weltliche Gewalt die Bemühungen der Kirche unterstützen. Welch schöne Resultate in der Heranbildung der Völker zur christlichen Kultur in kurzer Zeit erzielt wurden, wenn Staat und Kirche zur Verwirklichung dieser Aufgabe Hand in Hand gehen, zeigt die Geschichte Karls des Großen.

Leider brach nach dem Tode dieses großen Kaisers infolge der Thronstreitigkeiten und der Schwäche der Regenten die unbändige Naturkraft wieder hervor; Willkür, Raub, Mord, das Faustrecht, der Krieg aller gegen alle, wurden herrschend. Gewalt ging vor Recht und in den blutigen Kämpfen, welche die die Großen unter sich ausfochten, musste das Volk, völlig schutzlos, jedes Unrecht über sich ergehen lassen.

Es galt damals wie auch oft noch späterhin:

„Wenn sich die großen Herren necken,
Gibts für die Kleinen blaue Flecken;
Und wollen die Großen sich schlagen,
So geht’s den Kleinen an den Kragen.“

Wie es gegen Ende des 11. Jahrhunderts noch vielfach aussah, ersehen wir aus den Worten, mit welchen Urban II. auf dem Konzil von Clermont die Ritterschaft zur Teilnahme an dem Kreuzzug aufforderte:

„Zieht aus und der Herr wird euch begleiten; die Waffen, welche ihr verbrecherisch im gegenseitigen Morden mit Blut befleckt, richtet jetzt gegen die Feinde des christlichen Glaubens und Namens. Reinigt euch von Diebstahl, Raub und Mordbrennerei durch ein Gott wohlgefälliges Werk. Die ihr die Waisen bedrücktet, die Witwen beraubtet, unsere christlichen Brüder gemordet, Kirchengut geplündert und jede Art von Schandtaten verübt habt, kämpft jetzt mit euren blutbefleckten Händen gegen die fremden Völker.“ (Siehe Kirchenlexikon „Gottesfriede“)

In dieser allgemeinen Verwirrung und Rechtlosigkeit erhoben sich die Bischöfe auf den Synoden zuerst in Frankreich, dann in den deutschen Ländern zur Herstellung des Friedens. Und da es bei der allgemeinen Fehdelust unmöglich schien, den beständigen Frieden zu erreichen, so suchten sie „um Gottes willen“ wenigstens eine zeitweilige Waffenruhe zu erlangen. Diese zeitweilige Waffenruhe wurde anfänglich bestimmt von Mittwoch abends bis Montag früh, in Erinnerung an den Anfang der Leiden, den Tod und die Auferstehung Christi. Diese Waffenruhe hieß Gottesfriede. Er wurde später auch auf den Advent und die Fastenzeit ausgedehnt.

Die Brecher dieses Friedens wurden mit Bann und Interdikt belegt. Auf dem Konzil von Clermont unter Urban II. wurde beschlossen, daß „dieser Friede („Treuga dei“ hieß er) vom Advent bis zur Oktav von Christi Erscheinung, vom Sonntag Septuagesima bis zur Oktav von Pfingsten, außerdem vom Sonnenuntergang am Mittwoch bis zum Sonnenaufgang am Montag in jeder Woche beobachtet werden soll“. Diese Verordnung wurde auf dem zweiten Konzil vom Lateran (1139) unter Innozenz II. und auf dem dritten Konzil vom Lateran (1179) unter Alexander III. als allgemeines Gesetz bekräftigt. –
aus: Andreas Hamerle C.Ss.R., Geschichte der Päpste, II. Band, 1907, S. 321 – S. 323

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