Morgenrot einer besseren Zeit
Heiliger Miltiades (regierte von 311-314)
Der Nachfolger des heiligen Eusebius war der heilige Miltiades, ein Afrikaner, der am 2. Juli des Jahres 310 den Stuhl des heiligen Petrus bestieg. Die grausamen Christenverfolgungen hatten nunmehr ein Ende, das Morgenrot einer besseren Zeit brach an. In die Regierung dieses Papstes fallen die beiden bedeutungsvollen Ereignisse der Einnahme Roms durch Kaiser Konstantin und die Verkündigung des kaiserlichen Befehls zur Schonung der Christen. (Stangl, Die Statthalter Jesu Christi auf Erden)
Diesem Papst war es beschieden, den äußeren Sieg des Christentums über das Heidentum zu begrüßen. Zur Zeit seiner Wahl erließ der grausamste aller Christenverfolger, Galerius, ein Schreiben, durch welches er den Christen Duldung zusicherte. Eine abscheuliche Krankheit, die ihn gleich dem ehemaligen Tyrannen Antiochus befallen hatte, und die er wie dieser als Gottesstrafe für seine Frevel ansah, hatte ihn zu diesem Schreiben veranlaßt. Bei lebendigem Leib von Würmern verzehrt, starb er bald danach in jammervoller Verzweiflung. Nun teilten sich vier Kaiser ins römische Reich: Licinius und Maximin herrschten im Orient. Maxentius und Konstantin der Große im Abendland. Maxentius, ein grausamer Tyrann und zügelloser Wüstling, verband sich mit dem ebenso verworfenen Maximin. Um sich gegen die von dieser Seite drohenden Gefahren zu schützen, gingen Konstantin und Licinius gleichfalls ein Bündnis ein und erließen beide sofort ein Gesetz, durch welches den Christen Religionsfreiheit gewährt wurde, jedoch mit dem ausdrücklichen Beisatz, die Kaiser wünschen, daß jeder bei seinem Glauben und seiner Religion bleibe. Man rüstete sich gegenseitig zum Krieg. Um einem Einfall des Maxentius zuvor zu kommen, brach Konstantin, von Gallien kommend, in Italien ein.
An einem hellen Mittag erschien ein wunderbares Zeichen, ein lichtglänzendes Kreuz am Himmel, mit der Umschrift: „In diesem Zeichen wirst du siegen.“ Staunend sah es der Kaiser und sein ganzes Heer, Offiziere und Soldaten. In der nächst folgenden Nacht erschien ihm Christus mit dem nämlichen Zeichen und forderte ihn auf, ein Feldzeichen ganz nach dem Vorbild der himmlischen Erscheinung machen zu lassen und dasselbe fortan als Reichsbanner zu gebrauchen. So hat es der Kaiser selbst erzählt und eidlich bekräftigt und Eusebius von Cäsarea, des Kaisers vertrauter Freund und der größte Geschichtsschreiber seiner Zeit, hat es aus dem Mund des Kaisers der Nachwelt überliefert. Konstantin ließ gleich am anderen Tag dieses Feldzeichen – Labarum genannt – verfertigen. Aus seiner Leibwache wählte er fünfzig der tapfersten und gottesfürchtigsten aus, welche dieses Banner tragen mussten. Noch mehr als hundert Jahre später wurde dasselbe als historische Merkwürdigkeit im kaiserlichen Palast von Konstantinopel aufbewahrt, wie die Geschichtsschreiber jener Zeit berichten. Voll Vertrauen auf den göttlichen Schutz drang Konstantin unaufhaltsam vorwärts und gewann bei Ponte Molle, in der Nähe Roms, die Entscheidungs-Schlacht, in welcher Maxentius den Tod fand (312). Mit lautem Jubel wurde der Sieger vom römischen Volk empfangen. Auf dem zum Andenken an diesen Sieg ihm errichteten, noch heute bestehenden Triumphbogen, ließ er der Mit- und Nachwelt feierlich verkünden, daß er Gott den Sieg verdanke. Noch schöner brachte er seinen Glauben und seine Dankbarkeit dadurch zum Ausdruck, daß er seiner Bildsäule, die auf dem Hauptplatz der Stadt errichtet wurde, das Kreuz in die Hand geben und die Inschrift darunter setzen ließ: „Kraft dieses heilsamen Zeichens habe ich eure Stadt von der Tyrannei befreit und dem Senat wie dem römischen Volk ihre Freiheit und ihren ersten Glanz wieder gegeben.“
Im Anfang des Jahres 313 erließ er im Verein mit Licinius von Mailand aus ein neues Gesetz zugunsten der Christen, worin ausdrücklich allen Untertanen der freie Übertritt zur christlichen Religion gestattet wurde. Zugleich wurden durch dasselbe Gesetz auch alle früher der katholischen Kirche weggenommenen religiösen Versammlungsorte sofort unentgeltlich zurück gestellt und endlich die Kirchen oder Gemeinden als Korporationen besitz- und erwerbsfähig erklärt. Man kann sich denken, welche Freude bei dieser glücklichen Wendung der Dinge die Herzen der Katholiken und namentlich das Herz des Papstes erfüllte. Nach einer so stürmischen und langen Nacht war der viel verheißende helle Morgen angebrochen.
Während der Kaiser Konstantin der Kirche den Frieden von Seiten der weltlichen Gewalt gab, wurde sie von den Donatisten beunruhigt. Diese Irrlehre trägt den Namen von zwei ketzerischen Bischöfen Afrikas, die Donatus hießen. Sie erhoben sich gegen den rechtmäßig gewählten tadellosen Bischof Caecilian von Karthago und griffen auch die katholische Lehre an. Sie behaupteten, daß die Kirche nur aus Gerechten, nicht aber aus Sündern bestehe, ja daß sie durch die Duldung von Sündern in ihrer Mitte aufhöre, die wahre Kirche Christi zu sein; ferner daß der Priester im Zustand der Sünde kein Sakrament gültig spenden könne. Eine nicht minder unchristliche als trostlose Lehre! Miltiades hielt nun zur Schlichtung dieser Streitigkeiten eine Synode in Rom ab, auf welcher Caecilian frei gesprochen, die Ankläger aber verurteilt wurden. Damit war jedoch die Ruhe nicht hergestellt. Im Gegenteil wurde der Streit noch erbitterter und dauerte ein ganzes Jahrhundert hindurch, bis es dem großen Heiligen Augustin gelang, den größten Teil der Irrenden in die Kirche zurück zu führen. Miltiades hatte die Synode im Lateranpalast im Jahre 313 abgehalten; ein Beweis, daß derselbe schon damals von Konstantin dem Papst geschenkt worden war. Er blieb fortan die Residenz der Päpste. Bald nach dieser Synode starb Miltiades, der den Irrlehrern gegenüber ein wachsamer Oberhirt, seiner Herde gegenüber so gütig war, daß der hl. Augustin ihn „einen sehr guten Mann, des christlichen Friedens Sohn und des christlichen Volkes Vater“ nennt. –
aus: Andreas Hamerle C.Ss.R., Geschichte der Päpste, I. Band, 1907, S. 135 – S. 137