Das Apostelkonzil zu Jerusalem (50 n. Chr.)

Das Apostelkonzil zu Jerusalem (um 50 n. Chr.)

Das Apostelkonzil zu Jerusalem: Glasfenster im Kölner Dom

Einige Jünger, die ehemals Juden gewesen waren, kamen von Judäa nach Antiochia und sagten zu den dortigen Brüdern: „Wenn ihr euch nicht nach der Vorschrift Moses` beschneiden lasset (1) so könnt ihr nicht selig werden.“ Da nun Paulus und Barnabas gegen diese Lehre sich erhoben (2), beschloß man, sie und einige andere wegen dieser Frage zu den Aposteln und Presbytern in Jerusalem zu senden (3). Von der Gemeinde fortgeleitet, zogen die Abgesandten nach Phönikien und Samaria, erzählten die Bekehrung der Heiden und machten dadurch allen Brüdern große Freude. In Jerusalem angekommen, wurden sie von der Gemeinde, von den Aposteln und Presbytern aufgenommen; und sie verkündigten, wie Großes Gott mit ihnen getan. Es erhoben sich aber einige aus der Sekte der Pharisäer, die den Glauben angenommen hatten, und sprachen: „Man muß die Heiden, die Christen werden, beschneiden und ihnen gebieten, das Gesetz Moses` zu beobachten.“

Da versammelten sich die Apostel (4) und Presbyter, diese Sache zu untersuchen. Nachdem aber viele gemeinschaftliche Untersuchungen gepflogen waren, stand Petrus (5) auf und sprach: „Männer, Brüder! Ihr wisset, daß Gott vor langer Zeit unter uns mich erwählte, daß die Heiden durch meinen Mund das Evangelium hören und glauben sollen. Und Gott, der die Herzen kennt, hat ihnen Zeugnis gegeben, indem er ihnen den heiligen Geist gab, gleichwie auch uns; und er machte keinen Unterschied zwischen uns und ihnen, indem er durch den Glauben ihre Herzen gereinigt hat. (6) Nun denn, warum versucht ihr Gott (7), daß ihr ein Joch auf den Nacken der Jünger legt, das weder unsere Väter noch wir zu tragen vermochten? (8) Vielmehr glauben wir, daß Juden und Heiden durch die Gnade des Herrn Jesu Christi selig werden.“ (9) Da schwieg die ganze Menge; und sie hörten Paulus und Barnabas erzählen, welch große Zeichen und Wunder Gott durch sie unter den Heiden getan. (10)

Danach hob Jakobus an und sprach: „ Simon hat erzählt, wie Gott das erste Mal die Heiden heimgesucht hat, um ein Volk aus ihnen für seinen Namen zu erwählen. Und damit stimmen die Worte der Propheten überein, wie geschrieben steht: Danach will ich wieder kommen, spricht der Herr, und die zerfallene Hüte Davids wieder aufbauen, damit auch die übrigen Menschen den Herrn suchen und alle Völker, die nach meinem Namen genannt werden. (11) Kund ist dem Herrn von Ewigkeit her sein Werk. (12). Darum halte ich dafür, daß man die aus den Heiden, die sich zu Gott bekehren, nicht beunruhige, sondern an sie schreibe, sie sollen sich enthalten von der Befleckung durch Götzenopfer (13), von der Unzucht (14), von Ersticktem und von Blut (15). Denn Moses hat von alten Zeiten her in allen Städten solche, die ihn predigen in den Synagogen, wo er jeden Sabbat gelesen wird.“ (16)

Da gefiel es den Aposteln und den Presbytern samt der ganzen Versammlung, daß man Männer wähle, die zu den Angesehensten unter den Brüdern gehörten, nämlich Judas, mit dem Beinamen Barsabas, und Silas (17), und sie mit Paulus und Barnabas nach Antiochia schicke und durch sie ein schreiben übersende, dessen Inhalt lautete: „Es hat dem Heiligen Geist und uns gefallen, euch weiter keine Last aufzuerlegen als diese notwendigen Stücke: daß ihr euch enthaltet von den Götzenopfern, von Blut, von Ersticktem und von der Unzucht.“ (18) Die Brüder in Antiochia wurden über das Schreiben voll Trost und Freude. Judas und Silas, die gleichfalls Propheten waren (19), trösteten die Brüder mit vielen Worten und bestärkten sie. Nachdem sie aber einige Zeit dort zugebracht hatten, wurden sie von den Brüdern mit Frieden entlassen zu denen, die sie gesandt hatten. (Es gefiel aber dem Silas, dort zu bleiben; Judas reiste allein nach Jerusalem (20)). Paulus aber und Barnabas verweilten zu Antiochia und lehrten und predigten mit vielen andern die frohe Botschaft des Wortes des Herrn.

Anmerkungen:

(1) Wenn ihr nicht zuvor vollkommen Juden werdet. Sie forderten infolge nationaler und religiöser Vorurteile also die Beobachtung des Gesetzes als heilsnotwendig. (Vgl. Gal. 5, 2 ff)
(2) Sie betrachteten als wesentliche Heilsbedingung für die Heiden nur den Glauben an Christus.
(3) So kam der hl. Paulus zum dritten Mal nach Jerusalem seit seiner Bekehrung (sog. Konzilsreise), und zwar (nach Gal. 2, 2) durch eine Offenbarung des Herrn noch besonders dazu veranlaßt. Die Apg. hebt den äußeren Antrieb zur Reise hervor, nämlich, die Sendung der Gemeinde; im Galaterbrief nennt Paulus den ihm persönlich zuteil gewordenen göttlichen Antrieb; beides stimmt ganz gut zusammen. In der Begleitung des Apostels befand sich Titus, ein unbeschnittener Heidenchrist; auch der Apostel Johannes war sicher auf dem Konzil anwesend. (Gal. 2, 1 9)
(4) Die Gegenwart anderer Apostel als des Petrus, Paulus, Jakobus, Johannes (Gal. 2, 9) läßt sich nicht nachweisen.
(5) Um als Oberhaupt der Kirche und Vorsteher der Konzils das entscheidende Wort zu sprechen. „Die überwiegende Autorität des Petrus zeigt sich darin, daß er den Beschluss vorgeschlagen und vertreten hat, welchen das Konzil annahm. Jakobus hat sich demselben nur angeschlossen und dann, wie man jetzt sagen würde, ein Amendement (Zusatzbestimmung) dazu gestellt“ (Felten, Die Apostelgeschichte 289f).
(6) Der Glaube an Jesus, den Sohn Gottes und Erlöser der Welt, ist für Erwachsene die Grundlage der Rechtfertigung und unerläßliche Vorbedingung der Taufe, durch die diese Reinigung bewirkt wird.
(7) Da Gott die Frage schon entschieden hat, warum widerstrebt ihr seinem Ratschluss und verlangt immer neue Entscheidungen und Wunderzeichen? Es heißt dies ja geradezu Gott auf die Probe stellen, ob sein Wille stärker ist wie der Wille der Menschen.
(8) Damit deutet der hl. Petrus die Wichtigkeit der Frage an, daß nämlich von der Aufhebung dieses Joches sowohl die Bekehrung der Heidenwelt als auch die freie Entwicklung der Kirche, als des Reiches Christi voll Gnade und Wahrheit, abhänge. Die Satzungen des Alten Bundes waren zahlreich und zum teil so schwer zu halten, daß kaum eine vollkommene Beobachtung möglich war. Wirklich unerträglich aber waren sie geworden durch eine Unzahl pharisäischer Vorschriften, durch welche die Haltung derselben noch mehr gesichert werden sollte. Freilich war darum das Gesetz für die Dauer des AT selbst keineswegs unnütz oder gar verwerflich; es sollte vielmehr durch seine Strenge die Juden vom Versinken in heidnische Abgötterei und Lasterhaftigkeit zurückhalten und sie auf Jesus Christus vorbereiten; es sollte das Bewusstsein der Schwäche und Sündhaftigkeit und damit das Verlangen nach dem Erlöser rege erhalten; es sollte nach Gal. 3, 24 Israel zu Christus hinführen, wie in der antiken Welt der „Zuchtmeister“ die Knaben zum Lehrer führte. (Gal. 3, 19ff)
(9) Wie Paulus, der in seinen Briefen so häufig von der Gnade Jesu als der Quelle des Heiles für alle Menschen redet (Röm. 1, 5; 5, 15; 1. Kor. 1, 3; 2. Kor. 1, 2; Eph. 1, 2; Phil. 1, 2 u. ö.), betont auch Petrus die Gleichberechtigung der Beschnittenen und Unbeschnittenen und lehrt, daß alle auf Grund des Glaubens durch die Gnade Rechtfertigung und Heiligung empfangen.
(10) Diese große Tatsachen sollten bestätigen, was Petrus soeben gesagt hatte. Denn sie hatten den Heiden bloß das Evangelium verkündet, ohne ihnen weitere Lasten aufzulegen; Gott aber hatte dieses Wirken durch Wunder als ihm wohlgefällig bezeugt.
(11) So buchstäblich Am. 9, 11 12, dem Sinne nach aber auch Is. 2, 1 ff; 42, 1; 49, 6; 65, 1. Mich. 4, 1 ff und andere Propheten. Die Propheten hatten hierbei keineswegs eine einfache Wiederherstellung Israels und die bloße Bekehrung der heidnischen Völker zum Judentum mit allen Teilen seines mosaischen Gesetzes im Auge; sie sagten vielmehr aufs deutlichste vorher, daß im messianischen Reich im Gegensatz zum Alten Bund, dem Gesetz der Strenge, ein neuer Bund, ein neues Gesetz, das der Gnade, gestiftet und nicht auf steinernen Tafeln, sondern in die Herzen werde geschrieben werden usw.
(12) Diese Berufung der Heiden liegt von Ewigkeit her im Plane des göttlichen Heilsratschlusses.
(13) Das Fleisch der Götzenopfer wurde von den Opfernden im Götzentempel oder auch zu Hause verzehrt, nicht selten auch verkauft. Den Juden war der Genuss solchen Fleisches streng untersagt (Ex. 34, 15), weil sie dadurch leicht zur Teilnahme an den Götzenopfern selbst und zum Götzendienst überhaupt verleitet worden wären. Ein ähnlicher Grund konnte bei den neu bekehrten Heidenchristen obwalten; zudem konnten diese, wenn sie solches Götzenopfer-Fleisch genossen, den Judenchristen schweres Ärgernis geben. Später, als und soweit diese Gründe wegfielen, hörte auch dieses Verbot auf; ebenso das des Genusses von Ersticktem und von Blut; es waren dies eben nur Disziplinargesetze von örtlich (Antiochien, Syrien und Kilikien) und zeitlich beschränkter Geltung, gegeben zu dem Zweck, eine leichtere Verbindung der Juden- und Heidenchristen herbei zu führen. Nach Erreichung des Zweckes konnten diese Verbote in Wegfall kommen (1. Kor. Kap. 8-10; sehr klar erörtert diese Frage Böckenhoff, Das apostolische Speisegesetz in den ersten Jahrhunderten, Paderborn 1903).
(14) Alle Unreinigkeit war selbstverständlich den Christen schon an und für sich verboten und sollte unter denselben nicht einmal genannt werden. (Eph. 5, 3) Sie wurde aber den Heidenchristen noch im besondern untersagt, weil darüber im Heidentum vielfach sehr lockere Begriffe herrschten und sogar mit dem Götzendienst vielfach gräuliche Vergehen dieser Art verbunden waren.
(15) Man nennt diese vier einschränkenden Bestimmungen auch die „Jakobus-Klauseln“, weil Jakobus sie beantragt.
(16) Der hl. Jakobus erinnert hieran, um anzudeuten, wie notwendig es sei, hierauf einige Rücksicht zu nehmen.
(17) Silas wird im Verlaufe der Apg. (15, 40; 16, 19ff; 17, 4; 18, 5) als Gefährte des Apostels Paulus noch weiter erwähnt. Er war, wie ziemlich allgemein angenommen wird, mit Silvanus (1. Thess. 1, 1; 2. Thess. 1, 1: 2. Kor. 1, 19; 1. Petr. 5, 12) eine und dieselbe Person; der Name Silvanus wird in Silas verkürzt. (Vgl. Bruders, Die Verfassung der Kirche 228f u. 234 f).
(18) Felten (Die Apostelgeschichte 302) nennt dieses Dekret „die magna charta der Freiheit der Heidenchristen von judaisierenden Ansprüchen; eine offizielle Anerkennung der Art und Weise der paulinischen Missionstätigkeit“. Zugleich bezeugt dieses Dekret die echt katholische Anschauung der Urkirche, daß es in der Kirche eine Lehrgewalt gibt, die unter dem Beistand des Heiligen Geistes autoritativ entscheidet.
(19) Wie Paulus und Barnabas besaßen sie die Gabe besonderer Erleuchtung. (Vgl. Apg. 11, 17)
(20) Die Worte „Es gefiel – Jerusalm“ fehlen in den besten griechischen Handschriften (Sinaiticus, Vaticanus u.a.) und in den besten Vulgata-Handschriften (Amiatinus, Fuldensis u.a.) und scheinen darum ein Vers 33 und 40 erläuterndes Glossem zu sein. Ist dies der Fall, dann ist tatsächlich auch Silas nach Jerusalem abgereist, am aber nach einiger Zeit wieder nach Antiochia (vielleicht in Begleitung des Petrus), da ihn Paulus mitnahm auf die zweite Missionsreise. Dann aber war auch hinreichend Zeit zwischen dem Apostelkonzil und der zweiten Missionsreise für den Gal. 2, 11 erzählten Streitfall in Antiochia. –
aus: Schuster u. Holzammer, Handbuch zur Biblischen Geschichte, Zweiter Band, Das Neue Testament, 1910, S. 706 – S. 710

Bildquellen

  • 314px-Koelner_Dom_Petrusfenster_Apostelkonzil: wikipedia

Verwandte Beiträge

Gregor XVI Die Irrtümer von Lamennais
Heiliger Gerasimus Abt und Einsiedler