Welche Ursache hat die Verstockung ?

Welche Ursache die Verstockung hat

Der hl. Augustinus über die Ursachen der Verhärtung

Gott verläßt den Menschen nie eher, als bis er zuvor von dem Menschen verlassen worden ist. Denn wenn jemand einmal und zum zweiten Mal und dritten Mal schwere Sünden begangen hat, so wartet doch Gott auf ihn, „daß er sich bekehre und lebe,“ (Ezech. 33,11) Wenn er aber angefangen hat, in seinen Sünden zu bleiben, dann geht aus der Menge der Sünden die Verzweiflung hervor, und aus der Verzweiflung wird die Verhärtung erzeugt. Da die Menschen allererst aus Nachlässigkeit über ihre Sünden wegsehen, weil sie gering sind, so wachsen diese allmählich und es kommen zu den geringen auch schwere Sünden, und indem sie sich häufen, versenken sie den Menschen. Wenn solches geschehen ist, so erfüllt sich, was geschrieben steht: „Wenn der Sünder einmal in den Abgrund des Bösen verfällt, so achtet er es nicht.“ (Prov. 18,3)

Von diesen spricht auch der Apostel: „Weißt du nicht, daß Gottes Langmut dich zur Buße ziehe? Durch deine Herzens-Verhärtung und unbußfertigen Sinn aber häufest du dir Zorn auf den Tag des Zorns.“ (Röm. 2,4 u. 5) Von solcher Verhärtung lesen wir auch an einem anderen Orte: „Ein ungebändigtes Pferd wird hart lenksam, und ein ungezogener Sohn wird frech und zaumlos.“ (Ecclesiastic. 30,8) Und wiederum spricht die Schrift von der Züchtigung des Sohnes: „Streiche ihm den Nacken, solange er ein Kind ist, daß er nicht verhärte und dir nicht mehr folge.“ (Loc. Cit.) Diese Zeugnisse der Schrift wollte ich deshalb mitteilen, damit ihr erkennt, daß die Verhärtung nicht durch Gottes Macht gewirkt, sondern durch Gottes Nachsicht und Güte erzeugt wird, und daß man nicht glauben muss, den Pharao habe die göttliche Macht verstockt, sondern die göttliche Langmut.

So oft ihn Gottes Schläge getroffen hatten, ward er gedemütigt und voll Reue. Wenn ihm aber Gottes Güte verzeihen hatte, erhob er sich wieder. Glaubet, Brüder, aufs bestimmteste und wisset, daß, so oft der Herr gesagt hat: Ich will das Herz Pharaos verhärten (Exod. 4,21), er es nicht anders verstanden haben wollte, als: ich unterbreche meine Schläge und Geißel, und lasse solcherweise zu, daß er durch meine Güte und Nachsicht gegen mich sich verhärte. – Aber, möchte jemand sagen, warum machte Gott, daß er durch Verschonen such verhärtete, und warum hielt er mit der Geißel inne? – Deshalb, weil Pharao vermöge der Anhäufung seiner Sünden nicht als ein Kind zur Besserung gezüchtigt zu werden verdiente, sondern ihm als Feind überlassen wurde, sich zu verhärten. Denn von ihm sind so viele Sünden voraus gegangen daß an ihm sich erfüllte, was der heilige König von solchen gesagt hat: „Sie haben Mühseligkeiten nicht wie andere Menschen; sie werden gezüchtigt nicht wie andere Leute; deshalb bemächtigt sich ihrer die Hoffart und Bosheit, und Gottlosigkeit bedeckt sie; ihre Bosheit wächst wie aus dem Fett hervor.“ (Psalm. 72,5)

Von jenen aber, bei welchen Gottes Barmherzigkeit nicht zuläßt, daß sie verhärtet werden, steht geschrieben: „Gott züchtigt jeden Sohn, den er aufnimmt.“ (Hebr. 12,6) Und wiederum: „Ich tadle und züchtige die, welche ich liebe.“ (Apocal. 3,19) Und abermals: „Wen der Herr lieb hat, den züchtigt er.“ (Prov. 3,12) Von jener Verhärtung redet auch der Prophet und spricht im Namen des Volkes zum Herrn: Du hast unser Herz verhärtet, daß wir dich nicht fürchten.“ (Isai. 63, 17) Dieses aber heißt nichts anderes, als: du hast unser Herz verlassen, damit wir uns nicht zu dir kehrten. Solches hat sich, wie wir wissen, im Volke Israel wegen der vielen gotteslästerlichen Sünden, die vorher gingen, erfüllt.

Niemand also sei so vermessen und tadle Gottes Gerechtigkeit, sondern er glaube für ganz gewiß, daß nicht Gottes gewaltsame Macht, sondern die eigene Bosheit und der unbezähmbare Stolz gemacht hat, daß Pharao so oft wider Gottes Gebote sich verhärtet habe. Wenn also der Herr gesagt hat: „Ich will sein Herz verstocken“, was heißt das anders, als: wenn meine Gnade ihn verläßt, verhärtet ihn seine Bosheit? Und damit solches klar und anschaulich werde, so will ich folgendes Gleichnis anführen.

Wie das Wasser, so oft es durch allzu große Kälte zu Eis wird, wenn die Wärme der Sonne kommt, wieder aufgelöst wird, und wenn die Sonne weicht, wieder verhärtet wird: ebenso erkaltet wie die Liebe vieler durch die Kälte der Sünden, und sie werden wie zu Eis verhärtet; wenn aber die Wärme göttlicher Barmherzigkeit wieder über sie kommt, werden sie frei und belebt. Sie ist jene Wärme, von der geschrieben steht: „Niemand kann sich vor ihrer Hitze verbergen.“ (Psalm. 18,7) Auch dieses hat sich, wie wir wissen, bei Pharao erfüllt; denn so oft sich die Geißel von ihm gewendet, war er verhärtet und er erhob sich wider Gott, wurde er aber geschlagen, so flehte er demütig zum Herrn.
Augustin. Serm. 88. de tempore. –
aus: Bernardin Thuille, Ord. fr. Capuc., Patristisches Handbuch, 1888, S. 532 – S. 535

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