Von der plötzlichen Ankunft des letzten Gerichtstages
Am dritten Sonntag im Advent – Teil 2
Wie im persönlichen Gericht, so am letzten Gerichtstag
Bereitet den Weg des Herrn: so müssen wir uns denn schon jetzt mit der möglichsten Sorgfalt auf diesen Tag bereit machen… Diesen Schluss mache nicht ich, sondern Jesus Christus, die unfehlbare Wahrheit, selbst bei dem heiligen Evangelisten Matthäus. Denn nachdem er die Ungewissheit des Gerichtstages vorher sagte, von welcher Zeit kein Mensch noch ein Engel im Himmel etwas wüßte, setzt er gleich hinzu: Darum wachet, denn ihr wisset nicht, zu welcher Stunde euer Herr kommen wird (Matth. 24, 42); wachet, bereitet euch gleich einem Hausherrn, welcher einen Dieb erwartet und die Stunde nicht weiß, wann dieser in sein Haus einbrechen werde. Wachet, spricht er ebenfalls bei dem Evangelisten Markus, nachdem er die vorher gehenden Zeichen ausgelegt. Seid also wachsam (denn ihr wisset nicht, wann der Herr des Hauses kommt, Abends oder um Mitternacht, beim Hahnengeschrei oder Morgens), damit er, wenn er ganz unerwartet käme, euch nicht schlafend finde. (Mark. 13, 35 u. 36) Und damit wir nicht meinen sollten, als hätte er diese Warnung seinen Jüngern allein gegeben, so setzt er folgende Worte darauf: Was ich aber euch sage, das sage ich allen: wachet, bereitet euch auf meine Ankunft, tut Buße über eure Sünden; euer Leben soll schon jetzt so eingerichtet sein, daß der unerwartet ankommende Richter euch im Stande der heiligmachenden Gnade treffe, damit das verzehrende zeitliche Feuer euch nicht mit Leib und Seele in das ewige Feuer der Hölle hinab ziehe.
Geht uns der letzte Gerichtstag nichts an?
Ei, denkt ihr, was geht uns das an? Solches betrifft jene Menschen allein, welche alsdann nach Verschwinden der Zeichen auf der Welt noch sein werden; wir werden den letzten Gerichtstag ja nicht erleben, denn dazu trifft man noch keine Anstalten. Wie, meine Andächtigen! Nicht erleben? Woher sind wir dessen versichert? Sind nicht die meisten Vorboten des Endes der Welt schon längst vorbei? Dauern sie nicht noch wirklich? Dann wird, wie Christus voraus gesagt, als Vorboten des heran nahenden letzten Gerichtstages Volk wider Volk und Reich wider Reich aufstehen. (Luk. 21, 10) Haben wir nicht die traurige Erfahrung davon, daß es mehrmals bereits geschehen und noch wirklich immer geschehe? Es werden hier und dort Pest, Hunger und Erdbeben sein. Hat nicht dergleichen die Welt schon erfahren? Und weil die Ungerechtigkeit überhand nimmt, wird die Liebe bei Vielen erkalten. (Matth. 24, 12) Leider Gottes! Ist es nicht heut zu Tage nur allzu wahr auch unter dem auserlesenen Volk Gottes, unter den Katholiken? Wo ist ein Merkmal der ersten Christenheit, da alle Gläubigen Ein Herz und Eine Seele waren? Da der bloße Name eines Christen sogar den Heiden allen verdacht und Argwohn eines aufgebürdeten Lasters benahm? Hoffart, Eitelkeit, Geldgeiz, Betrügerei, Ungerechtigkeit, Unmäßigkeit, Unzucht, sind sie nicht auf`s höchste gestiegen? Zur Zergliederung des römischen Reiches, welches eines der nächsten Zeichen des Endes der Welt sein wird, ist bereits der Anfang gemacht. Was erwarten wir denn weiteres? Die Ankunft des Antichrists? Ja, wer kann aber wissen, ob er nicht schon wirklich geboren ist? Dessen Reich und Verfolgung wird nur vierthalb Jahre dauern; wie lange danach noch bis zum jüngsten Tage sein werde, ist unbekannt, folglich ist es gar keine Unmöglichkeit, daß nicht viele von uns diesen Tag erleben können.
Doch dem sei wie ihm wolle; zum Gerichtstag sich bereit halten, heißt sich bereiten zu allen jenen Zeichen, welche zu dem Tage gehören, um den Versuchungen und Verfolgungen des Antichrists, wenn er kommen sollte, widerstehen zu können, daß wir auch davon keine Gefahr haben. Währt auch die Welt noch tausend und mehrere Jahre, so soll dennoch jetzt ein jeder auf seiner Hut sein und sich sorgfältigst bereit halten, damit er am letzten Gerichtstage wohl bestehe. Hört den heiligen Augustinus: In dem Stande, in welchem einen jeden sein letzter Tag antreffen wird, in demselben Stand wird der letzte Tag der Welt ihn antreffen. Denn wie einer stirbt, so wird er an jenem Tage gerichtet werden. Sterbe ich einmal wohl im Stande der Gnaden, so habe ich kein Gericht zu fürchten, sondern vielmehr mich darauf zu freuen: das Reich der Himmel unter den Auserwählten bliebt mir gewiß; sterbe ich einmal im Stande der Sünde, so habe ich am letzten Gerichtstag nichts Gutes zu hoffen: das Feuer der Hölle unter den Verdammten ist und bleibt mir auf ewig bestimmt. So hängt denn die Beschaffenheit meines letzten Gerichtstages an der Beschaffenheit meines Todes und letzten Tages des Lebens, folglich wie ich mich bereit halten soll auf jenen Tag, so soll und muss ich mich bereit halten auf die Stunde meines Todes. Nun aber, wer wird mir sagen können, wann und zu welcher Zeit diese Stunde für mich sein werde? Davon weiß nur Gott allein; umsonst erwarte ich einen Botschafter, welcher mir dieselbe ankündigen wird. Ob sie sein werde über zwanzig, über zehn Jahre, das weiß ich nicht; ob sie sein werde in gegenwärtiger Woche, das weiß ich nicht; ob sie sein werde morgen oder heute, oder noch vielleicht in dieser Stunde, in welcher ich davon predige, das weiß ich nicht. Eines weiß ich, was mich und alle Menschen der Herr ermahnt: So seid auch ihr bereit, denn der Menschensohn wird zu einer Stunde kommen, die ihr nicht wisset (Matth. 24, 44) zu einer Stunde, da ihr es nicht meinet, wird der Tod kommen und euch von der Welt vor den Richterstuhl Gottes im geheimen Gericht abfordern, in welchem eben derselbe Spruch, der hier gefällt worden ist, auch am letzten Gerichtstage bestätigt werden wird.
Erinnert euch nur oft an die ungewisse Stunde
Also muss ein jeder von uns, der seine Seele und Seligkeit lieb hat, schon jetzt wirklich sich bereit halten auf die Ankunft des Richters; seid bereit, denn sich bereiten wollen, wenn der Herr vor der Türe klopft, ist viel zu spät und für ewig zu spät. Darum wachet, denn ihr wisset nicht, zu welcher Stunde euer Herr kommen wird. (ebd., Vers 42) Und weil ihr dieses nicht wissen könnt, so seid allzeit auf der Hut, haltet beständige Freundschaft mit eurem Gott, getraue sich ja keiner auch eine einzige Viertelstunde in dessen Ungnade im Stande der Sünde zu verharren, damit nicht vielleicht eben diese Viertelstunde jene sei, in welcher der Tod ihn unversehens überfallen und zum Gericht Gottes berufen wird. Wenn ein Hausvater wüßte, zu welcher Stunde der Dieb kommt, so würde er freilich zu der Stunde nicht schlafen, sondern dagegen sich wohl versehen, und in sein Haus nicht einbrechen lassen. Wüßte auch ein jeder von uns die Stunde seines Hinscheidens, wer würde so verzweifelt sein, daß er nicht zuvor seine Sünden bereuen und sich mit Gott versöhnen sollte? Weil wir denn die Stunde nicht wissen und eine jede Stunde die letzte sein kann, so müssen wir ja jede Stunde dieses Geschäft vornehmen und zur Reise in die lange Ewigkeit bereit bleiben.
Erinnert euch nur oft an die ungewisse Stunde, in welcher wir sterben und vor dem strengen Gericht Gottes erscheinen werden; denn das ganze ruchlose Leben bei einem gläubigen Christen rührt her aus der Vergessenheit seiner letzten Dinger nach dem Zeugnis des heiligen Geistes: Gedenke an deine letzten Dinge, so wirst du in Ewigkeit nicht sündigen. (Ekkli. 7) Vernehmt, was einst ein Priester tat, welcher die Kunst, Seelen zu bekehren, sehr wohl verstand. Es kam zu ihm ein in Jahren, sowie auch in Sünden ergrauter Mann und beichtete ihm die Sünden seines ganzen Lebens. Da der Priester merkte, mit wem er hier zu tun habe, legte er ihm nun Fasten als Buße auf; allein der Mann gab vor, er könne dieses wegen seines Alters nicht mehr unternehmen. Der Priester gab ihm noch einige Bußübungen an, die er verrichten sollte; allein stets wußte der Greis dagegen eine Einwendung. Endlich sagte der Priester, er solle zur Buße täglich einen Monat lang sich im Spiegel besehen und seinen Bart streichen. Als dieses der Mann einige Tage nacheinander getan hatte, da fiel ihm die Weiße seines Bartes auf, und es kam ihm nun der Gedanke an den Tod. Darüber bestürzt, eilte er wieder zu dem Priester, bekannte noch einmal seine Sünden und führte von nun an ein bußfertiges, strenges Leben bis an seinen glückseligen Tod. (siehe auch den Beitrag: Wo gehst du hin? Dem Grab entgegen)
Diesen Rat kann ich uns allen nicht geben, denn die meisten von uns sind noch nicht so alt, daß sie ihre grauen Haare mit den Händen streichen und im Spiegel betrachten können. Und eben das ist es, was viele zu ihrer Ausflucht nehmen. O, denken sie, ich bin noch nicht alt, ich bin noch jung, ich bin noch stark und gesund, ich stehe noch in den besten Jahren meines Alters, ich habe noch keine Furcht zu sterben; jetzt kann ich noch etwas wagen, hernach ist es Zeit genug, ,mich zu bessern, eine andere Lebensweise anzufangen und die Vorbereitung zum Tode vorzunehmen etc. Ach, du leidiges Hernach! Ich bin noch jung, ich bin noch nicht alt; wie viele tausend Seelen hast du in die Hölle gestürzt! Können denn die jungen Leute nicht auch sterben? Freilich, die wenigstens Menschen sterben im hohen Alter, die meisten fahren hin in ihren bösen Jahren; kein einziger weiß die Stunde, in welcher der Herr kommen wird, ihn abzufordern; alle Stunden müssen die Jungen sowohl als die alten dazu bereit sein. Hernach soll es geschehen, sagst du. Was? spricht der heilige Augustinus, hernach? Wer also denkt, der betrügt sich selbst und treibt Gespött mit seinem Tod. Betrachte die höchste Gefahr des letzten Tages und was daran gelegen sei, ewige Freuden, ewige Peinen hängend daran. Es ist kein Kinderspiel, worum es sich hier handelt; ein ewiges Himmelreich, ist das ein Kinderspiel, dessen Gewinn man auf das ungewisse Hernach aufschieben soll? Ein ewiges Höllenfeuer, ist das ein Kinderspiel, welchem zu entgehen man sich in dem unsichern Hernach, das vielleicht nie kommen wird, entschließen soll? Weißt du, was von jenem Knecht im Evangelium gesagt wird, welcher sich auf die zukünftige Zeit verläßt und zu sich selbst spricht: Mein Herr säumt zu kommen (Matth. 24, 48-51); laß mich indessen lustig und guter Dinge sein etc. Was erfolgt aber? Es wird der Herr dieses Knechtes kommen an einem Tage, wo er es nicht erwartet, und zu einer Stunde, da er es nicht weiß, und wird ihn absondern und ihm seinen Teil mit den Heuchlern geben, da wird Heulen und Zähneknirschens ein. (siehe den Beitrag: Die furchtbarste Stunde ist die Sterbestunde)
Fortsetzung: Betrachtung über Tod und Gericht –
aus: Franz Hunolt SJ, Christliche Sittenlehre der evangelischen Wahrheiten, dem christlichen Volk in sonn- und festtäglichen Predigten vorgetragen, Bd. 9, Siebzehnter Teil, 1848, S. 141 – S. 145