Die furchtbarste Stunde ist unsere Sterbestunde
Verehre doch recht innig die hl. Barbara, damit du durch ihre mächtige Fürbitte die kostbare Gnade erlangst, in deiner letzten Stunde mit den heiligen Sterbesakramenten versehen zu werden. Ihre Todesstunde war unbeschreiblich bitter. Deshalb hat Gott, wie die Kirche an ihrem Fest betet, um ihre Verdienste zu ehren, Allen, welche sie würdig anrufen, Barmherzigkeit versprochen. Deine Todesstunde wird auch bitter und der göttlichen Barmherzigkeit durch die heiligen Sakramente dringendst bedürftig sein; du magst den Zustand deines Leibes oder deiner Seele betrachten:
1. In der Sterbestunde, von der du heute nur soviel ganz gewiß weißt, daß sie von der Weisheit Gottes schon genau bestimmt ist und bälder für dich schlagen wird, als du es vermutest, in dieser Sterbestunde wird dein Leib furchtbar leiden, einerseits ob der Angst vor der Trennung, die ihn von der Seele, von den Hausgenossen und Familiengliedern, von dem zeitlichen Besitz und den noch unvollendeten Plänen wegreißt, anderseits ob der unerträglichen Schmerzen, unter welchen diese Trennung gewaltsam vor sich geht. In dieser Stunde ist dein Leib schrecklich anzusehen, wie er erblaßt, erkaltet, wie das Auge bricht, der Angstschweiß auf der Stirne steht, der Mund verdorrt, die Kehle röchelt, der Atem stockt, die Verwesung beginnt: welche Schauder mögen erst ihn selbst quälen! O wie notwendig, wie erwünscht ist da für dich ein guter Freund, ein allmächtiger Tröster, der dich erquicken und zum letzten Opfer, dem Opfer deines Lebens, stärken kann! Der einzige hier auf Erden Lebende, der dich wahrhaft erquicken kann, ist Jesus in der heiligen Hostie. Möge er zu dir kommen und dich stärken!
2. In dieser Stunde wird deine Seele mit dem Psalmisten seufzen: „Die Schmerzen des Todes halten mich umfangen, die Gefahren der Hölle haben mich getroffen, Trübsal und Schmerzen haben mich gefunden!“ (Ps. 114) Das Gewissen wird dir vorstellen alle begangenen Sünden, alle gebrochenen Vorsätze, alle mißbrauchten Gnaden, alle vernachlässigten Pflichten gegen Gott, gegen die deinigen, gegen dich selbst. Die Teufel werden, wie die heilige Kirche lehrt, ihre Kraft und ihren Haß aufbieten, deinen Glauben zu verwirren, deine Hoffnung zu verdunkeln, deine Liebe in knechtische Furcht zu verwandeln, kurz in diesem entscheidenden Kampf Sieger zu bleiben. „Die Sünden“, sagt der hl. Franz von Sales, „die dir bisher nur ganz klein zu sein schienen, werden wie Berge vor deiner Seele sich auftürmen, und Alles, was du Gottseliges getan zu haben glaubst, wird dir sehr mangelhaft und ganz unbedeutend erscheinen.“ Jetzt hast du keine Zeit mehr, etwas zu verbessern; deine Seele muß hinüber – in das Haus der Ewigkeit, hinüber vor das Gericht der ewigen Gerechtigkeit und anhören das unabänderliche Urteil für die Ewigkeit. In dieser furchtbarsten Stunde – wer kann dich wahrhaft trösten, wer aufrichten und retten? Niemand anders als nur der Gottmensch, Jesus in der heiligen Hostie. Möge Er durch die Fürbitte der heiligen Barbara zu dir kommen! –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 907 – S. 908