Verführung zur ewigen Verdammnis

Fremde Sünden

Die Verführung zur ewigen Verdammnis

Ein Beispiel

Ein anderes Beispiel, wie schwer das Bewusstsein auf dem Herzen lastet, durch Verführung schuld am ewigen Untergang anderer gewesen zu sein, erzählt Beaudrand in seinem Werk „Erbauliche Geschichten“, mit dem Bemerken ,,die Begebenheit habe sich in Frankreich, seinem Vaterlande, im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts ereignet.

„In einer unserer Städte“, so berichtet derselbe, „lebte ein Jüngling, der allen andern zum Muster dienen konnte: Frömmigkeit, Sittsamkeit, Furcht Gottes, öfterer Empfang der hl. Sakramente, Liebe zum Gebet, mit einem Wort, alle Tugenden seines alters waren in ihm vereinigt. Bei Gelegenheit eines öffentlichen Freudenfestes, das in einem benachbarten Ort gefeiert wurde, wollte er sich auch dahin begeben. Gewöhnlich machte er seine Spaziergänge in Gesellschaft eines Altersgenossen, der fromm und gottesfürchtig war wie er; diesmal ging er gegen seine Gewohnheit allein. Auf dem Wege kam ein anderer junger Mensch zu ihm, der in schlechtem Rufe stand. Er hätte demselben nicht trauen und unter irgend einem schicklichen Vorwand sich von ihm trennen sollen, tat es aber unglücklicher Weise nicht. Anfänglich drehte sich die Unterhaltung nur um gleichgültige Gegenstände; nach und nach schlichen sich einige zweideutige Redensarten ein, bald darauf folgten von Seiten des lockeren Begleiters unanständige Worte und spöttische Ausfälle gegen die Frömmigkeit; dann fing er an von Vergnügen und Lustpartien zu sprechen, die er mitgemacht. Unvermerkt wurden seine Reden und Manieren ausgelassener; endlich kam er so weit, den bis an so braven Jüngling zu einer schweren Sünde wider die Keuschheit zu verführen. Kaum war aber die Sünde begangen, so fiel der Verführte in Ohnmacht und starb sogleich, ohne auch nur einen Augenblick Zeit zu haben, in sich zu gehen.

Bei diesem Anblick ergriff den Verführer ein solches Entsetzen, daß er unverzüglich in ein benachbartes sehr strenges Kloster ging, den Obern rief, sich ihm zu Füßen warf und in Tränen zerfließend zu ihm sprach: „Ach Vater! Habt Mitleid mit einem Elenden, welcher soeben eine Seele ins ewige Verderben gestürzt hat! Erweist mir die Liebe, mich aufzunehmen, damit ich mein ganzes Leben hindurch Buße tue.“ Der Obere, ein kluger und erfahrener Mann, lobte seine bußfertige Gesinnung und munterte ihn auf, darin zu verharren, stellte ihm aber vor, daß man ihm die Aufnahme ins Kloster nicht gestatten könne, ohne zuvor seinen Beruf geprüft zu haben. „Wohlan, mein Vater“, sprach der junge Büßer, „ich werde, solange Sie wollen, an der Pforte des Klosters verbleiben; nimmer mehr werde ich mich von dieser Stelle zurück ziehen, bis mir das Glück zuteil wird, in Ihre Genossenschaft aufgenommen zu werden.“ Der Obere ließ ihn das Kloster betreten und unterwarf ihn geraume einer strengen Probe. Der Büßende ward ein vollkommener Ordensmann und bewahrte stets das Andenken an seine unselige Tat. So oft die Mitbrüder sich versammelten, legte er sich auf die Türschwelle, damit alle über ihn hinweg schritten, und wiederholte während der Zeit immerfort die kläglichen Worte: „Erbarmt euch eines Unglücklichen, der eine Seele in die Hölle gestürzt hat.“ – Diese Begebenheit dient nicht bloß dazu, von der Verführung abzuschrecken, sie stellt uns zugleich lebhaft vor Augen, wie schwer oft diejenigen, welche es unterlassen, den Verführer zu fliehen, für ihren Leichtsinn oder ihre Menschenfurcht zu büßen haben.

Die verderbliche Macht, welche das böse Beispiel auf das Herz des Menschen ausübt, schildert uns der hl. Augustin (Bekenntnisse, Bch. 2) auf treffende Weise. „Es stand“, sagte er, „in der Nähe unsers Weinberges ein Birnbaum mit Früchten, die weder durch ihre schöne Gestalt noch durch ihren Wohlgeschmack anlocken konnten. Um diesen Baum zu schütteln, und zu plündern, machten unser etliche boshafte junge Leute bei finsterer Nacht sich auf. Wir schleppten Birnen davon, soviel wir nur tragen konnten, nicht etwa um sie selbst zu essen, wenngleich wir auch einige davon verkosteten, sondern um sie den Schweinen vorzuwerfen… Ich hatte keine Lust zu den Birnen; die böse Tat selbst war es, die mich anlockte, und sie lockte mich, weil wir mehrere zusammen den schlimmen Streich ausführten… Es galt einen tollen Spaß, und es tat unserm Herzen eigentlich wohl, diejenigen zu täuschen, welche so etwas von uns nicht vermutet hätten. Allein hätte ich jenen Diebstahl, wobei mir am Entwendeten nichts gelegen war, sicher nicht begangen… O feindliche Freundschaft! Nicht Gewinn-, nicht Rachsucht war es, die mich verleiteten, andern zu schaden, sondern das Wort: ‚Frisch auf; machen wir uns daran!‘ Ich schämte mich, nicht unverschämt (wie die andern) zu sein.“ –
Quelle: P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung, Bd. 2, 1912, S. 554 – S. 555

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