Wirkungen der Menschwerdung für Maria

Das Geheimnis der Menschwerdung

Teil 2-2

Die nächste Wirkung der Menschwerdung für Maria

Für Maria war die nächste Wirkung der Menschwerdung, daß sie wirklich Mutter Gottes wurde. – Maria ist wirklich Mutter Gottes, eben weil sie Mutter Jesu ist. In der Schrift wird sie oft Mutter Jesu genannt (Matth. 1, 18. 21; Luk. 2, 33. 51; Joh. 2, 1); Elisabeth und Simeon und andere erkennen sie als solche und der Heiland selbst (Luk. 1, 43; Joh. 6, 42; 19, 25f). Was ferner die Heilige Schrift von dieser Beziehung aussagt, ist nichts als die eigentliche Mutterschaft (Luk. 1, 31) durch eigentliche Zeugung, und der Gezeugte ist Gottes Sohn (Luk. 1, 32). Wie wir Söhne unserer Mutter sind, so ist der Heiland der Sohn Marias, um so mehr, da er jungfräulich empfangen wurde.

Das ist nun aber eine höchst erhabene und wunderbare Würde. Ihrer Natur nach ist sie ganz übernatürlich, sowohl in der Art, wie die Mutterschaft verwirklicht wurde, als auch bezüglich des Sohnes, der Sohn Gottes ist; ja bezüglich des Sohnes ist sie einfach unendlich, weil die Würde des Sohnes auch unendlich ist. Sie ist eine Blutsverwandschaft mit dem Sohne Gottes. Er ist in ihr nicht wie in andern Geschöpfen dem Ebenbild und der Gegenwart nach, sondern in gewissem Sinne der Identität nach, weil sein Blut und sein Fleisch das Blut und Fleisch Mariens ist. Es ist die höchste und innigste Verbindung mit Gott, zuerst mit dem Sohne und durch ihn auch in besonderer Weise mit dem Vater und dem Heiligen Geist. – Bezüglich anderer Würden, z. B. der heiligmachenden Gnade, kann insofern eine Vergleichung dieser Würde nicht stattfinden, als die Muttergottes-Würde einer ganz andern, höheren Ordnung angehört und zugleich die Herrlichkeit der Gnade in sich schließt. Sie ist nicht bloß eine fleischliche, sondern auch eine geistliche Verwandtschaft mit Gott. –

Den Wirkungen nach schließt diese Würde die höchste Macht ein, nämlich dem Sohne Gottes zu befehlen, und den höchsten Vorteil, nämlich ein besonderes Recht auf seine Liebe und Dankbarkeit und Verehrung, ein recht auf alle Güter der Gnade und Glorie für sich und die Macht, sie andern mitzuteilen. So ist diese göttliche Mutterschaft die Quelle und das Maß aller Gnaden und Privilegien, die sie erhalten von ihrer Empfängnis an, die Quelle aller Macht, uns zu helfen. Sie ist infolge dieser Mutterschaft auch unsere Mittlerin, Königin des Himmels und der Erde und unsere Mutter dem Geiste nach. Folgerichtig ist diese Mutterschaft auch unsererseits das Fundament einer besonderen Verehrung und eines kindlichen Vertrauens gegen sie. Es ist diese Stellung Marias zu Jesus als Mutter einfach das Maßgebende und Eigentümliche an Maria, der Standpunkt, von dem aus man allein ihr wunderbares Leben verstehen und beurteilen kann. Alles kommt daher und geht dahin zurück. Wir ehren in ihr vor allem die Gottesmutter, also eigentlich den Heiland und Gott in ihr.

Das ist es, was die Menschwerdung Maria bringt. Wie erhaben steht sie in dieser Mutterschaft neben Christus! Ganz anders als Eva dem ersten Adam gegenüber. Hier geht der zweite Adam aus der zweiten Eva hervor; sie gibt ihm den Namen, und er ist ihr untertan! Diese Mutterschaft baut Maria ganz wesentlich und unverrückbar ins Christentum ein, in den Glauben als Gottesmutter, in die Sittenlehre als unerreichtes Vorbild der Tugend und Heiligkeit, in die Gnaden-Veranstaltung als die vornehmste Vermittlerin der Gnadenhilfe nach Christus. –
aus: Moritz Meschler SJ, Das Leben unseres Herrn Jesu Christi des Sohnes Gottes, Bd. 1, 1912, S. 86 – S. 88

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