Die Gebote der göttlichen Tugenden – Der Glaube
Dritter Artikel
Unglaube, Apostasie und Häresie
I. Unglaube
ist der Mangel des Glaubens bei einem Ungetauften. Er ist insofern Sünde, als er selbstverschuldet ist.
Völlig unverschuldeter Unglaube ist keine Sünde. Wer es schuldbarer Weise vernachlässigt, den wahren Glauben kennen zu lernen, sündigt leicht oder schwer, je nachdem seine Nachlässigkeit leicht oder schwer ist. – Solange aber jemand an seiner bisherigen Religion noch keine vernünftigen Zweifel hat, besteht auch keine schwere Pflicht, weiter nachzuforschen. Sind jemandem die Glaubens-Wahrheiten hinreichend zu glauben vorgestellt, so ist Unglaube immer eine schwere Sünde.
II. Apostasie
ist der gänzliche Abfall vom christlichen Glauben seitens einer Person, die in der Taufe den wahren Glauben empfangen hat (can. 1325 §2).
Apostat wird daher jemand z.B. durch Leugnung eines persönlichen Gottes oder der Gottheit Christi. Anschluß an eine andere Religions-Genossenschaft ist nicht gefordert.
III. Häresie
ist ein Verstandes-Irrtum, infolge dessen ein Getaufter eine von Gott geoffenbarte und von der Kirche zu glauben vorgestellte Wahrheit hartnäckig leugnet oder an ihr auch nur zweifelt (ca. 1325 §2)
Hartnäckig leugnet man eine Lehre, wenn man sie leugnet, obwohl man weiß, daß sie von der Kirche als göttliche Offenbarung zu glauben vorgestellt ist. Wer letzteres nicht weiß wegen sündhafter Unwissenheit, wird durch Leugnung dieser Lehre zwar kein formeller Häretiker, aber er versündigt sich nach der Größe seiner Nachlässigkeit schwer oder leicht gegen den Glauben. Dasselbe gilt von jenem Häretiker, der an der Wahrheit seiner Religion zweifelt, aus sündhaftem Leichtsinn oder Nachlässigkeit aber nicht weiter nachforscht. Nur dann würde er ein formeller Häretiker, wenn er die Nachforschungen unterlassen würde, weil er entschlossen ist, nicht katholisch zu werden, auch wenn er die katholische Religion als die wahre erkennen würde.
Die Sünde der Häresie, nicht aber das kirchenrechtlich strafbare Verbrechen der Häresie, liegt vor, wenn jemand eine Wahrheit leugnet, von der er fälschlicherweise meint, sie sei von Gott geoffenbart und von der Kirche zu glauben vorgestellt; ferner wenn derjenige, der eine entsprechende Wahrheit leugnet, gläubig, aber nicht getauft ist (z.B. Katechumene); ferner wenn jemand die Wahrheit nur innerlich leugnet, es aber nicht nach außen kund gibt.
Da die Häresie ihrem innersten Wesen nach ein Verstandes-Irrtum ist, so ist derjenige, der eine Glaubens-Wahrheit nur äußerlich zum Schein leugnet, innerlich aber von der Wahrheit überzeugt ist, kein Häretiker; er zieht sich auch die entsprechenden Strafen nicht zu, obwohl er in foro externo als Häretiker behandelt wird. Ein solcher aber sündigt schwer durch Verleugnung des Glaubens.
Obwohl jeder, der an einer Glaubens-Wahrheit hartnäckig zweifelt, ein Häretiker ist, so ist doch jener kein Häretiker, der sein Urteil über eine zu glauben vorgestellte Wahrheit einfach zurück hält, aber nicht positiv daran zweifelt; er sündigt aber gegen die Pflicht, einen Glaubensakt zu erwecken. Wer bei einer Versuchung gegen den Glauben schwankt zwischen Ablehnung und Zustimmung, seine Zustimmung aber nicht überlegter Weise suspendiert, sündigt läßlich, weil er der Versuchung nachlässig widersteht.
Ob Liberale oder Sozialdemokraten und Kommunisten auch Häretiker seien, hängt davon ab, inwieweit sie sich zu den Prinzipien dieser Parteien bekennen. Wer z.B. sich zur Ansicht bekennt, der christliche Staat sei von der Kirche vollständig unabhängig, oder die Kirche sei dem Staat unterworfen, der ist ein Häretiker. Ebenso ist Häretiker, wer prinzipiell der Religion keinen Einfluß auf das öffentliche Leben zugestehen will, wer an Stelle der Ehe die freie Liebe setzen will, wer sagt, der Besitz irdischer Glücksgüter sei eine Ungerechtigkeit. – Wegen mangelnder Belehrung aber befinden sich solche Leute manchmal in bona fides. Ob der Beichtvater sie darin lassen darf, hängt von der Art ihres Irrtums ab und von dem größeren oder geringeren Ärgernis, das sie geben; besonders sind auch die Instruktionen der Bischöfe zu beachten.
Weil die Häresie eine göttliche Offenbarung voraussetzt, so ist jener kein Häretiker, der eine Wahrheit leugnet, die von dem unfehlbaren Lehramt der Kirche zu glauben vorgestellt wird, aber nicht von Gott geoffenbart ist; er sündigt aber schwer. – Wer sich zu einer Lehre bekennt, die zwar verworfen wurde, aber nicht von dem unfehlbaren Lehramt der Kirche, der sündigt nicht gegen den Glauben, aber gegen den der Kirche schuldigen Gehorsam, solange das Gegenteil nicht sicher bewiesen ist.
Die Approbation von Privatoffenbarungen seitens der Kirche besagt nur, daß sie nichts gegen den Glauben und die guten Sitten enthalten. Wer sie leugnet, weil er nicht überzeugt ist, daß sie von Gott stammen, sündigt niemals schwer.
Anmerkung. Das Schisma
ist gewöhnlich mit einer Häresie verbunden. In diesem Fall gilt von den Schismatikern dasselbe wie von den Häretikern. – Tritt es ohne Häresie auf, so ist es keine Sünde gegen den Glauben, sondern gegen die Liebe. –
aus: Heribert Jone OMCap, Katholische Moraltheologie, 1931, S. 91 – S. 94