Gesetzbuch Häretiker und Schismatiker

Gesetzbuch der lateinischen Kirche

Gesetzbuch CIC Häretiker und Schismatiker

Kanon 1325
§ 1

Ein öffentliches Bekenntnis des Glaubens ist für die Christen Pflicht, sooft Schweigen, Ausreden oder die ganze Handlungsweise eine Glaubensverleugnung in sich schließen würde oder eine Verachtung der Religion oder ein Unrecht gegen Gott oder ein Ärgernis für den Nächsten.

§ 2

Als Häretiker wird jemand bezeichnet, der nach dem Empfang der Taufe eine von Gott geoffenbarte und von der Kirche zu glauben vorgestellte Wahrheit hartnäckig leugnet oder bezweifelt, dabei aber noch Christ bleibt.

Häresie … bedeutet ursprünglich die Wahl, sodann das Erwählte, besonders die erwählte Lebensrichtung, die religiöse oder politische Parteirichtung. Gratian schreibt darüber unter Berufung auf Hieronymus: „Haeresis Graece ab electione dicitur, quod scilicet eam sibi unusquisque eligat disciplinam, quam putat esse meliorem.“ (c. 72, C. 24, q.3)
Damit man von jemand sagen kann, er leugne oder bezweifle hartnäckig eine von der Kirche zu glauben vorgestellte geoffenbarte Wahrheit, wird verlangt, daß es dem Betreffenden bekannt ist, diese Lehre werde von der Kirche zu glauben vorgestellt. Wer dies wegen sündhafter Unwissenheit nicht weiß, wird durch Leugnung dieser Lehre zwar kein formeller Häretiker, aber er versündigt sich nach der Größe seiner Nachlässigkeit schwer oder leicht gegen den Glauben. Selbst bei einer „ignorantia affectata“ in Bezug auf die Lehre der Kirche scheint jemand kein Häretiker zu sein. Was nämlich in Kan. 2229 §1 von der ignarantia affectata“ in Bezug auf die Inkurrierung von Strafen gesagt wird, gilt damit nicht auch schon für die Bestimmung des Begriffes „Häretiker“. (P. Matthaeus Conte a Coronata, Institutiones IV (De Delictis et Peonis), n. 1857)
Eine Wahrheit kann von der Kirche zu glauben vorgestellt werden entweder durch eine feierliche Entscheidung oder durch das gewöhnliche und allgemeine Lehramt (vgl. Kan. 1323). Dabei ist zu beachten, daß nicht alle Anschauungen, an denen die Kirche festhält, damit auch schon zu glauben vorgestellt werden. Wer eine Lehre verteidigt, die von der Kirche verurteilt wurde als „falsa, erronea, haeresim sapeins, temeraria“ usw., versündigt sich zwar schwer, ist aber kein Häretiker. (P. Matthaeus Conte a Coronata, 1.c.n. 1857) Damit vielmehr jemand ein Häretiker sei, muss er eine Wahrheit leugnen, die man glauben muss „fide divina catholica“. (Capello, De Censuris, n. 209) (vgl. Kan. 1323 §1)
Damit jemand eine Wahrheit leugnet, genügt es nicht, daß er nur äußerlich eine Wahrheit verleugnet, zur formellen Häresie gehört nämlich nach allgemeiner Ansicht der Autoren ein „error voluntaris“, ein „error in intellectu“. (Reiffenstuel, Ius canonicum universum, lib. V, tit. VII, nn. 3,4) … Wer also aus Furcht vor dem Tode nur äußerlich den Glauben verleugnet, sündigt zwar schwer durch Verleugnung des Glaubens, er ist aber kein Häretiker im eigentlichen Sinne, obwohl er im Rechtsbereich als Häretiker betrachtet wird. (Reiffenstuel, 1.c.n.6) Im Anschluß daran erhebt sich die Frage, ob diejenigen, die den Glauben zwar äußerlich verleugnen, innerlich aber am wahren Glauben festhalten, die für die Häretiker oder Apostaten festgesetzten Strafen inkurrieren. Suarez macht darüber dir folgenden Ausführungen. Die sententia communior lehrt, daß solche Leute die für Häresie (oder Apostasie) festgesetzten Strafen nicht inkurrieren. Strafgesetze müssen nämlich streng interpretiert werden. Diejenigen aber, die nur äußerlich den Glauben verleugnen, sind im strengen Sinne keine Häretiker (oder Apostaten), da sie nicht in Wirklichkeit, sondern nur zum Schein den christlichen Glauben ganz oder zum Teil aufgeben. Die Kirche straft zwar keine rein inneren Akte, aber sie straft äußere Akte, die sich auf innere Akte gründen. Stützt sich deshalb ein äußeres Bekenntnis der Häresie oder des Unglaubens nicht auf einen inneren Akt, dann verfällt jemand auch nicht den für Häresie oder Apostasie festgesetzten Strafen. Im Rechtsbereich werden solche Leute allerdings als Häretiker (oder Apostaten) betrachtet, aber nur sofern sie nicht beweisen können, daß sie innerlich am wahren Glauben festgehalten haben. (Suarez, De Fide, Spe. Charitate, tract. 1, disp. 14, sect. 6, n.4; disp. 21, sect. 2n.1. Vgl. auch Benedikt XIV., De synodo dioecesana, Typographia S:C: de Propag. Fide, Rom 1806, lib. IX, cap. IV, n.4) Diese Begründung, die Suarez für seine Auffassung gibt, gilt auch noch nach dem Erscheinen des Gesetzbuches. Nach Kan. 2219 §1 müssen nämlich die Strafgesetze milde interpretiert werden. Ferner bestimmt Kan. 2228, daß die vom Gesetz festgesetzte Strafe nur inkurriert wird, wenn das „delictum fuerit in suo genere perfectum secundum proprietatem verborum legis“. Nach Kan. 2200 §2 aber wird bei einer äußeren Gesetzesverletzung im Rechtsbereich „dolus“ präsumiert, aber nur bis das Gegenteil bewiesen ist.

Apostat wird jemand genannt, der nach Empfang der Taufe vollständig vom christlichen Glauben abfällt.
Apostat wird daher jemand z.B. durch Leugnung eines persönlichen Gottes oder der Gottheit Christi oder durch Leugnung der christlichen Offenbarung oder der Möglichkeit einer übernatürlichen Offenbarung. (P. Matthaeus Conte a Coronata, 1.c.n.1856)

Da Apostasie von Häresie nicht qualitativ, sondern nur quantitativ verschieden ist, so gelten die im vorher gehenden Abschnitt gemachten Ausführungen über bloße äußere Verleugnung des Glaubens auch hier. Wer deshalb z. B. bei einer Verfolgung aus Furcht seinen Glauben nur äußerlich verleugnet, ist eigentlich kein „Apostat“, sondern ein „Lapsus“. (Cfr. Benedikt XIV, 1.c., lib. XIII, cap. XI, n.9)

Ein Schismatiker kann jemand auf doppelte Weise werden: a) zunächst dadurch, daß er den Papst nicht als Oberhaupt anerkennt; b) dann außerdem, auch noch dadurch, daß er sich weigert, mit den Gliedern der Kirche, die den Papst als ihr Oberhaupt anerkennen, eine Gemeinschaft zu haben.
… Um das Vergehen, dessen sich der Schismatiker schuldig macht, zu verstehen, muss man sich daran erinnern, daß Christus nur eine einzige und dazu noch sichtbare Kirche gestiftet hat. Deshalb ist nicht nur eine innere, sondern auch eine äußere Verbindung der Glieder unter sich und mit ihrem Oberhaupt nötig. Diese kirchliche Einheit ist nicht nur etwas, das man glauben muss, sondern auch etwas, das man wollen und verwirklichen muss. Diese Einheit wollen und anstreben ist ein Akt der Liebe. Da aber der Schismatiker diese Einheit (direkt oder indirekt) zerstört, so sündigt er gegen die Liebe. Dabei ist es nicht ausgeschlossen, daß jemand auch auf andere Weise gegen die Einheit sich versündigen kann. Wer z. B. die Einheit im Glauben nicht bewahren will, der sündigt gegen den Glauben. Wer aber absolut und einfachhin an der Einheit und dem inneren Frieden, an der geistigen Verbindung der Glieder unter sich und mit ihrem Oberhaupt nicht festhalten will, der sündigt gegen die Liebe. Die Trennung von der Kirche kann deshalb eine Sünde gegen die Liebe allein sein oder auch noch mit der Sünde gegen eine andere Tugend verbunden sein. (Suarez, 1.c., tract. 3, disp. 12, sect. 1.n.1 seq.) Ist mit dem Schisma keine Häresie verbunden, dann spricht man von einem „schisma purum“. (Vermeersch-Creusen, Epitome III, n. 513)…
Wie oben bei Darlegung des Begriffs „Häretiker“ ausgeführt wurde, gehört zum Wesen der Häresie oder Apostasie ein Verstandesirrtum. Wer nur äußerlich seinen Glauben verleugnet, ist in Wirklichkeit kein Häretiker oder Apostat. Wer aber sich von der Kirch auch nur rein äußerlich trennt, der versündigt sich gegen die Einheit der Kirche, auch wenn er sich innerlich nicht von ihr trennen will. Wer also z. B. zur Zeit einer Verfolgung auch nur rein äußerlich zu einer schismatischen Religionsgemeinschaft übertritt, ist ein Schismatiker (auch im Gewissensbereich) und verfällt den Strafen, die für Schisma festgesetzt sind. – Über die praktische Auswirkung dieser Lehre vgl. die Ausführungen über „Kirchenaustritt“.

Weil nach dem ersten Tatbestand nur der ein Schismatiker ist, der den Papst nicht als Oberhaupt anerkennt, so folgt daraus, daß derjenige, der zwar hartnäckig dem Papst nicht gehorcht, ihn aber doch noch als Oberhaupt anerkennt, kein Schismatiker ist. Es genügt aber zum Schisma, daß jemand äußerlich den Papst nicht als Oberhaupt anerkennt. Liegt dieser Tatbestand vor, dann ist jemand Schismatiker, wenn er auch innerlich die Berechtigung des Papstes anerkennt.
Unter „Glieder der Kirche“ werden hier die Glieder in ihrer Gesamtheit, also die Gesamtkirche verstanden. Es gehört hierher also nicht der Fall, daß jemand nur mit dem einen oder anderen Glied der Kirche keine Gemeinschaft haben will… Wohl aber liegt der Tatbestand vor, wenn in der Trennung vom eigenen Bischof zugleich die Trennung von der Gesamtkirche eingeschlossen ist.

aus: Heribert Jone O.F.M.Cap., Gesetzbuch der lateinischen Kirche, Erklärung der Kanones II. Band Sachenrecht, 1952, S. 537-541

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