Licht, Fortschritt, Freiheit angeschwärzt
Denn Tod und Gericht kommen miteinander
Zu allen Zeiten und in allen Ländern ist das Leben des Menschen verbittert mit Nöten, Widerwärtigkeiten, Ängsten und Trübsalen von allen Sorten. Das Angenehme ist dünn und kurz, aber überflüssig ist das Herbe; und am Ende des Lebens wartet noch der entsetzliche Tod auf den Menschen, schneidet und scheidet gewaltsam auseinander, was lebenslang beisammen war, wirft den Leib ins Grab und die Seele hinüber in eine andere Welt, wovor die meiste tiefen Schauder haben. Und das geht unaufhörlich so fort; jeden Tag sterben achtzig- bis neunzigtausend Menschen. Wie aus dem Rohrbrunnen unaufhörlich Wasser fließt, so fließen unaufhörlich die Seelen der Sterbenden in das Meer der Ewigkeit.
Wir sind da eingeklemmt zwischen den Plagen der Erde und unseres eigenen Leibes, und zwischen der Angst vor dem Tod. Nun aber ist der Tod noch nicht das ärgste, sondern in der Heiligen Schrift heißt es: „Einem jeden Menschen ist es bestimmt, einmal zu sterben, und nach dem Tod kommt das Gericht.“ So gewiß der Tod ist, so gewiß ist auch das Gericht. –
Dies nun, daß nach dem Tod das Gericht kommt, ist die Auflösung und Erklärung von tausend rätselhaften Ereignissen und Zuständen, welche auf Erden vorkommen und oft ganz unsinnig scheinen. Darum wollen wir uns ein wenig daran aufhalten.
Ich habe einmal einen blödsinnigen jungen Menschen gekannt, einen ganz gutmütigen Kerl; wenn er morgens die Schweine fütterte, hat er sie jedesmal fröhlich gegrüßt als gute Kameraden. Aber in einem Stück war er ganz starrköpfig; man konnte ihm sagen, was man wollte, er wollte durchaus nicht glauben, daß er auch einmal sterben müsse. So gibt es jetzt ungemein viele Leute, welche zwar schon soviel Verstand haben, daß sie ans Sterben glauben; aber sie sind im zweiten Punkt blödsinnig, sie glauben das andere nicht, nämlich daß nach dem Tod das Gericht komme. Sie wollen nur glauben, was man sieht, das Totwerden des Leibes; was man nicht sieht, was auf die abgeschiedene Seele wartet, das wollen sie nicht glauben, lieber blödsinnig und blind darin sein.Allein das hilft nichts. Mache vor dem Richtschwert auf dem Schafott die Augen zu, darum trifft es dich ebenso sicher, als wenn du sein Zucken siehst.
Für das Tier kommt zwar nur der Tod, für den Menschen aber kommen Tod und Gericht miteinander. Das Tier ist nur ein lebendiger Leib, darum lebt ein Tier von der nämlichen Gattung wie das andere. Jede Wespe sticht, wenn sie gereizt wird, keine bleibt geduldig, solange sie einen Stachel hat; das Lamm beißt nicht, du magst es schlagen und treten wie du willst. Die Schwalbe fängt Fliegen und bringt sie den Jungen, bei uns und in Amerika ebenso. Der Kuckuck legt sein Ei in ein fremdes Nest und läßt den Sprössling füttern von anders gattigen Vögeln. Das Tier kann nicht anders. Es ist wie eine Spieluhr; wie sie eingerichtet ist, so geht sie und so führt sie ein Stück auf.
Ganz anders ist es bei dem Menschen. Der Mensch kann ein wahrer Teufel werden in Bosheit, Hass, Neid, Verleumdung, Verführung der Unschuld, Ungerechtigkeit gegen andere und Religionshass; und er kann ein wahrer Engel werden in Gottseligkeit, Unschuld, Bescheidenheit, uneigennütziger Nächstenliebe und Barmherzigkeit. Der Herodes war ein Mensch und Johannes der Täufer war auch ein Mensch, aber jeder ein ganz anderer. Ein Sklavenhändler, der die Sklaven schlechter als das Vieh behandelt, ist ein Mensch, und eine Barmherzige Schwester, welche Tag und Nacht die ekelhaftesten Kranken ohne weltlichen Lohn verpflegt, ist auch ein Mensch. –
Ja der nämliche Mensch kann so das Gegenteil von sich selber werden, daß man kaum glauben sollte, daß er noch das nämliche Wesen sei. Betrachte z. B. dich selber und frage dich: Wie bin ich gewesen an meinem ersten Kommuniontag, und wie bin ich jetzt? Sind nicht große Veränderungen mit mir vorgegangen?“ – Wenn ein besoffener Lump in der Kneipe brüllt und lästert, sieh, auch der war einmal ein süßes, gutes, unschuldiges Kind.
Diese himmelweiten Unterschiede kommen daher: Der Mensch hat einen Geist in sich und freien Willen, er kann wählen zwischen gut und bös, er kann beten oder fluchen, er kann seinen Nebenmenschen plagen oder gut mit ihm sein, er kann sich enthalten von bösen Gelüsten oder er kann sich dem wüstesten Laster hingeben, er kann die Wahrheit reden oder lügen, er kann ehrlich sein oder ein Betrüger. Nun ist aber in der Menschenseele das Gesetz eingeschrieben: „Wer Bosheit ausübt, dem gehört Böses; wer Gutes übt, dem gebührt Gutes.“ Darum tun die meisten doch nicht alles Böse, was sie anwandelt, sondern halten sich zurück, weil sie Angst bekommen vor der Vergeltung. In dieser Welt ist aber keine ausgiebige Vergeltung. Wie mancher Groß- und Kleinstädter, der genug Geld hat, ißt gut und trinkt viel und läßt sich wohl sein; seine Frau lebt vielleicht geschieden, dafür hat er anderes Weibervolk im Haus. Wenn nun einen solchen gerade in seinem Lasterleben ein plötzlicher Todes-Schlagfluss trifft, wird keine Rechnung weiter gehalten werden? –
Der Missionar geht nach Afrika oder nach China, leidet allen Mangel und Not, die man am Leib nur leiden kann, gibt sich alle Mühe, um dem widerspenstigen Heidenvolk das Heil des Christentums zu bringen – und wird zuletzt zu Tode gemartert. Wird es nach dem Tod geradeso mit dem Missionar stehen wie mit dem Bauchmenschen in der Hauptstadt?
Wahrhaftig nein; wenn einer nicht durch jahrelanges Laster sein Gewissen abgetötet hat, so wird er fühlen, einsehen und sagen müssen: das steht auseinander wie Himmel und Hölle – es muss nach dem Tod ein Gericht kommen, und nach dem Gericht eine Vergeltung mit Glückseligkeit und mit schrecklicher Pein.
Das scheint nun freilich eine traurige Sache; viel Elend in der Welt und nur kurze, dünne Freude; dann das Ärgere, der Tod; dann das Allerschrecklichste, das Gericht nach einem sündhaften Leben. Mutter und Kind schreien, wenn dieses geboren wird; viele tausendmal haben die meisten geweint, bis es zum Sterben kommt. Und wenn der Mensch erst stirbt, dann schreien wieder die Angehörigen; er selber kann nicht mehr schreien und weinen, aber er röchelt, und statt der Tränen im Auge steht ihm der Todesschweiß auf der Stirn. Darum sagt der berühmte heidnische Philosoph Aristoteles: „Unter allen schrecklichen Dingen ist das Schrecklichste das Sterben.“ –
Aber doch gibt es etwas noch Schrecklicheres, nämlich das verborgene Gericht. Dieses ist eben deshalb für uns so schrecklich, weil wir ein durchaus sündenbeflecktes Geschlecht sind. In der Sünde kommen wir zur Welt, und die Seele ist wie ein sumpfiger Boden; Unkraut und Ungeziefer wächst von selbst genug darauf; hingegen nur viele Arbeit kann den Boden zurichten, daß er ein fruchtbares Feld wird. Ist es nicht ein wahres Unglück, Mensch zu sein?
Jetzt gib acht. Schau nachts die unendliche Sternenwelt an; unter diesen zahllosen Lichtkugeln schwimmt auch die Erde – und diese, d. h. die Menschheit darauf, ist das verlorene Schaf, welches in die Wüste der Sünde, in den schatten des Todes geraten ist. Und um dieses verlorene Schaft zu suchen und zu retten, ist der gute Hirte gekommen, ist der Sohn Gottes Mensch geworden und hat sein Erlösungswerk ausgeführt, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern gerettet werde. Wer nun teilnimmt an der Wahrheit und Gnade, an der kirchlichen Lehre und den heiligen Sakramenten, welche in der Kirche Christi angeboten werden, wer ein religiöses, sittliches Leben führt, der geht einem guten Tod und einem gnädigen Gericht entgegen.
Ich habe kürzlich eine Barmherzige Schwester in ihrer Todeskrankheit besucht; diese war einige Stunden vor ihrem Tod ganz heiter und glückselig und sagte fast lächelnd: „Das ist ja kein Sterben!“ – Aber auch in diesem Leben schon hat der Christ weniger zu leiden; denn von vielen Leiden, welche sich der Sünder selber zuzieht, nämlich durch Ausschweifung, gehässiges Benehmen u. dgl., bleibt der gute Christ verschont; und die Leiden, welche ihn treffen, z. B. Krankheiten, Armut, erträgt er viel leichter, in christlicher Geduld, im Geist der Buße und gestärkt durch die göttliche Gnade.
Allein die Menschen sind so tief verdorben, daß zahllos viele die angebotene Versöhnungshand des Heilandes ungläubig und gehässig von sich stoßen und in ihrer wüsten Seelenkrankheit lieber bleiben, wie der mit dem Aussatz Behaftete Wollust an etwas findet, woran der Gesunde kein Wohlgefallen hat, nämlich sich wund zu kratzen. So ist es immer gewesen; aber eine eigentümliche neue Pest ist jetzt noch dazu gekommen, um die Menschen noch mehr von dem Heil ihrer Seele, von dem Christentum abzuführen. Das sind die besonders schlechten Zeitungen. Als wäre einer Legion Teufel in sie gefahren, wie einst in die Schweineherde der Gerasener, so schreien und toben sie gegen die Religion. –
Dem Teufel aber ist es besonders eigen, zu lügen und zu morden. Das tun gerade die meisten Zeitungen: sie morden den Glauben; der Glaube ist aber die Wurzel des christlichen Lebens; und sie lügen, die Lüge ist ihr Pulver und Blei, womit sie Krieg führen gegen die Religion. Wenn dann eine Arbeiterversammlung oder sonst eine Bierversammlung oder ein Reichstag gehalten wird, dann reden eben die meisten die nämlichen Redensarten, welche sie in den schlechten Zeitungen gelesen haben. Besonders sind es drei Worte, womit dem blödsichtigen Zeitungsleser fortwährend Spiegelfechterei vorgemacht wird, nämlich Licht, Fortschritt, Freiheit; die gläubigen Katholiken aber seien in der Finsternis, im Rückschritt und in Geistesknechtschaft. –
aus: Alban Stolz, Gesammelte Werke, Kleinigkeiten, Erste Sammlung, 1909, S. 187 – S. 192
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