Heiligenkalender
25. Juli
Der heilige Magnerich Bischof von Trier
(Treue)
Die Stadt Trier an der Mosel ist eine der ältesten Städte, die es in Deutschland gibt. Fünfhundert Jahre nach Christi Geburt war der hl. Nicetius daselbst Bischof. Dieser fürchtete, wie es recht ist, keine fürstliche Gewalt und selbst den Tod nicht, wenn es sich darum handelte, seine Pflicht zu tun. Weil König Chlothar manche Ungerechtigkeit ausübte, so tadelte ihn Nicetius nicht nur, sondern belegte ihn auch mit der Kirchenstrafe des Bannes. Darüber erbost, vertrieb Chlothar den heiligen Bischof aus dem Land. In der Welt ist viel die Rede von Freundschaft und festem Charakter und Ehrenhaftigkeit, aber wenn Jemand ins Unglück kommt, so verlassen ihn meistens seine vormaligen Freunde und Kameraden, wie das vorher anhängliche Ungeziefer den Leib verläßt, sobald er tot ist. Wie oft kann man die Klage hören, daß keine Uneigennützigkeit und Treue in der Welt sei, und der Psalmist sagt: „Omnis homo mendax, Jeder Mensch ist trügerisch“; dennoch gibt es einzelne Menschen, welche treu wie Gott sind und auf die man sich auch im Unglück verlassen kann. Solches sind nämlich alle wahren Christen; denn sie sind durchdrungen von Gott und nehmen darum Teil an der Wahrheit, Güte und Treue Gottes. Wenn du deshalb einen zuverlässigen Freund suchst, der auch in Not und Elend dich nicht verläßt, so suche Freundschaft mit einem echten Christen; jeder andere Mensch, scheine er sonst noch so gut, ist so unzuverlässig, als die Jünger des Herrn bei seiner Gefangennehmung waren, wo der hl. Geist sie noch nicht umgewandelt hatte in höhere, edlere Menschen.
So wurde auch Nicetius von aller Welt verlassen, als er beim König in Ungnade und Strafe fiel; nur Magnerich, ein junger Mann, wollte freiwillig mit seinem Bischof in die Verbannung. Nicetius sprach zu ihm: „Willst du es nicht lieber mit den Anderen halten und dich von mir zurück ziehen?“ – Magnerich antwortete: „So wahr Gott lebt, ich werde dich nicht verlassen, so lange noch mein Geist in diesen Gliedern bleibt.“ – Nicetius sprach: „Weil du so redest, so will ich dir auch mitteilen, was mir der Herr geoffenbart hat, nämlich den morgigen Tag schon werde ich wieder in Amt und Würde eingesetzt, und die mich verlassen haben, werden ihre Zuflucht zu mir nehmen.“ Den andern Tag in aller Frühe kam ein Bote, welcher ein Sendschreiben brachte, worin Sigebert den Tod seines Vaters Chlothar anzeigte, und daß er die Regierung übernehme und mit dem Bischof Nicetius in Einigkeit leben wolle.
Da der hl. Nicetius auf diese Weise wieder seinen bischöflichen Sitz eingenommen und er den Geistlichen verziehen hatte, welche im Unglück von ihm sich abgewandt hatten, so war Magnerich auch jetzt im Glück sein treuester Freund, in so fern er am sorgfältigsten die Lehre, den Wandel und die Einrichtungen des heiligen Bischofs festhielt. Darum wurde Magnerich auch nach dem Tod des hl. Nicetius einstimmig zu dessen Nachfolger erwählt. Er war nun länger als zwanzig Jahre Bischof zu Trier und übte daselbst die hohen Pflichten seines Amtes in solcher Vollkommenheit aus, daß auf ihn ganz besonders die Worte der hl. Schrift anzuwenden sind: „Sieh` ein großer Priester, der in seinen Tagen Gott gefallen hat in der Zeit des Zorns.“
Weil Magnerich Gnade vor dem Herrn gefunden, so verherrlichte ihn Gott auch vor den Augen der Könige, so daß sie vor ihm die größte Ehrerbietung hatten. Ja der König Childebert wählte den heiligen Mann zum Taufpaten, als er seinen Sohn Theodebert taufen ließ. Diese fürstliche Gunst hatte Magnerich nicht gesucht; er wollte sich auch edelmütig lieber verlieren, als einem in Ungnade gefallenen Mann kein Mitleiden zu zeigen. Der fromme Bischof Theodor von Marseille war nämlich verleumderisch des Hochverrates beschuldigt und wurde gefänglich in die Verbannung geführt. Der König hatte den strengsten Befehl gegeben, daß kein Mensch, nicht einmal der Bischof mit ihm spreche. Magnerich erfuhr, daß Theodor heimlich durchgeführt worden und schon auf ein Schiff gebracht sei. Schnell machte er sich auf und traf den Gefangenen noch am Ufer der Mosel. Magnerich hielt den Wächtern vor, was dies für eine Unmenschlichkeit sei, daß ein Amtsbruder nicht einmal mit dem andern sprechen solle; dann ließ er sich von Theodor dessen Missgeschick erzählen, tröstete und küßte ihn unter Tränen des Mitleids, und gab ihm noch einige Kleidungsstücke, während die Wächter zur Abfahrt drängten. Nun ging Magnerich in eine Kirche und betete mit lauter Stimme für den verfolgten Bruder. Ein Weib, die dies gehört hatte, beschimpfte den hl. Magnerich, als er mit Tränen feuchten Augen aus der Kirche ging, daß er für einen Landesverräter gebetet habe.
Dem edlen christlichen Herzen des hl. Magnerich ließ es aber keine Ruhe, so lange er nicht alles Mögliche versucht hätte, um dem unglücklichen Bischof zu helfen. Da sich der König gerade in Koblenz aufhielt, so reiste Magnerich dahin und hielt inständig an, daß Theodor frei gelassen und wieder ins ein Amt eingesetzt werde. Der König ließ sich auch wirklich bewegen, dieser Fürbitte zu willfahren.
Wenn aber einmal die Güte eines Mannes bekannt wird, so drängen sich auch Unwürdige auf unwürdige Weise hinzu. Bozo, ein Edelmann, wurde seiner vielen Verbrechen wegen vom königlichen Gericht zum Tode verurteilt. Als Bozo dieses erfuhr, eilte er zu Magnerich, riegelte die Türe hinter sich, zog das Schwert und sprach zu ihm: „Ich weiß, daß du viel bei dem König vermagst. Hilf mir, daß ich begnadigt werde. Wenn du dich weigerst, so kostet es uns beiden das Leben, denn ich werde dich vorerst töten und dann erst dem Tod entgegen gehen.“ Magnerich sagte: „Was kann ich aber tun, wenn du mich hier zurück hältst? Laß mich gehen, ich will den König bitten, vielleicht erbarmt er sich.“ Bozo weigerte sich und begehrte, Magnerich solle von seinen Geistlichen zum König schicken, die in seinem Namen das Anliegen vorbrächten. Unterdessen hatte eine Schar Bewaffneter das Haus umzingelt; einige Priester brachen die Tür auf und drangen in das Zimmer, um ihren Bischof zu befreien; Bozo aber fiel unter den Streichen der Soldaten. Auf diese Weise zeigte sich auch hier die Bereitwilligkeit und Menschenliebe des hl. Magnerich, Gottes Gerechtigkeit wollte aber nicht, daß dem Verbrecher seine Gewalttätigkeit etwas helfe.
Der Geschichtsschreiber des hl. Magnerich bemerkt, er könne auch Wunder erzählen, die Magnerich durch sein Gebet gewirkt habe; allein Wunder kämen auch bei Menschen vor, die nicht heilig sind. Der Herr sage ja: „Viele werden an jenem Tag sagen: Herr, Herr, haben wir nicht in deinem Namen prophezeit und Teufel ausgetrieben und viele Wunderwerke getan?“ An Magnerich seien viel zuverlässigere Zeichen der Heiligkeit zu finden gewesen, als da sind: Hungrige speisen, Nackte bekleiden, Fremde beherbergen, sich des Armen annehmen, überhaupt all` die verschiedenen Werke der Barmherzigkeit ausüben. Dazu kommt noch, daß er unablässig dem Gebet ergeben, Seelen zu gewinnen höchst eifrig, in der Lehre vorzüglich war, und als ein wahrhaft guter Hirte über die ihm anvertraute Herde wachte, so daß er wohl seine verliehenen Talente dem Herrn verdoppelt zurück geben konnte.
Magnerich starb reich an Tugenden und Verdiensten, wohlgefällig vor Gott und geliebt von allen guten Menschen in ziemlich hohem Alter. Er wurde beerdigt und verehrt in der Kirche des hl. Martin zu Trier. –
aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 3 Juli bis September, 1872, S. 141 – S. 144