Woher kommt der Hang der Menschen zum Götzendienst?
Wie kommt es, daß die Menschen zu allen Zeiten so gern sich Bilder gemacht haben, um dieselben aufzustellen und anzubeten?
Solches haben nicht nur die eigentlichen Heiden getan, sondern auch selbst Völker, die schon den wahren Glauben kannten. Die Juden haben sich schon zur Zeit, wo sie durch große Wunder von Gott belehrt waren, ein goldenes Kalb gemacht und es angebetet. Einmal sandte Gott den Juden zur strafe ihrer Sünde giftige Schlangen ins Lager, durch deren Biß viel Volk starb. Auf ihre Reue und das Gebet des Moses befahl Gott dem Moses, eine kupferne Schlange zu machen und auf eine Stange zu setzen; wer dann gebissen ward und zu der kupfernen Schlange hinauf schaute, blieb am Leben. Später musste aber Moses die Schlange wieder zerstören, weil in Kurzem das Volk anfing, die Schlange anzubeten. Nach Moses geschah es aber fort und fort, daß die Juden wieder Götzenbilder machten und sie anbeteten; selbst der weise Salomon verfiel in seinem Alter in Götzendienst. In der Geschichte des hl. Barbatus sehen wir, daß sogar Christen, Leute, die getauft und über Gott und Christus belehrt waren, dennoch nebenher ein Götzenbild hatten, und beinahe nicht davon abzubringen waren. Woher kommt dieser große Hang der Menschen zum Götzendienst?
Dieses kommt daher: der Mensch hat nicht bloß einen Geist in sich, sondern hat auch einen lebendigen Leib. Sobald er nun glaubt, daß es ein höheres Wesen, eine Gottheit gibt, und sobald er Ehrfurcht und Verlangen zu Gott hat, so möchte er Gott so bei sich haben, daß auch sein Leib, seine sinne ihn wahrnehmen können; auch die Sinnlichkeit des Menschen will Teil an Gott haben. Im Paradies verkehrte Gott mit den Menschen in einer Weise, daß sie ihn sehen und hören konnten. Und auch die großen Propheten Moses und Elias verlangten darnach Gott auch sinnlich wahr zu nehmen, und Gott hat sich ihnen unter sinnlichen Zeichen geoffenbart. Daher will es den Leuten nicht ganz genügen, von einem unsichtbaren Gott zu wissen, der nur Geist ist; und weil sie ihrem Verlangen anders nicht abzuhelfen wußten, kamen sie auf die unsinnige Torheit, Bilder zu machen und sie wie Gott an zu beten. Nun ist freilich solcher Götzendienst eine schreckliche Verrücktheit und Sünde; aber hat Gott nicht dafür gesorgt, daß wir auf eine erlaubte Art das Verlangen, welcher er uns eingepflanzt hat, befriedigen können, daß wir nämlich Gott anbeten können in sichtbarer Gegenwart, in einem sinnlichen Zeichen?
Die Antwort findest du in der Geschichte des hl. Barbatus. Er hat aus dem Gold des Götzenbildes die Gefäße verfertigen lassen, in welchen das heiligste Sakrament des Altars dargebracht und angebetet wird. Dort auf dem Altar ist zugegen der Heiland Jesus Christus, der Sohn des lebendigen Gottes, und ist uns sichtbar in der Gestalt der Hostie und des Weines; dort können wir also anbeten unsern wahren gegenwärtigen Herrn und Gott. Darum feiert die Kirche ein so großes Freudenfest am Fronleichnamsfest, weil der Herr bei uns geblieben ist und unter uns wohnt in der Brotsgestalt; und darum knien wir in tiefer Anbetung bei der Wandlung nieder; und darum sprechen wir mit ewigem Dank: „Gelobt und gepriesen sei das allerheiligstes Sakrament des Altares, von nun an und in Ewigkeit!“ –
aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 1 Januar bis März, 1872, S. 259 – S. 260
siehe auch: Vom Glaubensabfall zum Heidentum