Die Leiden des Priesters im Priesteramt
I. In einem Lehramt
„Der Priester ist gesendet wie ein Schaf unter die Wölfe und hat den Auftrag, Christum, den Gekreuzigten, zu predigen, welcher den Juden (aller Zeiten) ein Ärgernis und den Heiden (an allen Orten) eine Torheit, den Gläubigen aber Kraft Gottes ist“ (1. Kor. 1, 18, 23). Die Nachkommen des jüdischen Kaiphas und des getauften Judas Iskarioth hassen diese Predigt in den Verkündern derselben, in dem Priesterstand. Sie verleumden die Priester mit falschen Anklagen, durch schlechte Bücher und abscheuliche Bilder; … sie speien Hohn und Spott wider die Priester in den Theatern, auf den Maskenbällen und bei Fastnachts-Spielen. Seit dem großen Karfreitag, an welchem Jesus, der vielgeliebte Sohn des himmlischen Vaters, unter dem triumphierenden Hohngelächter der jüdischen Ratsherren, Schriftgelehrten und Gesetzeskundigen gegeißelt, angespien, gekreuzigt und – verherrlicht wurde, bis auf den heutigen Tag ist fort und fort viel, sehr viel Christenblut vergossen worden; aber kein Stand hat die Ehre, ein so zahlreiches Verzeichnis heldenmütiger Märtyrer für Jesus aufzuweisen, wie der Priesterstand in seinen Päpsten, Bischöfen und Missionaren. Lauter und lauter ertönt der tobende Schrei: „Das Heil der Welt kann erst dann aufblühen, wenn mit den Eingeweiden des letzten Priesters der letzte König erwürgt sein wird.“ Allein die Priester antworten: „Wohl leiden wir allenthalben Trübsal, aber wir werden nicht beängstigt; wir geraten in Not, aber wir kommen nicht um; wir leiden Verfolgung, aber wir sind nicht verlassen; wir werden nieder geworfen, aber wir gehen nicht zu Grunde. Gepriesen sei Gott und der Vater unseres Herrn Jesu Christi, der Vater der Barmherzigkeit und der Gott alles Trostes, der uns tröstet in all unserer Trübsal, auf daß auch wir trösten können diejenigen, welche in allerlei Bedrängnissen sind. (2. Kor. 4, 8f)
II. Leiden im Priesteramt
Wohl ist der Priester mit dem erhabensten und ehrwürdigsten Amt, der Mittler zwischen dem dreimal heiligen Gott und den sündhaften Menschen zu sein, durch die sakramentale Weihe bekleidet und bevollmächtigt, das unblutige Opfer des neuen Bundes mit dem gekreuzigten und vom Tode auferstandenen Jesus dem himmlischen Vater darzubringen; wohl ist er mit dem hl. Bonaventura überzeugt, daß, wie das Meer reich ist an Wassertropfen und wie das Firmament reich ist an Sternen, die hl. Messe doch noch reicher ist an Wundern der göttlichen Erbarmung und Gnade; aber er zittert auch beständig vor der schweren Verantwortung, mit welcher der Dienst des Altares ihn belastet. Einst starb ein junger Priester am Tage seiner Primiz, nachdem er das erste und einzige Mal das hochheilige Messopfer gefeiert hatte. Ein erleuchteter Geistesmann ergoß, als er diese Trauerkunde hörte, die Gefühle seines Herzens in die wenigen Worte: „Er hat genug zum Gericht!“ Die Seele des Priesters wird allzu oft tief verwundet durch die Wahrnehmung, daß die Nachkommen der jüdischen Verkäufer, Käufer, Geldwechsler und Taubenhändlerinnen das Haus des lebendigen Gottes zu einer Räuberhöhle machen und den sich opfernden Jesus höhnen: „Steige nur herab vom Kreuz, wir brauchen dein Opfer und deine Gnade nicht!“
Der Priester ist auch der Mittler zwischen Gott und den Menschen im sakramentalen Gericht und bevollmächtigt, Sünden nachzulassen oder vorzubehalten. Ach, welch` schweres, leidenvolles Amt! Unzählige Male durchsticht das grausame Schwert des Mitleidens sein gottgeweihtes Herz beim Anhören des Bekenntnisses getaufter Christen, daß sie seinen und ihren Vater im Himmel schwer beleidigt, daß sie Jesus, ihren Herrn und Erlöser, wieder erbarmungslos gekreuzigt und während der Kreuzigung Ihn noch verhöhnt, durch Verführung anderer lebendige Glieder ihm vom Leib gerissen, Tempel des hl. Geistes geschändet und die köstlichsten Gaben Gottes mißbraucht haben. Wohl rinnen auch süße Freudentränen aus seinen Augen, so oft er einem wirklich bußfertigenSünder die Zentnerlast der Schuld vom Herzen nehmen, die Befreiung von der ewigen Höllenstrafe zusichern, das Festkleid der heiligmachenden Gnade anziehen und die Einladung zum großen Gastmahl am Tisch des Herrn geben kann; aber in diese Freuden mischt sich sehr oft die peinliche angst: „Habe ich ein gerechtes Urteil gefällt, habe ich die notwendigen und tauglichen Besserungsmittel vorgeschrieben, habe ich nicht auf das Ansehen der Person geschaut, wie kann ich die erteilten Absolutionen und die erteilten Kommunionen vor dem ewigen Richter verantworten?“
III. Leiden im Hirtenamt
„Der gute Hirte gibt sein Leben für seine Schafe“ (Joh. 10, 11). Wie die liebende Mutter viele Schmerzen hat mit ihren Kindern, so der Priester mit der ihm anvertrauten Herde. Groß und mühevoll ist seine Arbeit, um lauter guten Samen in die Herzen der Kinder zu säen, um die herrlichen Tugenden des Christentums in denselben zu pflanzen und zu begießen; aber tausend Mal größer ist sein schmerz, wenn er zusehen muss, wie die Liederlichkeit der Eltern, die Ärgernisse der Familie und die Wölfe im Schafskleid seine Pflanzen verwüsten und verderbliches Unkraut säen, (…) Tausend Mal feindlicher ist ihm der Undank und die Feindseligkeit derjenigen, welche gerade von seiner Wachsamkeit und von seinem Pflichteifer Anlass nehmen, ihn zu verleumden, mit Beschimpfungen zu entehren, mit Rohheiten und Verfolgungen zu kränken, vor weltliche parteiische Richterstühle zu schleppen, wie dies dem Patriarchen von Alexandria oft begegnet ist. Wer mißt die Weite und Tiefe des Leidenskelches, welchen der Priester zu trinken hat, wenn die prasselnde Kriegsflamme ihren schauerlichen Feuerschein weit umher verbreitet und Elend häuft, oder wenn der Todesengel der Pest, der Cholera, des Typhus ihn Tag und Nacht an das Sterbebett ansteckender Kranken ruft und das Opfer seines Lebens verlangt. Der Priester darf niemals wie ein Mietling handeln, sondern muss trauern mit den Trauernden und mit dem hl. Paulus bekennen: „Den Griechen und Nicht-Griechen, den Weisen und Unweisen bin ich Schuldner“ (Röm. 1, 14). –
aus: Otto Bitschnau OSB, Christliche StandesUnterweisungen, 1904, S. 309 – S. 311
siehe auch den Beitrag: Priesterhasser unter den Katholiken
sowie: Die Ehrfurcht vor den Priestern