Fußwaschung und Kommunion in einer Gestalt

Über Fußwaschung und Kommunion in einer Gestalt

Am Gründonnerstag wurde vom Patriarchen die Fußwaschung vorgenommen, wie, soviel ich weiß, in allen bischöflichen Kirchen herkömmlich ist. Daß diese symbolische Handlung in protestantischen Kirchen niemals vorgenommen wird, darüber machen wir Katholiken den Protestanten keinen Vorwurf, indem wir hierin derselben Ansicht mit ihnen sind, daß diese Zeremonie kein eigentliches Gebot sei, obschon der Herr, Joh. 13, V. 14 und 15, mit ganz ausdrücklichen Worten sagt, und zwar wiederholt, daß seine Diener und Jünger auch einander die Füße waschen sollen. Wir Katholiken sind mit den Protestanten überzeugt, daß das Bibelwort hier nicht wörtlich zu nehmen ist, sondern nur dem Geiste nach, daß der Herr nur die Demut, nicht das Fußwaschen damit gebieten will.

An demselben Morgen empfingen alle abendländischen Katholiken, welche gerade in Jerusalem waren, desgleichen alle Priester, fremde und einheimische, das heilige Abendmahl. Ich bemerke hier für den protestantischen Leser, daß die Priester wie die Laien dasselbe nur in Gestalt der Hostie und ohne den Kelch empfingen. Die Gegner unserer Kirche behaupten nämlich, daß der Kelch den Laien deshalb vorenthalten worden sei, um den Priesterstand auszuzeichnen und zu erhöhen. Allein daß solches nicht wahr ist, zeigt der Umstand, daß keinem Priester, und sei es selbst der Papst, der Kelch gereicht wird, wenn er die Kommunion empfängt, ohne selbst die heilige Messe zu lesen. Der Grund des Entzugs ist die Ehrfurcht der katholischen Kirche gegen das Blut des Herrn, indem es beinahe unmöglich wäre, allen Kommunizierten den Kelch zu reichen, ohne etwas davon zu verschütten oder Gefahr sonstiger Vermehrung zu vermeiden.

Daß aber die katholische Kirche gegen die ausdrücklichen Worte des Herrn, man solle sein Blut trinken, dennoch nur die Brotsgestalt reicht, kommt daher, weil sich ihre Anschauungsweise über den Buchstaben hinaus zum Geist erhebt. Sie lehrt nämlich: in jeder Gestalt ist Christus; wer somit die Hostie empfängt, zu dem kommt der ganze, lebendige Christus; folglich auch sein Blut; es ist somit nicht notwendig, daß auch der Kelch besonders gereicht werde. –

Aber noch einmal, die Bibel sagt doch: „Nehmet hin und trinket alle daraus.“ Dagegen erwidere ich: Die Bibel sagt auch: „So wie ich euch die Füße gewaschen habe, so sollt auch ihr einander die Füße waschen“, – warum tut ihr es nicht? Muss das eine buchstäblich genommen werden, so muss auch das andere buchstäblich genommen werden. –

Der Protestant könnte jedoch fragen: Wozu hat der Herr gesagt: „Trinket alle daraus?“ und wozu hat er überhaupt das Blut im Kelch noch besonders gegeben, nachdem er schon in Brotsgestalt seinen Leib gegeben hatte? Antwort: Er hat gesagt: „Tut dies zu meinem Andenken.“ Solches tut auch die katholische Kirche zu seinem Andenken, nämlich indem bei der heiligen Messe der Kelch besonders gesegnet wird und sein Blut daraus vom Priester getrunken wird; denn die heilige Messe ist eben gerade das Opfer zum Andenken Christi. Indem aber die Anwesenden die heilige Hostie und den Kelch abgesondert auf dem Altar erblicken, so werden sie auch erinnert, daß das Blut beim Opfertod Christi vom Leib getrennt wurde. Auf diese Weise geschieht das, was Christus begehrte, nämlich daß alle daraus trinken, welche die Person der Apostel fortsetzen, die eigentlichen Priester, wenn sie ihr höchstes Amt als Priester in der heiligen Messe ausüben.

Übrigens würde dessen ungeachtet die katholische Kirche es nicht wagen, jemanden den Kelch vorzuenthalten, wenn sie nicht durch eine andere Quelle, die ihr so viel wiegt als die Bibel, und wodurch ihr erst der richtige Sinn der Bibel gesichert ist, ihre Berechtigung zu diesem Verfahren bekommen hätte. Es ist dieses die lebendige, in Wort und Praxis fortquellende Tradition, die durch den Geist, welcher als oberster Leiter der Kirche verheißen ist, frisch erhalten wird. –
aus: Alban Stolz, Besuch bei Sem, Cham und Japhet, 1899, S. 228 – S. 230

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