Heiligenkalender
22. April
Die heilige Tarbula, Schwester des hl.Simeon, Märtyrerin
(Weibliche Stärke)
Am 17ten Tag dieses Monats (siehe im Heiligenkalender unter: Heiliger Simeon Bar Sabbae Märtyrer) ist erzählt worden von dem hl. Simeon, Bischof von Persien. Dieser hatte zwei Schwestern; die eine war Jungfrau und hieß Tarbula, die andere war Witwe. Als nun bei der Christenverfolgung in Persien Simeon den Märtyrertod erlitten hatte, wurde die Königin bedeutend krank. Sie hatte aber viel Vertrauen zu den Juden; diese setzten nun in ihrem Hass gegen das Christentum der Königin in die Ohren, daß wahrscheinlich die Schwestern des Bischofs Simeon es veranstaltet haben, der Königin Gift beizubringen, um Rache zu nehmen wegen des Todes ihres Bruders. Die Königin glaubte diese Verleumdung, und Tarbula wurde alsbald mit ihrer Schwester und Magd gefänglich eingezogen.
Der König gab dem obersten Priester der persischen Religion mit zwei andern Richtern den Auftrag, das Verhör mit den Frauen vorzunehmen. Als aber der Oberpriester die ausgezeichnete Schönheit der hl. Jungfrau Tarbula sah, faßte er große Neigung zu ihr im Herzen, aber ließ es vor den andern nicht merken.
Die vorgeführten Frauen wurden von ihren Richtern sogleich damit angeredet: „Warum habt ihr Giftmischerei gegen die Königin verübt? Ihr seid deshalb der Todesstrafe verfallen.“ – Darauf antwortete die hl. Tarbula: „Warum hat euch Satan einen solchen grundfalschen Gedanken in den sinn gegeben? Warum wollt ihr uns ungerecht beschuldigen? Wenn ihr nach unserm Blut dürstet, wer hindert euch es zu trinken? Ihr befleckt ja ohnedies täglich eure Hände mit Mord. Wir werden aber um unsers Gottes willen als Christinnen sterben, und ihn nicht verleugnen, denn er ist unser Leben und ihn allein beten wir an und dienen ihm. Wie sollen wir aber mit Giftmischerei umgegangen sein, da solches eine so große Sünde wäre, wie wenn wir unsern Gott verleugnet hätten?“
Da die Richter dergestalt die hl. Tarbula sprechen hörten, wurde ihr Wohlgefallen an deren Schönheit und Verständigkeit noch viel größer. Jeder dachte bei sich: ich will den König um Schonung ihres Lebens bitten, und mir sie zur Frau nehmen. Endlich sagte der Oberpriester: „Obschon euer Gesetz, wie du sagst, es verbietet Gift zu geben, so habt ihr es doch getan aus Schmerz und Rachsucht wegen eures Bruders Tod.“ – Darauf erwiderte Tarbula: „Was hat denn unser Bruder für ein Übel gelitten, dessentwegen wir unser Seelenheil zu Grunde richten sollten? Obschon ihr ihn aus Schlechtigkeit und Neid gemordet habt, so lebt er doch und jubelt im himmlischen Reich, wogegen eure Herrschaft und Macht rein nichts ist.“
Darauf wurden sie wieder in den Kerker zurück geführt. Den andern Tag aber schickte der Oberpriester heimlich zur hl. Tarbula und ließ ihr sagen, er wolle den König für sie und die beiden andern bitten, daß ihnen das Leben geschenkt werden, wenn sie sein gehören wolle. Als die starkmütige Jungfrau solches hörte, sprach sie: „Schweige, unreiner Hund, du Feind Gottes, und hör` auf, solche schändliche Worte vor meinen Ohren zu reden. Gott behüte mich, daß je so etwas geschehe; ich bin angetraut meinem Herrn Christus, ihm bewahre ich meine Jungfrauschaft und ihm werde ich treu bleiben. Und er, der Sündenreine, kann mich euren unreinen Händen und schändlichen Anschlägen entreißen. Ich fürchte nicht zu sterben und habe keinen Schrecken vor gewaltsamem Tod. Denn dieses ist der Weg, der mich zu meinem geliebten Bruder und Bischof Simeon führt; dort werde ich Trost für den Kummer und für die Seufzer finden, die mir die Trennung von ihm verursacht hat.
Darauf wurde dem König hinterbracht, die Untersuchung habe ergeben, daß die Frauen wirklich der Giftmischerei schuldig seien. Damals war aber die frühere Verordnung, daß alle Christen hingerichtet werden müssen, in Persien wieder zurück genommen, und blieb nur in Betreff der christlichen Priester in Wirksamkeit; sonst wäre Tarbula auch ohne die Beschuldigung der Giftmischerei hingerichtet worden. Der König tat nun den Ausspruch, daß ihnen das Leben geschenkt werden solle, wenn sie die Sonne anbeten würden. Als solches den Frauen angekündigt wurde, antworteten sie: „Wir beten den Schöpfer Himmels und der Erde an, die ihm gebührende Ehre wenden wir nicht der Sonne zu, weil diese nur ein Werk Gottes ist. Eure Drohungen werden niemals bewirken, daß wir uns lossagen von der Liebe unsers Herrn und Heilandes Jesu Christi.“
Da nun jene auf das Anerbieten des Königs einmütig diese Erklärung gaben, so schrieen die Priester: „Fort von der Erde mit ihnen, die mit Gift unsere Königin krank gemacht und in den Tod bringen wollten!“ Alsbald wurde nun das Urteil ausgesprochen, daß jene Frauenspersonen mit einer Todesart nach dem Gutdünken der Priester (Magier) hingerichtet werden sollten. Diese behaupteten nämlich, die Königin könne nur dann wieder gesund werden, wenn die Körper der Angeklagten entzwei gesägt würden, und die Königin dann zwischen den zertrennten Körperteilen hindurch gehen würde. Nachdem dieser Beschluss gefaßt war, schickte der Oberpriester noch einmal zu Tarbula mit dem Anerbieten, wenn sie ihm Gehör geben wolle, so könne sie sich und die beiden andern am Leben erhalten. Die hl. Tarbula antwortete aber dem Boten laut und derb: „Unreiner Hund, warum redest du mir von Dingen, die mir unausstehlich anzuhören sind? Ich will durchaus sterben, damit ich das ewig Leben habe; wegen dieses kurzen Lebens werde ich niemals von der Pflicht ablassen und ewig zu Grunde gehen.“
Sie wurden nun vor die Stadt hinaus geführt und dort jede an zwei Pfähle in der Weise angebunden, daß an einem Pfahl der Hals und am andern die Füße befestigt wurden; und dann wurden sie mit einer eisernen Säge mitten entzwei gesägt. Hierauf wurden sechs Balken, jedesmal drei auf einer Seite, aufgerichtet und an jeden Balken die Hälfte eines durchgesägten Körpers gehängt. Nun wurde die kranke Königin herbei getragen, damit sie zwischen den zerrissenen Körperteilen hindurch gehe, in der abergläubischen Meinung, hierdurch wieder ihre Gesundheit zu erlangen.
Es sind zwar alle Menschen schwach und haben täglich und stündlich notwendig zu beten: Führe uns nicht in Versuchung; ganz besonders schwach ist aber das weibliche Geschlecht, man nennt es deshalb auch das schwache Geschlecht. Wie leicht und schnell kann z. B. ein gut erzogenes Mädchen durch Umgang mit leichtfertigen Personen, durch verderbliche Bücher, durch mancherlei Vergnügen um Religiosität und Tugend gebracht werden! Oder wie schwach zeigt sich eine Frauensperson oft, wenn sie in irgend eine Not kommt; was ist das oft für ein kleinmütiges Weinen und Jammern; oder wie läßt sie sich so leicht in Torheit und Sünde bringen, wenn ihr in der Verzagtheit Anerbieten oder Versprechungen gemacht werden!
Nicht umsonst hat der Satan im Paradies sich zuerst an das Weib gewendet, als bei dem Mann. Anderseits sehen wir in der Geschichte von der hl. Tarbula eine Entschlossenheit und Stärke, wie man es oft bei vielen tausend Männern nicht findet. Solches kam aber nicht daher, als wäre Tarbula eine Art Ausnahme von ihrem Geschlecht und gleichsam mit einer männlichen Seele ausgestattet gewesen, sondern eine solche Stärke kann jedes Mädchen und jede Frau auch bekommen, es ist nämlich die Kraft der göttlichen Gnade, die sich stark in den Schwachen zeigt. Je mehr eine Person betet, würdig die hl. Sakramente empfängt, und sich bemüht christlich zu leben: desto stärker wird sie innerlich. Sie hat nicht nur an Gott einen Schützer, der ihr Schicksal leitet, sondern auch einen innerlichen Beistand, der in jeder Not ihrer Seele Mut, Stärke und Standhaftigkeit einflößt. Deshalb kannst du dich niemals mit der Schwäche deines Geschlechtes entschuldigen, wenn du sündigst, denn der, welcher Jungfrauen und Frauen und Witwen stark gemacht hat, daß sie ohne Furcht dem Märtyrertod entgegen gegangen sind, ist auch unser Gott; was dir in den Versuchungen an eigener Kraft fehlt, das legt dir der Allmächtige hinlänglich und überflüssig durchs eine übernatürliche Gnade zu. Halte dich treu und fest an die Lehren und Heilmittel der Religion, dann wird Gott auch dich halten, daß du so wenig wankest und fällst, als der Stern am Himmel, wenn der Sturmwind braust. –
aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 2 April bis Juni, 1872, S. 98 – S. 102