Der Gottesträger während der Revolution

Der Gottesträger während der Französischen Revolution

Wer christlich glaubte, war ein Staatsverbrecher

Es war vor hundert Jahren; die Schreckensherrschaft in Paris hatte den höchsten Grad erreicht. Kein Mensch war sicher, im nächsten Augenblick verhaftet zu werden und am andern Morgen den traurigen Gang zur Guillotine zu machen. Die offenste Ruchlosigkeit und Gemeinheit war noch der beste Schild zum Schutz vor Gefangenschaft und Tod. Wer aber noch christlich glaubte, der war schon ein Staatsverbrecher. Es bedurfte ja in jenen Tagen der Revolution kaum eines Verdachts mehr; man brauchte nur einem der blutgierigen und bluttriefenden Unmenschen, welche sich heuchlerisch den „Wohlfahrts“-Ausschuss nannten, nicht zu gefallen, und das Leben war verwirkt. Dinge, wofür einer gar nicht verantwortlich war, wurden von diesen Männern der „Freiheit und Brüderlichkeit“ mit dem Tode geahndet. Es durfte einer nur adelige Eltern gehabt haben oder einen Adelsnamen führen, so war das ein solch entsetzliches Verbrechen an der „Nation“ und den „Bürgern“ Frankreichs, daß er unbedingt geköpft werden musste. Oder vollends Priester zu sein oder Barmherzige Schwester, war ein Verbrechen, das der Todesstrafe würdig war. Das war eigentlich kein Wunder. Denn die Freiheits- und Gleichheits-Brüder hatten ja den lieben Gott selbst in Frankreich für abgesetzt erklärt, und hatten verkommene, freche Weibsbilder als „Göttinnen“ der Vernunft auf die Altäre der entweihten Kirchen gestellt; sie hatten den Gottesdienst, die Sakramenten-Spendung, das Gebet, die sämtlichen Gnadenmittel der Kirche verboten – „Religion ist Privatsache!“ -, und so sahen sie die Priester der Kirche, die Verkünder der Wahrheiten des ewigen heiligen Gottes, natürlich als die Gegner ihres Revolutionsstaates an und verfolgten sie unablässig. Zahllose Priester waren schon aufs Schafott gestiegen und hatten da als Märtyrer ihr Leben gelassen für ihren heiligen Beruf und den Glauben an den dreieinigen Gott. Andere wären ihnen ohne Zaudern freudig in den Tod gefolgt; sie wußten ja, daß der Himmel ihnen sicher war. Aber es war ihnen geboten, sich möglichst verborgen zu halten, und zwar um der Gläubigen willen, die noch der heiligen Kirche bedurften. Wer sollte den vielen Tausenden von Kranken und Sterbenden die heiligen Sakramente spenden, wenn alle Priester hingerichtet waren? Wer sollte insbesondere allen denjenigen frommen Christen, welche keinen Augenblick sicher waren, zum Tode geführt zu werden, die letzten Gnaden der Kirche spenden, ihnen die letzte Beicht abnehmen, sie noch mit dem heiligsten Sakrament stärken und ihnen Mut zusprechen für die letzte Stunde? Deshalb weilten noch viele Priester der katholischen Kirche verborgen, verkleidet in Paris, gingen ein und aus in allen Häusern, lasen im Dunkel der Nacht in irgend einem verborgenen Zimmer die heilige Messe hinter verschlossenen Türen und spendeten die heiligen Sakramente. Wo immer es möglich war, empfingen die noch gläubigen Familien die heiligen Sakramente und lebten so, daß sie den Tod nicht zu fürchten brauchten.

Wie viele hatten keinen Priester

Aber in den Gefängnissen: wie viele Hunderte schmachteten da, warteten auf den Tod und hatten keinen Priester! Denn das war noch die ärgste Bosheit der damaligen Regierung der „Brüderlichkeit“ und der „Menschenrechte“, daß nicht einmal den zum Tode Verurteilten Gelegenheit gegönnt wurde, sich mit dem lieben Gott auszusöhnen. Ohne Beichte, ohne Wegzehrung, womöglich beladen mit Sünden: so sollten diese Opfer der Revolution dem Tode überliefert werden! Deshalb war es die höchste und größte Sorge der Priester, trotz alledem unbemerkt in die Gefängnisse zu kommen, um dort die heiligen Sakramente zu spenden, wenigstens noch das der Buße. –

Bei den Bäckersleuten erscheint durch Gottes Fügung ein Priester

Es war eines Abends, da trat bei einem Bäcker ein noch ziemlich junger Mann ein, gekleidet wie ein Arbeiter. Der Bäcker fragte nach seinem Begehr. Der Arbeiter sprach lächelnd: „Ich möchte fragen, ob Ihr keinen Gesellen braucht.“
„Bedaure, bin schon versehen“, war die Antwort; „meine drei Gesellen haben ohnehin weniger Arbeit, als mir lieb ist.“
„Aber mit mir müssen Sie doch eine Ausnahme machen“, sprach der Stellesuchende und lächelte so eigentümlich, daß der Meister ihn schärfer anschaute. Jetzt stand er rasch auf, zog die Mütze vom Kopf und flüsterte: „Aber, Hochwürden! … wenn Sie jemand sähe! Kommen Sie herauf in meine Wohnung!“
Und die beiden gingen hinauf. Die Frau des Bäckers war nicht weniger überrascht als der Mann. Die Kinder hatte man vorsichtiger Weise fern gehalten. Die Bäckersleute waren treue, zuverlässige Christen; die erste Frage an den Geistlichen, de sie schon lange kannten, war: womit sie ihm dienen könnten. Er erwiderte: „Damit, daß Sie mich als Gesellen einstellen, oder, wenn Sie wollen, als Austräger Ihrer guten Brote, Vater Nikolaus.“

Ein Ruf des Erstaunens war die Antwort. Der Priester aber fuhr fort: „Laßt Euch erzählen! Mein Mitbruder, der bisher die Gefangenen drüben in der andern Straße besuchte, ist in seinem bisherigen Schlupfwinkel, wo er übernachtete, entdeckt, verhaftet und heute früh guillotiniert worden. Ich preise ihn glücklich als Märtyrer; er hat durch sein frommes Leben diese Ehre vollauf verdient. Nun muss das Gefängnis doch wieder besucht werden. Ich habe es übernommen, und da schien mir der beste Plan der , welchen ich Euch nun mitteilen will.“

Ehe der Priester aber weiter fuhr, überfiel ihn plötzlich Blässe und Ohnmacht; er sank zum Schrecken der guten Leute in den Lehnstuhl zurück, wo er gesessen. Gleich kam er wieder zum Bewusstsein und flüsterte nur, indem er zu lächeln versuchte: „Es geht vorüber, geben Sei mir einen Schluck Wein!“ Daß er vor Schwäche, Hunger und rastloser Arbeit zusammen gesunken war, das brauchte er ja nicht zu sagen.

Wer ist das Kind Eugen?

In diesem Augenblick ging die Türe auf, und ein etwa achtjähriger Knabe trat ein, ein bildschönes Kind, blieb aber an der Türe stehen, da er den Fremden erblickte. Der Bäcker sagte leise zu dem Priester: „Das ist Eugen, das Kind des Grafen R., welches keine Eltern mehr hat und uns gebracht worden ist.“ Die Hausfrau rief den Knaben herbei und liebkoste ihn, plötzlich aber rief sie: „Aber, Eugen, was hast du hier?“ Damit zeigte sie auf einen roten, breiten Streifen an seiner Wange. Dem Knaben traten Tränen in die Augen; er sprach bittend: „Mama, bitte, frage nicht!“ Aber schon kamen die andern zwei älteren Geschwister ins Zimmer, und das Mädchen erzählte entrüstet: „Denke dir nur, lieber Papa, de Eugen hat ein böser Bub mitten ins Gesicht geschlagen.“ „Und wie kam das?“ fragte der Vater. „Eugen hat ihn wohl vorher geschlagen?“ „Nein“, sprach eifrig die Mutter dazwischen, „das tut Eugen nicht; ist`s nicht so, Eugen?“ „Ich habe den Knaben gewiß nicht geschlagen und auch nichts Böses zu ihm gesagt“, sprach er kleinmütig und leise. „Ja, es ist so, Mama“, berichtete nun der ältere Bruder Eugens weiter, „und denke dir, die Dummheit, welche dann Eugen begangen hat. Wie der böse Bub ihn misshandelt hat, so hat Eugen ihn gebeten, er, der böse Bub, möge ihm verzeihen!“ Eugen wurde bis über die Ohren rot, dann sagte er zu der Mama: „Liebe Mama, ich weiß schon, ich hätte sagen sollen, ich verzeihe ihm, aber ich war eben so verwirrt, und da hab ich`s verkehrt heraus gebracht. Aber das hättest du gar nicht zu sagen brauchen“, tadelte er jetzt den älteren Bruder; „ich habe es doch recht machen wollen, wie meine gute Mama daheim es mich gelehrt hat, wir müssen allen, die uns Böses tun, verzeihen.“

Eine große Bitte des Priesters

Mit großer Aufmerksamkeit hatte der Geistliche das alles angehört, voll Bewegung ruhten seine Augen auf dem kleinen Eugen, der so heldenmütig sich überwinden und auch im Augenblick der Misshandlung und Schmach des Gebotes eingedenk geblieben war, das ihm die Mutter eingeschärft hatte. Dann war es wie ein freudiges Aufleuchten über seine Züge gegangen.
Jetzt waren die Kinder wieder draußen und der Priester fuhr fort: „Nun hört, Vater Nikolaus, wie ich mir die Sache gedacht habe. Ich kleide mich als Bäckergeselle, hole bei Euch täglich morgens einen Korb mit frischem Brot, bitte damit um Einlass bei den Gefangenen, um es zu verkaufen, und das weitere gibt sich von selbst. Damit Ihr aber in keine Gefahr kommt, zahle ich täglich den Brotvorrat und werde Euch außer diesem Geschäft mit keinem Wort weiter belästigen – wenn es Euch beiden so recht ist.“
Vater Nikolaus schaute sein Weib an, und diese zögerte keinen Augenblick zu sagen: „Es wäre ein Verbrechen, wollten wir diese Gelegenheit nicht benutzen, die uns der liebe Gott schickt, um den armen Verurteilten noch eine unschätzbare Gnade zu erweisen.“

„Nun aber“, fuhr der Priester fort, „kommt noch ein Punkt, und der ist noch wichtiger für Euch beide als für mich. Ich will nämlich den Gefangenen auch die heilige Kommunion spenden. Da muss ich also das allerheiligste Sakrament mit in das Gefängnis nehmen. Das könnte und müsste ich nun natürlich bei mir tragen. Aber ich fürchte etwas… Wenn man mich eines Tages als Priester erkennen und gefangen nehmen würde, so würde mir zweifellos das Gefäß mit der heiligsten Eucharistie von den Händen der Henker abgenommen und entehrt werden… Ich weiß das vom Schicksal einiger Priester her, wo man die heiligen Hostie auf den Boden geschüttet hat … ein wahnsinniger Gräuel! Ich würde sterben, so etwas sehen zu müssen. Nun habe ich gebetet, die Mutter Gottes möge mir einen Weg zeigen, wie dieses Entsetzliche zu verhüten wäre, falls man mich im Gefängnis erkennen würde. Und da ist mir der Gedanke gekommen: Ich solle ein Kind mit mir nehmen, welches mir scheinbar den Verkauf der Brote mit besorgte, damit es um so rascher gehe. Diesem Kind sollte dann das Allerheiligste anvertraut werden, so wie es bei den ersten Christen dem zwölfjährigen hl. Tarcisius übergeben wurde, daß er es den gefangenen unerkannt überbringe. Und wenn man dann auch mich gefangen nimmt; das Kind läßt man zweifelsohne frei ausgehen und untersucht es nicht, und auf diese Weise ist dann wenigstens dem göttlichen Heiland im heiligsten Sakrament die Schmach der Verunehrung erspart.“

Der liebe Gott hat schon gewählt

Tief aufatmend hatte die Mutter dieser Erklärung gelauscht; jetzt blickte sie erwartungs- und ahnungsvoll den Priester an.
Er aber sagte: „Vater Nikolaus, und Sie, Mutter, was sagen Sie dazu?“
Der Bäcker stand auf und sprach, indem er die Mütze abnahm und auf seine Frau blickte: „Hochwürdiger Herr, wenn Gott eines meiner Kinder haben will zu diesem Dienst, so will ich und meine Frau das als ein unschätzbares Glück, als eine Gnade und Ehre ohnegleichen ansehen. Nehmen Sie, welches von unsern Kindern Sie wollen, wenn Sie eines derselben dieser Ehre würdig erachten, die lebendige Monstranz des Leibes des Herrn zu sein.“
„Der liebe Gott hat denjenigen schon bezeichnet, welchen er will“, war die Antwort. „Es ist nicht umsonst gewesen, daß vorhin der kleine Eugen mit seinem Erlebnis gekommen ist. Ihn will der göttliche Heiland. Denn wenn ein Kind so viel Selbstbeherrschung zeigt, daß es unmittelbar nach erhaltener Misshandlung nicht dem natürlichen Zug der Rache, sondern dem Gebot Gottes folgt, das da Verzeihung befiehlt: das Kind ist würdig, denjenigen zu tragen, welcher zu uns allen gesagt hat: ‚Lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und demütig von Herzen‘. Gebt mir also den kleinen Eugen!“
Frau Nikolaus weinte leise. Ihr wäre es eine Ehre gewesen, wenn der Priester eines von ihren eigenen Kindern gewählt hätte; aber sie ergab sich.

Eugen wird in das Geheimnis eingeweiht

Eugen wurde gerufen und in das Geheimnis eingeweiht. Und als ihm nun gesagt war, daß er morgen früh erstmals den Gang ins Gefängnis antreten solle, daß er dann um seinen Hals unter dem Oberkleid, an einer starken Schnur hängend, eine Kapsel tragen solle, in welcher das hochheiligste Sakrament des Altars geborgen sei: da ging eine auffallenden Veränderung mit dem sonst schon weit über seine Jahre gereiften Knaben vor. Sein Gesicht wurde blaß und rot, aus seinem Blick sprach ein Ernst und eine Hoheit, die sich für einen Heiligen geziemt hätte. Die außerordentliche Würde, zu der ihn Gott berufen, und damit der lebendigste Glaube, die tiefste Ehrfurcht, die innigste Liebe zum allerheiligsten Sakrament prägte sich in seinem ganzen Wesen aus. Mit der vollen bedingungs- und rückhaltlosen Hingabe, deren vor allem die reine, unschuldige Jugend fähig ist, faßte er seine Aufgabe auf und alle Verhaltungs-Maßregeln, die ihm gegeben wurden, auch für den traurigen Fall, daß der Geistliche als solcher erkannt würde. „O wie gerne würde ich sterben, mich stechen, brennen und plagen lassen für den lieben Heiland!“ rief er; „o wie gerne würde ich sterben für den Glauben an das heiligste Sakrament!“

Im Gefängnis bei den Katholiken ist Gott

In dem Gefängnis war es bald kein Geheimnis mehr, daß jeden Morgen der Priester kam. Die Eingekerkerten waren ja meistens fromme, katholische Christen, und es gab keine größere Gnade, keine stärkere Sehnsucht als die nach dem Empfang der heiligen Sakramente im Angesicht des Todes. So hatten es die schon länger Anwesenden den neu Eingelieferten, von welchen sie glaubten, daß sie auch zu beichten wünschten, mitgeteilt, und die Betreffenden machten in der Nacht ihre Vorbereitung auf die letzte Beichte und Kommunion in ihrem Leben. Wenn dann der weiß gekleidete, ernste Brotverkäufer eintrat und seinen Korb bald da bald dorthin in dem Massengefängnis stellte, so nahten sie, knieten nieder, als ob sie sich Brot aussuchen wollten, und beichteten dem verkleideten Priester. Dann nahte auf ein Ziechen der Knabe, der Priester entnahm der Kapsel, die dieser am Hals trug, die heilige Hostie und reichte sie den Andächtigen. Das alles ging in dem Halbdunkel des Gefängnisses und dank der Verschwiegenheit der Gefangenen, auch derjenigen, die nicht beichten wollten, unbemerkt vor sich. –

Ein adeliges Ehepaar

Einige Wochen sind vorüber. Da finden wir unter denjenigen, welche sich auf das heilige Sakrament vorbereiten, auch ein vornehmes Ehepaar. Die Dame ist gefaßt und betet, der Herr aber bricht zwischen hinein fast zusammen vor Schmerz, Aufregung und Schrecken. „Nein“, spricht er dann wieder, „Gott hat uns verlassen, ich kann nicht beten. Das ist namenlos! Ich will ja gerne sterben, will Hab und Gut verlieren: aber mein einziges Kind verloren wissen, vielleicht in den Händen von Verbrechern, die aus dem Engel einen Teufel machen… das ist zuviel!“
„Der liebe Gott kann alles“, spricht seine Frau, „und ich bin überzeugt, er hat mein Gebet erhört und für unser Kind gesorgt.“
„Dazu gehört dein starker Glaube“, seufzte er, „Ich gebe die Hoffnung auf.“ Dich bewegt sie ihn, sich vorzubereiten zur Beichte. Denn der Tod ist ihnen sicher. Sie sind Adelige, sind bereits schon einmal gefangen gewesen, dann geflüchtet und wieder eingefangen worden, das ist ein zweifaches Verbrechen an der Nation.

Ein wunderbares Wiedersehen durch Gottes Fügung

Der Morgen dämmert und kommt herauf. Eine gewisse Bewegung ist bemerkbar bei den Gefangenen. Die, welche die heiligen Sakramente empfangen wollen, verteilen sich schweigend dahin, dorthin. Im hintersten Winkel ist das Ehepaar. Jetzt kommt der Brotverkäufer und ruft laut seine War aus; es nahen sich die Gefangenen, und der Himmel öffnet sich über ihnen, der Heilige Geist waltet unsichtbar über dem Raum, Wunder der göttlichen Barmherzigkeit in den Seelen wirkend.
Nun naht sich der Brotmann dem vornehmen Ehepaar; auch diese beichten und söhnen sich mit Gott aus; es ist Friede geworden in ihrem Herzen. Jetzt winkt der Priester dem Knaben, der hinter einer Säule gestanden ist. Das Kind nähert sich, die Augen ernst nieder geschlagen, heilige Andacht erfüllt es. Nun steht der Knabe dicht vor den beiden, die da knien. Der Priester wendet sich zu ihm und nimmt ihm die Kapsel mit dem allerheiligsten Sakrament vom Hals weg.
In diesem Augenblick schaut die Dame unwillkürlich auf und sieht den Knaben, der dicht vor ihr steht, nur einen Schritt entfernt. Starr blickt sie das Kind an, das sie nicht sieht, sondern die Augen auf den Priester heftet, dann faßt sie ihren Gemahl am Arm, und über ihre Lippen kommt`s wie ein verhaltener Jubelschrei: „Eugen, unser Kind!“
Jetzt schaut auch der Knabe auf; ein überirdisch schönes und freudiges Lächeln geht über sein Gesicht sein ganzer Leib ist erschüttert, aber er bleibt ruhig. Der Priester flüstert: „Ruhe, um Gottes willen, verratet euch nicht!“ Dann reicht er den beiden von der Brust ihres Kindes weg das heiligste Sakrament, nimmt die Kapsel an sich und spricht zu dem Knaben: „Bleib bei deinen Eltern hier, bis ich weg gehe“, und schreitet weiter.

Und die Eltern sind mit Gott vereinigt und mit ihrem Kind; sie wissen, daß es gut aufgehoben ist, sie segnen es, sie nehmen Abschied von ihm – vielleicht morgen auf Wiedersehen!
Der andere Morgen kam; das gräfliche Ehepaar war nichtmehr da. Eine Stunde, ehe der Priester wieder kam, hatte man sie geholt, zum Tode. –

Was aus dem Boten Gottes geworden ist

Der Priester ist nicht entdeckt worden; Gott schützte ihn. Der Knabe aber: er hat sich ganz de göttlichen Dienst geweiht. Er ist Priester geworden, dann Missionar im Ausland. Und wenn du in Süd-Indiana, in der Diözese Vincennes in Nordamerika, nach dem ersten Bischof fragst, der als ein Heiliger daselbst bis heute verehrt wird: dann hast du den Name des Knaben (*), welcher die Schauer und das Grauen des Revolutions-Gefängnisses gegangen ist, das Allerheiligste an seiner Brust tragend, wie ein Engel Gottes. Ein Bote Gottes ist er damals gewesen und ist es geblieben sein Leben lang.
Wer aber die liebevolle, barmherzige und wunderbare Fürsorge Gottes für die Gefangenen beherzigt, wie das geschildert ist nach einem wirklichen Vorgang, der muss und wird aus vollem Herzen sprechen: „Hochgelobt und gebenedeit sei das allerheiligste Sakrament des Altares von nun an bis in Ewigkeit.“

(*) Augustin Gabriel Marie Bruté de Rémur –
aus: Konrad Kümmel, Osterbilder, 1912, S. 248 – S. 257

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