Heiligenkalender
27. Oktober
Heiliger Frumentius Bischof und Apostel von Äthiopien
(Bestand der katholischen Kirche)
Dreihundert Jahre nach Christus machte ein Gelehrter namens Merope eine Reise nach Indien, um dieses ferne Land kennen zu lernen. Er hatte zwei Jungen bei sich, die mit ihm verwandt waren und die er in den Wissenschaften unterrichtete. Der eine hieß Frumentius, der andere Edesius. Nachdem Merope in Indien genug sich umgesehen und seine Wissbegierde befriedigt hatte, begab er sich auf ein Schiff und wollte nach Hause reisen. Im Verlauf der Seefahrt nun musste das Schiff einmal anlanden in einem Hafen von Äthiopien, weil das Trinkwasser und die Lebensmittel ausgegangen waren. Da nun Merope und die übrigen Leute vom Schiff an das Land gegangen waren, so wurden sie alsbald von den Heiden angefallen und sämtlich ermordet. Nur die beiden Knaben, welche von nichts wußten, saßen sorglos unter einem Baum und lernten ihre Lektion. Als die Heiden die Kinder fanden, mögen sie Mitleid über ihre Unschuld gefühlt haben; sie taten ihnen nichts zu leid, sondern führten sie zu dem König des Landes.
Der König ließ den fremden Kindern eine sorgfältige Erziehung geben, und da sie hierbei besondere Tauglichkeit zeigten, gab er ihnen bedeutende Hofämter, als sie das entsprechende Alter erreicht hatten. Edesius wurde königlicher Mundschenk, und da Frumentius besonders vielen Geist und Charakter zeigte, so wurde er zum Schatzmeister und Staatsschreiber ernannt. Sie standen beide in großer Achtung bei dem König, so lange er lebte, und wurden von ihm mannigfach ausgezeichnet. Als es nach einiger Zeit zum Sterben mit ihm kam, verordnete er, daß Frumentius und Edesius vollständige Freiheit haben sollten zu tun, was ihnen beliebte. Allein die Königin, deren Kinder noch sehr jung waren und die nun die Regierung des Landes zu übernehmen hatte, wußte wohl, daß sie keine treuere und zuverlässigere Diener finden könne, als diese beiden. Sie bat deshalb Frumentius und Edesius mit großer Inständigkeit, die Sorgen der Regierung mit ihr zu teilen, bis daß ihre Kinder ein reiferes Alter erreicht hätten; die Brüder gaben ihrer Bitte nach und blieben. Besonders war ihr daran gelegen, dass Frumentius bleibe, weil sie seine besondere Tüchtigkeit desselben in Regierungs-Geschäften kannte, während Edesius nicht eben so begabt war, aber doch auch vielen Wert hatte durch große Treue und ruhige Besonnenheit.
Auf diese Art erneuerte sich an beiden das Wunder, welches Gott einst zugunsten des Joseph und des Daniel gewirkt hatte, daß sie nämlich aus Gefangenen die höchsten Staatsbeamten wurden. Auch hatte Gott in Bezug auf Frumentius nicht geringere Pläne, als in Bezug auf jene zwei Propheten des Altertums. Denn Frumentius war nicht nur darauf bedacht, den Staat gut zu regieren, der ganz seiner Leitung übergeben war, sondern Gott berührte auch sein Herz und seinen Geist mit geheimnisvoller Erleuchtung und Anmahnung. Er fing an, sich sorgfältig zu erkundigen, ob unter den römischen Kaufleuten, die des Handels wegen nach Äthiopien kamen, sich keine Christen befänden. Wenn er dann einige gefunden hatte, so gab er ihnen alsbald sehr große Gerechtsame und ermahnte sie, an allen Orten, wo es ihnen gefiele, sich zu versammeln, um nach Gebrauch und Übung der Römer Gott anzubeten. Dasselbe tat er auch seinerseits mit noch größerer Andacht und Eifer, als die Andern. Er selbst ermunterte die fremden Christen, zog sie durch Begünstigungen und Wohltaten, gab ihnen alles, was sie bedurften, schenkte ihnen Bauplätze, um Kapellen zu errichten und was sie sonst dazu brauchten; kurz, Frumentius zeigte durch sein ganzes Benehmen, daß ihm nichts auf der Welt mehr am Herzen liege, als daß der Same der christlichen Religion im Königreich ausgesät werde und gedeihe. Die römischen Christen hielten dann Gottesdienst, und es kamen auch einige Landesbewohner, welche von den Fremden im Christentum unterrichtet worden waren, um daran Teil zu nehmen.
Da die jungen Fürsten ein reiferes Alter erreicht hatten, übergaben Frumentius und Edesius ihnen die Regierung des Landes und kehrten in das römische Reich zurück, obschon die Königin und ihre Söhne Alles aufboten, um sie zurück zu halten und sie zu bewegen, daß sie in Äthiopien blieben. Das Verlangen welches Edesius hatte, Vater und Mutter wieder zu sehen, bewog ihn nach Tyrus zurück zu reisen, wo er später Priester wurde. Frumentius dagegen nahm den Weg nach Alexandria; er sagte nämlich, es sei nicht gut das Werk Gottes zu verbergen. Er erzählte sonach dem heiligen Athanasius, welcher damals Bischof in Alexandrien war, alles, was sich in Äthiopien ereignet hatte, und forderte ihn auf, Jemanden auszusuchen, der die nötigen Eigenschaften hätte, um als Bischof nach Äthiopien gesandt zu werden. Es waren nämlich jetzt die Christen in jenem heidnischen Land schon sehr zahlreich; sie hatten schon mehrere Kirchen daselbst gebaut und hungerten und dürsteten überaus nach Nahrung der Seele.
Der heilige Athanasius vernahm mit großer Freude den Bericht des heiligen Frumentius; und nachdem er ernstlich die Sache überlegt hatte, ließ er die Priester und Frumentius zusammen kommen und sprach dann, indem er sich an letztern wandte: „Wen können wir finden, in dem der Geist Gottes so offenbar sich ankündigt, als dich, und der so tauglich wäre, ein so wichtiges Unternehmen durchzuführen?“ Darauf weihte er den heiligen Frumentius zum Bischof und befahl ihm, mit der Gnade des Herrn zurück zu kehren in das Land, woher er gekommen war. Der heilige Frumentius, statt heim zu kehren wie Edesius, opferte Vaterland und Familie und wanderte in der Eigenschaft eines Bischofs nach Äthiopien zurück. Gott aber soll ihm außerordentliche Gnaden verliehen haben, so daß er gleich den Aposteln seine Lehre mit Wundern bestärkte und eine zahllose Menge von Heiden zum christlichen Glauben bekehrte. Ja, seine Bemühungen hatten einen so glücklichen Erfolg, daß ganze Völkerschaften christlich wurden und eigene Kirchen bildeten. Gott räumte auch das größte Hindernis hinweg, das die Verbreitung in Christenländern oft so schwer macht, nämlich den Hass der Landesfürsten dagegen. Beide fürstlichen Brüder in Äthiopien nahmen selbst das Christentum an und lebten so fromm, daß sie von den Äthiopiern als Heilige verehrt werden; sie hießen Aizan und Sazan. Der heilige Frumentius selbst wird aber als der Apostel des Landes angesehen.
Auf den heutigen Tag fällt auch noch das Fest eines anderen Heiligen aus Äthiopien, und zwar eines Königs, Namens Elesbaan. Dieser regierte zweihundert Jahre später, als Frumentius das Christentum im Land verbreitete. Er führte ein musterhaft tugendhaftes Leben, und übertrug in späteren Jahren die Regierung seinem Sohn, der auch viele Frömmigkeit und christlichen Eifer besaß. Sein kostbares Diadem sandte er als Opfer nach Jerusalem, ging Nachts verkleidet zur Stadt hinaus, begab sich in ein Kloster und lebte daselbst wie ein gemeiner Klosterbruder. Brot und zuweilen ungekochte Kräuter war seine einzige Nahrung, Wasser sein einziger Trank, und war immer der erste bei allen religiösen Übungen. Mit Weltleuten verkehrte er niemals mehr, um ganz allein für Gott in Gebet und Betrachtung zu leben.
Überhaupt hat nicht leicht ein Land so rasch und allgemein das Christentum angenommen, als gerade Äthiopien. Es war auch ein Äthiopier, der durch besondere Leitung Gottes von dem Diakon Philippus belehrt und getauft wurde, wie schon die Apostelgeschichte im Kapitel 8 erzählt. Wie sieht es aber jetzt aus in jenem großen Land? In einem Teil davon, in Nubien, ist das Christentum erloschen, und das übrige Äthiopien glaubt zwar noch an Christus, befindet sich aber schon länger als tausend Jahre in ketzerischer Lehre und Lostrennung vom wahren lebendigen Stamm, von der katholischen Kirche. –
In ähnlicher Weise hat sich England in den frühesten Zeiten durch einen außerordentlichen Glaubenseifer ausgezeichnet, so daß fast ganz Deutschland durch apostolische Männer zum Christentum bekehrt worden ist, welche aus England kamen. Und jetzt ist dort die christliche Religion seit einigen hundert Jahren verstümmelt; so z. B. hat man beim Abfall von dem katholischen Glauben die Zeremonien der heiligen Messe behalten, hingegen das Wesen, die Wandlung und Gegenwart Christi, verworfen – gleich einem Menschen, der, im Besitz einer Geldkasse, das Geld wegwirft und die Kiste sorgsam bewahrt. So gibt es noch manche Länder, wo die katholische Religion einst geblüht hat und später wieder erloschen ist. Ist dieses aber nicht gegen die Verheißung des Herrn, der gesagt hat, daß er seine Kirche auf einen Fels gegründet habe und die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen werden? – Nein, es widerspricht dieser Verheißung nicht; denn der Herr hat nur versprochen, daß die katholische Kirche bis ans Ende der Welt auf Erden bestehen werde, nicht aber, daß sie in jedem Land und bei jedem Volk, wo sie einmal gegründet ist, stets bestehen werde. Ein Baum steht doch, wenn auch da und dort ein Zweig verdorrt oder abgehauen wird. Der Heiland drohte schon zur Zeit der Apostel (siehe Offenbarung Johannes Kap. 2), einigen Landeskirchen in Asien, daß der Leuchter von ihnen weg gerückt werde, wenn sie sich nicht treu und eifrig erweisen; was später auch geschehen ist, so daß dort jetzt die Türken ihre Religion üben. Darum dürfen wir nicht ohne Besorgnis sein, daß auch in unserm Vaterland noch der Leuchter der katholischen Kirche hinweg genommen werde, wenn wir uns nicht derselben würdig erweisen durch lebendigen, in Liebe tätigen Glauben, und selbst auch mitzuwirken an allem, was die katholische Kirche im Land befestigen und fördern mag.-
aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 4 Oktober bis Dezember, 1872, S. 153 – S. 157