Die Missionare auf dem Heiligen Stuhl
Papst Gregor I. Mönch und weltlicher Herrscher
Wie staunte ganz Rom, als der heilige Gregor auf einmal das ganze väterliche Erbe verkaufte, das Geld an die Armen und Spitäler verschenkte und sein Haus zu einem Kloster einrichtete, das noch heute in Rom in der Nähe der Kirche des heiligen Johannes und Paulus zu sehen ist. Man sieht noch die Kapelle, in welcher der heilige Gregor seine Anreden hielt, seine Schlafkammer und den Tisch, an dem er täglich die Armen speiste. Aus diesem Kloster gingen später die Apostel Englands, der heilige Augustinus und in neuester Zeit Papst Gregor XVI. hervor. Der heilige Gregor unterstützte reichlich die Armen, erbaute aus seinen eigenen Mitteln sechs Klöster in Sizilien und ein siebentes in Rom und beschenkte sie mit Ländereien.
Der heilige Gregor Mönch und Abt
Im Jahre 575 wurde der heilige Gregor, der berühmte, angesehenste und reichste Mann in Rom, dem die glänzendste Laufbahn offen lag, ein einfacher Mönch. Er, der gewohnt war zu herrschen, folgte den Befehlen eines Abtes. Studium, Abtötung und Fasten war nunmehr sein Geschäft. In seinen späterem späteren Leben erinnerte er sich noch freudig der glücklichen Stunden, die er im Kloster verlebte. Die Zeit, die er in der Stille der Einsamkeit, in Gebet und Betrachtung der göttlichen Dinge verbracht hatte, galt ihm in seinen späteren Jahren als die schönste und glücklichste seines Lebens.
Aber es war nicht der Wille der Vorsehung Gottes, daß der heilige Gregor ein unbekannter Mönch bleibe. Gotte hatte beschlossen, ihn auf den Leuchter zu stellen, damit er weithin glänze zum Wohl und Heil der damaligen Welt.
Der Heilige Gregor als Missionar auf dem Stuhl Petri
Der heilige Gregor war von der göttlichen Vorsehung zwar zum Missionar bestimmt, aber „zum Missionar auf dem heiligen Stuhl“.
Einst floh er die Welt, weil er es schwer fand, die Menschen zu regieren, jetzt wurde der von den Brüdern gezwungen, die Würde eines Abtes zu übernehmen. Widerstrebend nahm er die Wahl an, bewies aber eine ungewöhnliche Strenge in der klösterlichen Zucht. Dies zeigt folgendes Beispiel:
Ein Mönch seines Klosters beschäftigte sich mit der Heilkunde und erhielt nicht selten reiche Geschenke, die er sorgfältig verbarg. Das war aber eine Sünde gegen das Gelübde der Armut. Erst auf dem Totenbett gestand der Mönch seinen Fehler ein. Der heilige Gregor wollte ein Beispiel der Strenge aufstellen und verbot den Mönchen, den Sterbenden zu besuchen und bei ihm zu beten. Nur ein Priester durfte um ihn sein, um ihn zur Bekehrung und Buße zu ermahnen. Als der Mönch reumütig starb, ließ ihn Gregor samt seinem Geld beerdigen.
Hierauf wurden dreißig Tage lang Messen für die Seelenruhe des Verstorbenen gelesen. Am dreißigsten Tag erschien der verstorbene Mönch nach der heiligen Messe einem Mitbruder und zeigte ihm seine Befreiung aus den Qualen des Fegefeuers an. Daher stammt der Name der sogenannten „gregorianischen Messen“, die man noch heutzutage manchmal dreißig oder wenigstens sieben Tage lang für einen Verstorbenen lesen läßt.
Ein Papst mit vielen Sorgen
Wir wissen bereits, wie groß und schwer die Drangsale waren, welche die Völker Italiens am Ende des sechsten Jahrhunderts erduldeten. Im Winter des 590 erreichte das Elend den höchsten Grad. Zur Geißel des Krieges gesellte sich eine gräßliche Pest, die Tausende hinweg raffte. Papst Pelagius II. bot alles auf, die Leiden zu mildern, wurde aber selbst eines der ersten Opfer der Pest.
Der heilige Papst Gregor verließ in der schweren Zeit der Pest die Stadt nicht, sondern ermutigte das Volk und ermahnte es zu Buße, dem einzigen Mittel, den Zorn Gottes zu versöhnen. Der Papst ordnete an drei Tagen feierliche Prozessionen an. Er ließ die Gebete verdoppeln, bis endlich die Pest erlosch.
Während Papst Gregor seine Erhebung auf den Heiligen Stuhl beklagte, jubelte die Kirche. Er schrieb an den Statthalter von Sizilien: „Wenn Fremde mich beglückwünschen wegen meiner Würde, so liegt mir daran wenig; aber ich bin tief betrübt, wenn die mich beglückwünschen, welche mich und meine Schwäche kennen. Nichts wäre mir nützlicher gewesen, als die Ruhe, nach der ich mich sehnte.“ Ebenso schrieb er an den Patriarchen Johannes von Konstantinopel. Auch in einem Brief an Theoktista, der Schwester des Kaisers, sprach er: „Ich bin nun mehr mit zeitlichen Sorgen beladen, als damals, als ich noch nicht Priester war. Ich habe meine innere Zufriedenheit verloren, und bin, scheinbar höher steigend, tief gefallen. Ich war bemüht, mich von der Welt zurück zu ziehen, und mich fern zu halten vom weltlichen Leben, um die himmlische Freude zu verkosten. Von der Welt nichts verlangen und nichts fürchten war mein Ziel. Ich fürchte sehr für die, deren Heil mir anvertraut ist.“
Wer also den Päpsten nachsagt, daß sie sich von Ehrgeiz und Herrschsucht leiten lassen, hat noch nie einen Brief des heiligen Gregor gelesen.
Eine der ersten Sorgen des heiligen Papstes Gregor war die Erneuerung seines eigenen Hofes. Der Heilige Stuhl hatte große und ausgedehnte Besitzungen. Um sie zu verwalten, hatten die Päpste eine große Anzahl von Dienern nötig, die der heilige Gregor aus den vornehmsten und edelsten Männern Italiens auswählte. Er legte diesen wiederholt ans Herz, daß die Güter der Kirche dazu dienten, Elend und Not des Volkes zu mildern; er ließ vielfach seinen Dienern die beste Schulung angedeihen, so daß sie in Betragen, Sprache und Bildung das Ansehen des Heiligen Stuhles vermehrten. Der Papst war entschlossen, ohne Schonung Missbräuche und Gebrechen der Kirche aufzuheben, wo er sie nur finde. Er führte strenge Aufsicht über seine nächste Umgebung und hielt für den päpstlichen Dienst nur Geistliche und Mönche in seiner Umgebung, damit er mit ihnen das klösterliche Leben fortsetzen konnte.
Bewahrung der Einheit und des wahren Glaubens
Die Hoheit seines Berufes als Oberhaupt der ganzen Kirche war sich der heilige Gregor vollkommen bewußt. Da er wußte, daß der Stuhl des heiligen Petrus der Fels sei, auf welchem Christus seine Kirche gegründet habe, so war er eifrigst bemüht, die Einheit und Zusammengehörigkeit aller Kirchen mit Rom zu bewahren. Da alle Völker zum wahren Glauben berufen sind, machte es sich Papst Gregor zur besonderen Aufgabe, die Wahrheit der katholischen Religion auch den heidnischen Ländern zu bringen.
Das war auch der Grund, warum die Bekehrung zum wahren Glauben während seiner Regierung so große Fortschritte machte. Schon in den ersten Jahren konnte Bischof Leander von Sevilla in Spanien dem heiligen Papst berichten, daß der Westgoten-König Rekkared den katholischen Glauben angenommen habe. Die Goten folgten dem Beispiel ihres Königs. Ein ganz neues Volk trat mit ihnen in die Kirche Christi ein. „Ich weiß nicht“, schrieb Papst Gregor an den Bischof Leander, „wie ich meine Freude ausdrücken soll, daß unser Sohn, König Rekkared, sich ganz dem römisch-katholischen Glauben zugewendet hat. Was du mir über sein Leben erzählst, läßt mich ihn lieben, ohne ihn zu kennen.“
Die Tätigkeit dieses Papstes geht fast ins Unglaubliche. Überall wird sie gefordert, überall zeigt sie sich. In Ravenna ermahnt er die Bischöfe, sich der Armen besser anzunehmen. In Spanien schlichtete er Streitigkeiten. In Frankreich stellte er verschiedene Missbräuche ab. Den Bischof Severin von Marseille tadelt er, weil er die Bilder in den Kirchen aus Furcht vor Abgötterei entfernen ließ. „Die Bilder sind“, schreibt der einsichtsvolle Papst, „für die Ungebildeten, was die Bücher für die Gebildeten. Deshalb hat schon das christliche Altertum das Leben der Heiligen in Bildern dargestellt.“ Man sieht hier wieder, wie die göttliche Vorsehung über den Päpsten wacht. Die Bischöfe schwanken, irren, eifern gegen Erlaubtes, verfallen in übertriebene Strenge: Die Päpste aber behalten die goldene Mittelstraße, weichen keine Linie von den alten Überlieferungen ab.
Die Last weltlicher Angelegenheiten
Neben den geistlichen Geschäften widmete sich der heilige Papst auch noch den weltlichen Angelegenheiten. Er trug bereits die Lasten eines Königs, ohne den Namen König zu führen. Die Langobarden verheerten Italien. Der heilige Gregor verlangte Hilfe von Konstantinopel, aber umsonst. „Meine Augen“, sagt der edle Papst, „sehen nichts mehr als Gefahren. Ich höre nur seufzen. Die Städte sind zerstört, das Land ist verödet. Das fruchtbare Feld ist zur Wüste geworden. Die unglücklichen Überreste des menschlichen Geschlechtes sind beständig heimgesucht durch die Geißel Gottes. Rom selbst, einst die Herrin der Welt, in welchem Zustand sehen wir es jetzt? Es ist mit Leiden überhäuft, von seinen Bewohnern verlassen, von den Feinden verspottet, mit Ruinen bedeckt. Einst durchzogen die Fürsten Roms die Welt als Sieger, die Provinzen schickten hierher die Blüte ihrer Jugend, um Ruhm und Glück zu suchen. Nun liegt die Stadt verlassen und in Trümmern, man meidet und flieht sie. Kaum daß ihr die Erinnerung an ihre entschwundene Größe geblieben ist!“
Doch Papst Gregor klagte nicht bloß. Er handelte auch und suchte zu retten, was zu retten war. Da die kaiserliche Hilfe ausblieb, übertrug er den Bischöfen die Verteidigung der einzelnen Städte, die Ausbesserung und Erneuerung der Mauern, die Beschaffung der Verteidigungs- und Lebensmittel. So retteten Papst Gregor und seine Bischöfe die Völker des Abendlandes vor dem Untergang.
Der Papst brachte eine Armee zustande und ernannte tüchtige Anführer. Dennoch zog er noch einmal das heilsame Amt eines Vermittlers vor. Obwohl mehrmals getäuscht von den treulosen Griechen und von den gewaltsamen Langobarden, rettete er doch sein Land und wendete das gezückte Schwert von Rom ab. Vom Hof von Konstantinopel mit Verachtung behandelt fand der heilige Gregor in der Liebe des Volkes den besten Trost.
Das Recht des Papstes, als Herrscher zu regieren
Papst Gregor hatte das erste Recht, Rom als Herrscher zu regieren; denn er allein hat es in der größten Gefahr gerettet. Ja, auch der größte Teil der weltlichen Regierung Roms lastete bei der Unfähigkeit der weltlichen Fürsten auf dem Papst. Von ihm erwarteten alle Rat und Beistand, er musste die Kosten des Krieges mit den Langobarden tragen, Rom und die verwüsteten Gegenden Italiens mit Brot versehen, über die Sicherheit und Ruhe des Volkes wachen. Ihm gehorchte das Volk auch gern, weil es sah, daß er allein gerecht und mild war. So wurde bereits unter seiner Regierung der Grund zur Weltherrschaft der Päpste gelegt. Seine Nachfolger aber traten in seine Fußstapfen. Die Bahnen, welche der große Papst der Kirche angewiesen hat, waren damit auch seinen Nachfolgern vorgezeichnet. –
aus: Chrysostomus Stangl, kath. Weltpriester, Die Statthalter Jesu Christi auf Erden, 1907, S. 182 – S. 191