Pius II. zeigte sich seines päpstlichen Amtes würdig
Nach dem Tod Kalixts III. bestieg den Stuhl des hl. Petrus ein Mann, der im Laufe der Jahrhunderte eine gar verschiedene Beurteilung gefunden, die wohl in seinem äußerst wechselvollen Leben den Grund hat. Nichts desto weniger findet sich ein Schriftsteller, der über jene Zeit sehr gut orientiert ist und nicht auf katholischem Boden steht, genötigt, zu gestehen, daß er den ehrenwertesten Päpsten dieses Jahrhunderts beizuzählen sei. Dieser Papst ist Pius II., merkwürdig durch seine Talente und ausgebreiteten Kenntnissen, durch seine Verirrungen, seine aufrichtige Buße, durch seine großmütige Hirtensorge wie endlich durch seine bitteren Enttäuschungen.
Seinen Talenten entsprach aber während seines Weltlebens weder sein sittlicher Wandel noch seine kirchliche Gesinnung. Er zeigte sich eben als Kind der damaligen leichtfertigen Richtung, die mit der schönen Form aus den heidnischen Klassikern auch den heidnischen Geist und heidnische Sitten übernahm. Doch war er ehrlich genug, bei dieser Lebensweise dem Priestertum fern zu bleiben. Er gab da bei aller Leichtfertigkeit einen edlen Charakter kund. Als er sich aber zur Übernahme des Priestertums entschloss, da blieb er den übernommenen Verpflichtungen unverbrüchlich treu. Auch seine kirchliche Gesinnung, solange er im Laienstand lebte, ließ gar vieles zu wünschen übrig. Auf dem Konzil von Basel vertrat er mehrere Jahre die antipäpstliche Richtung, ja, er schloss sich sogar dem Gegenpapst Felix an. Jedoch nach und nach erkannte er die schiefe Stellung, in der er sich befand und verließ die Partei des Gegenpapstes. Nachdem er jahrelang den Weg Augustins gewandelt und diesem in seinen Verirrungen nachgegangen, trat er auch in die Fußstapfen dieses heiligen Büßers.
Seine Umkehr folgte allerdings erst ziemlich spät, aber um so ernster und aufrichtiger. „Der ist ein elender Mensch und der Gnade Gottes nicht teilhaftig“, schrieb er an einen Freund am 8. März 1446, „der nicht redlich in sich geht, seinen Wandel bessert; der nicht darüber nachdenkt, was nach dieser Welt in einer andern sein wird. Ich habe genug und übergenug gefehlt. Schon gehe ich in mich; o möchte es nicht zu spät sein!“ Um diese Zeit entschloss er sich, Priester zu werden und empfing 1446 in Wien die heiligen Weihen. Er erhielt dann die Pfarre Aspach in Oberösterreich.Schon vorher hatte er sich mit Papst Eugen IV. ausgesöhnt. Auf die Abbitte des Äneas erwiderte Eugen: „Wir wissen, daß du mit vielen gesündigt hast, aber dem Geständigen seinen Irrtum zu verzeihen, ist unsere Pflicht. Such die göttliche Gnade durch gute Werke. Du stehst an einer Stelle, wo du die Wahrheit verteidigen und der Kirche nützen kannst.“ Dies auszuführen, war sein redliches Bestreben. Große Dienste leistete er sofort dem Papst und der Kirche in Deutschland, wo er die allgemeine Anerkennung Eugens bewerkstelligte, einen papstfeindlichen Fürstenbund durch seine Geschicklichkeit sprengte und das verhältnismäßig günstige Aschaffenburger Konkordat zustande brachte. Mit Eifer suchte er seine kirchlichen wie sittlichen Verirrungen und das gegebene Ärgernis gut zu machen, die diesbezüglichen Schriften zu unterdrücken.
Als Papst zeigte er sich seines erhabenen Amtes würdig. Nachdrücklich suchte er das päpstliche Ansehen zu heben. Da die gegnerischen Parteien sofort, wenn ihnen eine päpstliche Verordnung nicht genehm war, sich auf ein allgemeines Konzil beriefen, verbot er strengstens eine solche Berufung, deren Geltendmachung ja die ganze kirchliche Ordnung zu zerstören geeignet ist. Der Papst wäre nur mehr der verantwortliche Minister eines Konzils. Dann war es ihm eine Herzensangelegenheit, die Reform der Kirche zur Ausführung zu bringen. Pius bemühte sich, die Kurie zu reformieren und drang auf Sittenreinheit und Uneigennützigkeit bei den Kurialen. Großen Eifer bewies er in der Reform der Klöster und förderte nach Kräften die Orden. Er selbst war nüchtern und mäßig; auf den Tisch des Papstes kam nur alltägliche Kost mit wenig Wein. Die Ausgaben für den päpstlichen Haushalt waren die denkbar geringsten. Auf seinen vielen Reisen begnügte er sich mit der ärmlichsten Unterkunft. Unermüdlich war er vom frühen Morgen bis tief in die Nacht hinein tätig. Dabei wurde er von schmerzlichen Krankheiten heimgesucht, die er mit heldenmütiger Geduld ertrug. Besonders wurde er von Steinschmerzen und Fußgicht geplagt, die er sich zugezogen hatte, als er infolge eines in einem Seesturm gemachten Gelübdes mit bloßen Füßen in Schottland auf hart gefrorenem Boden nach einer der hl. Jungfrau geweihten Kirche wallfahrtete.
An eine allseitigen Reform hinderten den eifrigen Papst aber die politischen Wirren. Der Türkenfrage wandte er seine ganze Sorgfalt und all seine Kräfte zu. … Man hätte glauben können, sein Ruf werde ein millionenfaches Echo finden. Leider nicht! (siehe den Beitrag: Das Pontifikat Papst Pius II.)
Es war überhaupt das ganze Pontifikat dieses Papstes eine ununterbrochene Kette der bittersten Enttäuschungen. Fast nichts erreichte er. In Frankreich wurde die Pragmatische Sanktion von 1438, auf deren Beseitigung Pius hinarbeitete, weil sie die päpstliche Gewalt zu einem Schatten erniedrigte, nur zum Schein aufgehoben. In Böhmen wurde der gute Papst vom König Georg Podiebrad getäuscht… Die deutschen geistlichen Fürsten beriefen sich, um einer Besteuerung auszuweichen, auf die Freiheit der deutschen Kirche und forderten Reformen, die die rechte des Papstes beschränken sollten. Ja, es wurde dem Papst der Vorwurf gemacht, daß die Türkensteuer nur ein Vorwand sei und die Gelder zu anderen Zwecken verwendet würden.
Die Verirrungen, die Pius als Laie begangen, hat er als Priester, Bischof und Papst gutgemacht. In seiner Stellung als Papst kann ihm nur die zu große Bevorzugung seiner Verwandten (siehe: Nepotismus) und selbst seiner Landsleute zum Vorwurf gemacht werden. –
aus: P. Andreas Hamerle C.Ss.R., Geschichte der Päpste III. Band, 1907, S.509 – S. 512