Hat Liberius den Arianern Zugeständnisse gemacht?
Falsche Vorwürfe gegen Papst Liberius
Wiewohl sich von Anfang seiner Regierung an so entschlossen im Kampf gegen die Arianer bewiesen und lieber alles Ungemach todesmutig auf sich genommen, als mit ihnen in Gemeinschaft zu treten und in solcher Weise ihre Irrlehre zu begünstigen, so wird ihm doch von einigen zur Last gelegt, daß er in der Verbannung dem Druck nachgegeben und seine Rückkehr durch die Unterzeichnung eines zweideutigen Bekenntnisses, das ebenso katholisch als auch arianisch ausgelegt werden konnte, erkauft habe. Die Gegner der katholischen Kirche nahmen diesen Vorwurf als unbestreitbare Wahrheit an und wollten aus diesem Falle Kapital schlagen gegen die Lehre von der lehramtlichen Unfehlbarkeit des Papstes, indem sie behaupteten, Liberius sei ein Ketzer geworden und habe eine Ketzerei gelehrt. Hätte Liberius auch wirklich diese zweideutige Formel unterschrieben, so würde er dadurch weder sich selbst einer Ketzerei schuldig gemacht, noch eine solche als Papst den Katholiken zu glauben vorgestellt, sondern nur aus Schwäche ein Bekenntnis unterfertigt haben, das irrtümlich gedeutet werden kann. So etwas wäre ein sittlicher (moralischer) Fehler gewesen.
Wie wenig aber dieser Vorwurf begründet ist, zeigt die bisher bewiesene unerschütterliche Charakterfestigkeit des Papstes, zeigt ferner die freudige Aufnahme des aus der Verbannung zurückkehrenden Papstes von Seiten des katholischen römischen Volkes. Gleich einem Triumphator wurde er von den Bewohnern Roms begrüßt und nachher als ein Heiliger gepriesen. Gewiss würden die dem katholischen Glauben so ergebenen Römer, welche die Gemeinschaft mit den Arianern auf das tiefste verabscheuten, den heimkehrenden Liberius nicht mit solchem Jubel aufgenommen haben, wenn nur ein Schatten von Schwäche oder Nachgiebigkeit auf ihm geruht hätte.
Das Unbegründete dieses Vorwurfes beweist weiter Liberius selbst durch sein späteres Verfahren. Er verurteilt und verwirft feierlich die große Synode der Arianer von Rimini aus dem Jahre 359, welche den Ausdruck „dem Vater wesensgleich“ in „dem Vater ähnlich nach der Schrift“ umänderte. Liberius fordert von allen Bischöfen, die sich wieder der Kirche anschließen wollen, daß sie diese Synode verwerfen und die Wesensgleichheit des Sohnes mit dem Vater unzweideutig und öffentlich erklären. Das ganze Leben des Papstes bezeugt das Wort, das er an Konstantin geschrieben: „Die Aufrechterhaltung des göttlichen Rechtes bestimmt mein Tun, nicht Eigenwille, nicht um meine, sondern um die apostolischen Gesetze handelt es sich. Ich tue, was meine Vorgänger getan haben und soll der Würde des römischen Bischofs ebenso wenig etwas vergeben werden, als mir ihre Erhöhung ferne liegt.“
Daß nichtsdestoweniger das Ansehen und die Glaubenstreue dieses Papstes bemakelt werden konnte, hat seinen Grund in der Unehrlichkeit und Lügenhaftigkeit der Arianer, welche diese Verleumdung aussprengten und verbreiteten, um Fernstehende zu täuschen und für ihre Partei zu gewinnen. Es wurden auch tatsächlich dadurch mehrere über den edlen Papst getäuscht, doch die Näherstehenden ließen sich durch diesen Betrug nicht hintergehen. Liberius sah noch seinen Bedränger Konstantius vom Schauplatz dieser Welt abtreten und ins Grab steigen. –
aus: P. Andreas Hamerle C.Ss.R., Geschichte der Päpste 1907
Falsche Zeugnisse – Falsche Anschuldigungen
Das sog. Hieronymianische Martyrologium, das authentische unter den alten Heiligenverzeichnissen, enthielt Liberius` Namen am 23. September, und noch Rabanus Maurus wiederholte aus dieser Quelle unter seinen Heiligenangaben den Text… Der hl. Ambrosius nennt ihn nicht bloß beatus, sondern bekundet ausdrücklich die allgemeine Hochschätzung seiner Heiligkeit. Auch der Orient pries und verehrte den Papst. Epiphanus und Basilius nennen ihn den „seligsten“ und den „heiligsten“; die orientalische Kirche zollte ihm liturgischen Cultus, Griechen und Slawen rechneten ihn zu den Bekennern.
Sehr bemerkenswert ist aber, daß sein Andenken nicht bloß wegen persönlicher Tugenden in so hohen Ehren blieb, sondern daß er im 4. und 5. Jahrhundert ausdrücklich als Vorkämpfer des Konzils von Nicäa gefeiert wird. Theodoret bezeichnet Liberius als „wunderbaren Athleten des nicänischen Glaubens“. Papst Athanasius I. (398-401) eifert in einem erst in neuerer Zeit bekannt gewordenen Brief an Venerius von Mailand diesen Erzbischof zur Bekämpfung des Origenismus an, indem er ihm die Väter von Nicäa, Dionys von Mailand, Liberius von Rom heiligen Andenkens, Eusebius von Vercelli, Hilarius von Gallien und die anderen heiligen Bischöfe, die um des Glaubens willen das Exil freiwillig geduldet hätten, als Beispiele vorhält…
Allein seit dem Beginn des 6. Jahrhunderts verdunkelte sich das Andenken des Papstes durch die kritiklose Einschleppung apokryphischer Legenden in seine Lebensgeschichte. Hieran hat der auch sonst in seinem ersten Teile von Fehlern wimmelnde Liber pontificalis die meiste Schuld. Er verbreitete in den weiten Kreisen, die ihn lasen, die jeder Geschichte hohnsprechende Darstellung, als ob Liberius im Bunde mit dem arianischen Kaiser Constantius die Anhänger des orthodoxen und angeblich von ihm selbst eingesetzten Felix II. zu Rom grausam verfolgt hätte.
Felix II., mit einem römischen Martyrer Felix verwechselt, gelangte in der Tradition zu unverdientem Glanz, während das Martyrologium des Ado, aus jenen unreinen Quellen schöpfend, und noch mehr Usuards martyrologische Arbeit, welche Ado popularisierte, den Gegner des Felix, Liberius, in der Meinung des Mittelalters sehr ungünstig erscheinen ließ. Auf den Brustbildern der Päpste, welche unter Nikolaus III. (gest. 1280) in der Peterskirche ausgeführt wurden, erhielt unter allen Päpsten der vier ersten Jahrhunderte nur Liberius nicht den runden Nimbus. Das gegenwärtige Martyrologium Romanum enthält seinen Namen nicht. (Sp. 1950-1951)
Im Übrigen vergegenwärtige man sich die Lage der Dinge und den Charakter der Personen, und man wird sehen, was den Papst bestimmt haben kann zu einem Entgegenkommen, welches von einer Seite, wo man ein Interesse daran hatte, als Concession gegen die semiarianische Gemeinschaft ausgelegt wurde. Die Semiarianer, an ihrer Spitze Basilius von Ancyra, zeigten sich in Sirmium so wenig schroff gegen den katholischen Standpunkt, daß sie im Gegenteil nur äußerlich von der Kirche getrennt schienen. Da die strengen Arianer ihnen beipflichteten, so schien die Erwartung gerechtfertigt, daß der ganze Arianismus mit ihrer Hilfe überwunden werden könne. Basilius von Ancyra wurde sogar wegen seines Verhaltens zur römischen Kirche als Urheber dortiger missfälliger Ereignisse auf dem arianisierenden Konzil von Konstantinopel verurteilt…
Mithin handelte es sich für Liberius, wenn er aufgefordert war, der Friedensabmachung zuzustimmen, hauptsächlich darum, ob er den Terminus „wesensgleich“ in den Streit zu ziehen und zur Annahme zu bringen verpflichtet sei, und das unter Schädigung des Einigungswerkes, welches zum großen Vorteil der Kirche sich zu vollziehen schien. Er konnte sich damit beruhigen, daß nicht zu jeder Zeit die ganze Waffenrüstung des kirchlichen Dogmas hervorzukehren sei, wenn nur Kern und Wesen anerkannt würden, und daß man von den Wiederzugewinnenden, als Schwachen, nicht gleich das Höchste fordern könne… Ja, selbst Athanasius sagt, gerade mit Beziehung auf das Entgegenkommen des Basilius von Ancyra: „Als Brüder verhandeln wir mit Brüdern, in der Sache sind wir einig, und unser Streit bezieht sich nur auf Worte.“ (Sp. 1957-1958)
So wäre es denn fürwahr nicht unerklärlich, wenn Liberius den zu Sirmium vorgelegten Schriftstücken zugestimmt und sich gegen deren Vertreter sehr freundlich gezeigt hätte. Daß er mit den Semiarianern damals auch schon in Kirchengemeinschaft getreten sei, wird nicht gesagt; sie wurden erst später von ihm aufgenommen und zwar erst nach förmlicher Annahme des Nicänum, ein Umstand, welcher indessen, wie erwähnt, zu den Zweifelsgründen gehört, die überhaupt seine Zustimmung zu den sirmischen Schriftstücken fraglich erscheinen lassen. (Sp. 1958 – Sp. 1959) –
aus: Wetzer und Welte`s Kirchenlexikon, Bd. VII, Sp. 1950ff., 1891
Allein wenn auch (…) Liberius in irgend einer Weise den Semiarianern gegenüber nachgiebig war…, jedoch mit einer Erklärung, die seine rechtgläubige Auffassung bekunden sollte, so hat er damit keine Glaubensentscheidung erlassen, keine Irrlehre der Kirche aufgedrängt, sondern bloß zur Wiederherstellung der kirchlichen Gemeinschaft mit den Semiarianern, die großenteils dem Nicänum sehr nahe standen, ein zu weitgehendes Entgegenkommen gezeigt, ohne den festen Glauben an die Gottheit des Logos in Frage zu stellen. –
aus: Joseph Kardinal Hergenröther, Handbuch der allgemeinen Kirchengeschichte 1911, Bd. 1, S. 409
Bildquellen
- Papst Liberius Med: novusordowatch